Rezension zu "Steigende Pegel" von Anita Siegfried
Pietro Caminada (1862-1923) war ein Ingenieur mit Schweizer Wurzeln. Nach einem Aufenthalt in Rio de Janeiro, wo er an die Entwicklung dieser Stadt Anteil hatte, kam er zurück nach Italien. Er hatte ein gigantisches Projekt im Kopf, nämlich einen Schifffahrtskanal über die Alpen. Dieser sollte von Genua über den Apennin und den Splügenpass bis zum Rhein führen.
Dieses Projekt hat mich, als ich das erste Mal davon hörte, fasziniert. Deshalb kam mir dieser Roman gerade recht. Er ist leicht und flüssig zu lesen, dabei werden jedoch Fiktion und Geschichte miteinander verwoben. Und genau dies ist der Punkt, dem ich etwas zwiespältig gegenüberstehe.
Der erste Teil erzählt von der fiktiven Fahrt zweier Bootsführer mit dem Schiff RACHELE über den Splügenpass. Dieser ist im Stil eines Jugendromans geschrieben und liest sich sehr angenehm. Einer der beiden Bootsführer ist ein Neuling, der mit seinen Ängsten zu kämpfen hat. Das lässt sich auch leicht nachfühlen, sind doch weite Strecken des Kanals unterirdisch oder mittels verschlossenen Betonröhren angelegt.
Der Mittelteil erzählt dann die Lebensgeschichte von Pietro Caminada mit seiner Reise nach Südamerika und der Planung des Kanals. Es werden auch andere Projekte Caminadas beschrieben, und man bekommt das Bild eines Visionärs, dessen meisten Projekte leider nie umgesetzt oder vollendet wurden.
Der Abschluss des Buchs fand ich dann verwirrend. Er handelt davon, dass der Kanal nach dem Tode Caminadas gebaut, sein Betrieb jedoch nach wenigen Jahren eingestellt wurde. Die Ich-Erzählerin wandert über den Splügenpass und begibt sich auf die Suche nach Überresten des Kanals. Diese findet sie dann auch. Es wird sogar erklärt, weshalb man so wenig Überreste dieses gigantischen Bauwerks antrifft.
Wie schon erwähnt, stört mich das ein wenig. Da es sich bei Pietro Caminada um eine reale Person handelt, ist es nun schwierig einzuordnen, was jetzt historische Fakten und was Fiktion ist.
Trotzdem, das Buch ist lesenswert und unterhaltend. Und mir gab es den Anstoss dazu, noch etwas weiter zu diesem Thema nachzuforschen.