Anita Augustin

 3,5 Sterne bei 63 Bewertungen
Autor*in von Der Zwerg reinigt den Kittel, Alles Amok und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Anita Augustin, geboren 1970 in Klagenfurt, hat in Wien Philosophie und Theaterwissenschaft studiert und an der Ersten Österreichischen Barkeeperschule ihr Diplom gemacht. Nach Stationen in New York und London lebt sie heute als freie Dramaturgin in Berlin.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Anita Augustin

Cover des Buches Der Zwerg reinigt den Kittel (ISBN: 9783548285788)

Der Zwerg reinigt den Kittel

(42)
Erschienen am 02.12.2013
Cover des Buches Alles Amok (ISBN: 9783548287836)

Alles Amok

(12)
Erschienen am 30.11.2015
Cover des Buches Der Zwerg reinigt den Kittel (ISBN: 9783844906332)

Der Zwerg reinigt den Kittel

(3)
Erschienen am 23.08.2012

Neue Rezensionen zu Anita Augustin

Krimi oder Gesellschaftroman?

Ist dieses Buch ein Kriminalroman? Vom Inhalt her könnte man das meinen:

Cornelia Karl führt ein zufriedenes Durchschnittsleben als berufstätige Frau und alleinerziehende Mutter. Dieses Leben endet jäh, als ihre zwölfjährige Tochter Elli spurlos verschwindet. Die polizeiliche Fahndung bleibt ergebnislos, der Fall landet bei den Akten. Ihre Trauer um Elli verwandelt sich in ein explosives Gemisch aus Wut, Trotz, Sarkasmus und Skrupellosigkeit. Sie beschließt, ihre Tochter im Alleingang zu finden, koste es, was es wolle. Die erste heiße Spur führt zu einem Sexualtherapeuten, der pädophile Männer behandelt. Cornelia Karl beginnt eine Affäre mit ihm, und die Suche wird zu einem aberwitzigen Spiel rund um Liebe, Lüge und die Macht der Hoffnung. (© Leykam Verlag)

 „Wie es aussieht, habe ich meinen Humor verloren. Wie es aussieht, muss ich mir einen neuen Humor suchen, weil der alte unauffindbar ist, sehr schade, es war ein guter Humor, das können Sie mir glauben, und wenn Ihnen zufällig ein herrenloser Humor über den Weg läuft, der nach seinem Frauchen sucht, dann rufen Sie mich an, hier meine Nummer: 0815.“ (S.7) Dieser erste Satz des Romans reizte mich und ich wollte genauer wissen, wie die Autorin mit einem so schwierigen Thema wie Pädophilie umgeht.

Wir lesen diese Geschichte aus 3 Perspektiven: Cornelia, die alleinerziehende Mutter, die als Apothekerin arbeitet und deren Tochter Elli nach Ansicht der vernehmenden Beamtin des BKA zu wenige beaufsichtigt wird. Cornelia sieht das anders, schließlich ist Elli 12, hat einen Freud und ein eigenes Handy, mit dem sie die Mutter jederzeit erreichen kann und ist viel auf Achse. Sie entschließt sich, nachdem die Polizei ihr erklärt hat, die Suche nach dem Sugardaddy ihrer Tochter sei aussichtslos, selbst zu suchen.

Viktor ist der Mann, den sie sucht, aber das wissen nur wir. Aus seiner Perspektive lesen wir, wie sein Leben aussieht: Er arbeitet als Komparse beim Film, Spezialgebiet sterben: Mal ist es ein Unfall, mal Mord oder er ist die Leiche, die auf dem Seziertisch liegt. Und er macht eine Therapie mit dem Ziel, eine Frau zu finden, mit der er ein normales Leben führen kann.

Diese Therapie macht er bei Frank, einem Sexualtherapeut mit Spezialisierung auf Pädophilie. Er ist verheiratet, hat aber (mit Wissen seiner Frau) ein Verhältnis. Er kennt seine Geliebte nur unter dem Namen Karl, weiß nicht wo sie lebt und kann nur über Whats App Kontakt mit ihr aufnehmen. Jeden Samstag treffen sich beide in einem Jagdhaus und bei diesen Treffen erzählt Frank auch von seinen „Gentlemen“, der Männergruppe Pädophiler, die er behandelt.

Der Reiz bei der Lektüre lag für mich in der raffinierten Konstruktion: Ich wusste stets mehr, als die 3 Hauptfiguren, die Spannung lag darin, was Cornelia letzten Endes mit ihren Erkenntnissen tun wird. Außerdem ermöglichte diese Erzählweise Einblicke in das Seelenleben aller 3 Beteiligten und, das hat der Roman mit der Reihe von Jan Costin Wagner gemein, vermeidet so eine Reduzierung des komplexen Themas auf bloße Schwarzweißmalerei. Dazu kommt noch ein wirklich schräger Humor.

Der Epilog am Ende des Buches driftet dann ab in eine vollkommen surreale, fantastische Theaterwelt und ließ mich etwas ratlos zurück. Ich kann mir vorstellen, was Anita Augustin ihren Leser:innen da noch erzählen will, habe allerdings keine Ahnung, ob ich mit meiner Vermutung richtig liege.

Fazit: Ein ungewöhnliches Buch, eher ein Gesellschaftsroman und definitiv kein klassischer Kriminalroman. Dazu ist es ganz beosnders gestaltet, mit einem aparten Buchschnitt – nur was sich der Leykam Verlag bei der Kombination von Cover- und Schriftfarbe gedacht hat, wird sein Geheimnis bleiben.

Pädophilie: Ächtung, Rache und Therapie - ein aufwühlendes Thema

Schon wieder habe ich zu einem sehr kontroversen Roman gegriffen, aber scheinbar ist heuer ein ganz schön großer Teil aller österreichischen Neuveröffentlichungen mit einer Triggerwarnung zu versehen. Nichtsdestotrotz fand ich den Roman gut geschrieben und interessant aufgebaut.


Diesmal geht es um das heikle Thema Pädophilie vor allem aus therapeutischer Täterarbeit beleuchtet, und vom Rachegedanken einer betroffenen Mutter getragen, also kein Inhalt, der locker flockig daherkommt.


Ich habe mich gleich auf den ersten Seiten gewundert, denn Autorin Augustin schreibt schon zu Beginn, dass sie ihren Humor verloren hat und nimmt das sehr ernst. Kannte ich bisher ihre augenzwinkernden bitterbösen schwarzhumorigen Geschichten, wie Der Zwerg reinigt den Kittel oder Amok (Die beiden Bücher sind an die Rezi drangehängt), die ich zwar fies, aber brüllend komisch gefunden habe, so geht es nun tatsächlich um ein todernstes Thema.


Ein dreizehnjähriges Mädchen wird vermisst, nicht kurzfristig, sondern mehr als Jahr, die Polizei hat mittlerweile aufgegeben, die alleinerziehende berufstätige Mutter ist im Fegefeuer, völlig verzweifelt, sie ermittelt selbst und ist überrascht, was sie über ihre Tochter rausfindet. Irgendeinen Ansatz fördert sie letztendlich zu Tage. Der Teenager war in einem Industriegebiet mit den Jungs Fußballspielen und ein älterer erwachsener Mann, wahrscheinlich ein Pädophiler hat sie beobachtet, angesprochen und mitgenommen.


Auch wenn Augustin nicht mehr humoristisch schreibt, sind die Figuren noch genauso abgedreht wie in ihren bisherigen Romanen. Die Mutter der entführten Tochter lässt sich im Anschluss als Geliebte auf eine zehnjährige Beziehung mit dem einzigen Psychiater der Region ein, der Pädophile betreut und bespricht mit ihm seine Arbeit, um irgendwann den Täter zu identifizieren. Die Gruppe der betreuten Pädophilen in der Therapie ist richtig schrecklich bis verstörend, sie werden aus psychologischer Sicht sehr genau mit ihren Problemen, Ängsten, Neigungen, Vermeidungsstrategien und Rückfällen geschildert. Das ist extrem sachlich, intensiv, furchtbar und gut, wie die Mutter, sie nennt sich Karl, im Rachemodus ihrem verheirateten Freund Dr. Frank (was für ein Name, da gabs doch mal eine Fernsehserie: Dr. Frank dem die Frauen vertrauen) endlich die Gelegenheit gibt, intensiv über seine Arbeit zu sprechen, was er mit seiner Ehefrau nicht machen kann. Dabei fällt Frank gar nicht auf, dass er nicht nur im Plaudern seine Schweigepflicht verletzt, sondern dass ihn seine Geliebte regelrecht aushorcht.


Zwischendurch wäre die Liaison mit Karl, von der die Ehefrau auch weiß, fast zerbrochen, weil des Doktors Ehefrau Yvette plötzlich schwanger wird und Frank deshalb fokussiert in den Hafen der Ehe zurückkehren möchte. Doch die Schwangerschaft war nur eine Scheinschwangerschaft und so wird das bisher von allen akzeptierte Dreiecksverhältnis – montags bis samstags Ehe, am Sonntag Ausflug zur Geliebten – fortgeführt.


Nach zehn Jahren gibt es endlich einen Durchbruch und Karl hat tatsächlich eindeutig den Missbraucher ihrer Tochter mitsamt seinen pädophilen Neigungen anhand der Erzählungen von Dr. Frank ziemlich klar identifiziert. Karl hat mittlerweile unter ihrem richtigen Namen auch einen Job in der bevorzugten Apotheke des Therapeuten angenommen, in der die Gruppe der „Gentlemen“, wie sie Frank oft liebevoll und sehr verharmlosend beschreibt, ihre Medikamente abholen. So wanzt sie sich an den potenziellen Kinderschänder ihrer Tochter namens Viktor heran. Das funktioniert natürlich auch deshalb so gut, weil die Herren in der Therapie lernen, wie man mit Erwachsenen Frauen Beziehungen eingeht. Alles in allem eine Erfolgsgeschichte für Dr. Frank, Viktor und die gesamte Gruppe, die allesamt keine Ahnung haben, dass die Rachegöttin Nemesis im Anmarsch ist.


Im Plot legt Anita Augustin noch ein Schäuferl nach, denn Karl ist bei der Erzwingung eines Geständnisses von Viktor bereit, jegliche moralischen Schranken fallenzulassen. Mit welcher Methode sie das bewerkstelligen will, möchte ich nicht verraten, aber es ist so atemberaubend abgedreht. Im Endeffekt tut sie es aber dann trotzdem nicht.





„Was macht man mit einem sehr großen, sehr schweren Stein, der Vergangenheit heißt und sich nicht wälzen und sich nicht bewegen lässt? Soll man dagegentreten? Soll man versuchen ihn zu zerschlagen? Was macht man?“


„Man lässt ihn einfach liegen und geht davon.“



Das Thema ist heftig und wird sowohl differenziert als auch nicht verharmlosend in den Plot eingebaut, der wirklich sehr rasant konzipiert ist und mit einigen Überraschungen aufwartet. Die Reaktionen von Betroffenen und die Empörung der Gesellschaft im Gegensatz zum sachlich sezierenden Blick des Arztes werden von der Autorin auch immer wieder aufgenommen.





„Und wenn dir irgendjemand erzählen würde, wenn Dir irgendein rechtschaffener Therapeut erzählen würde, dass du falschliegst, dass du undifferenziert vorgehst, weil es nämlich feine Unterschiede gibt, die es zu berücksichtigen gilt, zum Beispiel den Unterschied zwischen Pädophilie und Pädokriminalität, den Unterschied zwischen Fantasie und Tat und nicht zu vergessen den Unterschied zwischen den Tätern, die sich voller Scham ihrer Schuld bewusst sind und jenen Tätern, die sich ihre Verbrechen schamlos schönreden, dann würdest Du ihn anbrüllen, ERZÄHL DAS MEINER TOCHTER!“



Fazit: Sicher eher ein Minderheitenprogramm, aber ich fand den Roman sehr spannend und gut gemacht. Wenn jemand sich dieses furchtbare Thema antun will und hinschauen kann, dann gebe ich sehrwohl eine Leseempfehlung ab.

ein absolut bemerkenswertes Buch!

Meine Meinung:

Ganz ehrlich: Ich bin im ersten Moment über die Aufmachung des Buches gestolpert: Es ist wie ein Unfall, man muss immer wieder hingucken und es letztendlich in die Hand nehmen. Das ist hoffentlich die Taktik, die hinter dieser Gestaltung steckt. Diese Farbe: nicht rot, nicht braun – dazu die pinke Schrift, die sich nur wenig lesbar vom Hintergrund abhebt und doch absolut in den Augen brennt. Die Schriftart, die mich an die Schrift erinnert, die im zweiten Weltkrieg von Hitler und seinen Schergen verwendet wurde, setzt dem ganzen die Krone auf… wobei diese Zackenbarsch-Giraffen-Musterung auf dem Buchschnitt und Buchrücken hat was, kann aber im ersten Moment auch dazu führen, dass man das Buch in eine falsche Kategorie einordnet. Und als letztes: Soll der Titel eine Frage sein? Wenn ja, wo ist das Fragezeichen hin?

„Schräge Figuren, böse Komik und bissig bis zum letzten Tabu: Dieser Roman handelt von Menschen und Monstern, die auch nur Menschen sind.“ = Das ist das, was mich gereizt hat, warum ich letztendlich zu diesem Buch gegriffen habe. Ich habe persönlich noch nie ein Buch gelesen, das so mit dem Leser spielt. Das Buch ist absolut provokant, dabei an vielen Stellen wirklich böse („Das hat sie jetzt nicht wirklich so geschrieben?“), aber dieser punktgenau gesetzte Humor und diese passende intelligente Sprache machen dieses Buch zu etwas Besonderem – zumindest in meiner Lesehistorie. 

Das Lesen fiel mir aufgrund der Besonderheit des Schreibstils jedoch nicht immer leicht und für mich waren die kleinen Wiederholungen, die immer wieder auftauchten, wichtig, da ich teilweise ein wenig durcheinanderkam. Die Tagebucheinträge in der Mitte des Buches empfand ich teilweise als zu ausführlich, sie nahmen der Geschichte ein wenig die Spannung. Das Ende ist ein Knüller in allen Belangen und zeigt erneut, dass sich der Mensch von Vorurteilen leiten lässt, vor allem bei diesem Tabuthema. 

Insgesamt schon schwere Kost, wie ich finde, aber definitiv etwas Besonderes. Zum Nachdenken über so viele verschiedene, wichtige Themen, zum Schmunzeln und letzten Endes zum Überdenken!

 (4 / 5)

Weitere Rezensionen bei zugetextet.com (definitiv lesenswert), bei Bibliomarie (mutiges Buch), bei Carinas Bücherwelt (absolut fasziniert) und bei Rezensurensohn1 (4,5/5). 

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