Anja Henningsmeyer zeigt Frauen in ihrem Buch „Denn sie wissen, was sie tun“, wie sie erfolgreicher verhandeln können.
Das Thema lag auf der Straße: Noch immer verdienen Frauen in Deutschland im Durchschnitt 5,5 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen bei gleicher Ausbildung und identischen Tätigkeiten, wie eine Studie der Glassdoor Economic Research Group von 2016 belegt. Und warum ist das so? Weil Frauen anders verhandeln als Männer. Frauen, die ebenso selbstverständlich fordern, seien immer noch die Ausnahme, so Henningsmeyer. Außerdem machten sie oft den Fehler zu denken, mit ihrer Gehaltsforderung würden sie ihre Leistung oder ihren Wert verhandeln.
Die Autorin hat in ihrem vielfältigen Berufsleben Verhandeln in all seinen Varianten von der Pike auf gelernt: als freie Journalistin, als Managerin von Filmfestivals, und als Inhaberin einer Bildagentur. Gelebt hat sie in Hamburg, Berlin, Frankfurt, China und Hong Kong. Daher kann sie auch zum Umgang mit kulturellen Unterschieden qualifiziert Tipps geben. Heute leitet sie die hessische Film- und Medienakademie und hält in Seminare über erfolgreiches Verhandeln.
Die Überlebenstipps für den Verhandlungsdschungel sind in eigenständige, überschaubare Kapitel gegliedert, die sich wie Kurzgeschichten unabhängig voneinander lesen lassen. Immer wieder gibt die Verhandlungs-Expertin Querverweise innerhalb des Buchs. Am Ende steht eine Zusammenfassung, mit der Leserinnen sich vor der nächsten schwierigen Verhandlung schnell die wichtigsten Punkte ins Gedächtnis zu rufen können. Die Autorin bietet viele praktische Beispiele aus der Realität an und konkrete Sätze, mit denen man die Kuh vom Eis holen kann, wenn eine Verhandlung zu scheitern droht.
Gute Vorbereitung sei wichtig, eine Strategie zu entwickeln und sich vor dem Gespräch klar zu werden, was man will. Hat das Gespräch dann begonnen, könne man durch Small Talk Stress abbauen und sich erst einmal kennen lernen – eine Vorgehensweise, die in anderen Kulturen viel ausgeprägter genutzt wird als in Deutschland. Hackordnungen und Emotionen spielen unter der Oberfläche bei Gesprächen eine große Rolle. Sich von positiven oder negativen Gefühlen nicht überrennen zu lassen, sondern einen kühlen Kopf zu bewahren, hält die Autorin für entscheidend und sie gibt konkrete Hinweise, wie das gelingen kann.
Eine Verhandlung ist Hochleistungssport für das Gehirn und ein großes Spiel von Geben und Nehmen: Wie kann ich dafür sorgen, dass mein Gesprächspartner sich wohlfühlt? Wie finde ich die Karotte, die mein Gegenüber unbedingt haben will, den positiven Hebel? Durch weniger reden und mehr zuhören. Auch die Körpersprache meines Gegenübers beobachten, gehört zu erfolgreichem Verhandeln, denn sie gibt ehrliche Auskunft über seine Absichten.
Wenn Verhandlungen nicht voran gehen, hilft die richtige Fragetechnik weiter. Sätze wie: „Stellen wir uns vor, das Problem wäre gelöst, wie würden wir dann weitermachen?“, können eine neue Perspektive bringen. Gesprächspausen auszuhalten fällt Frauen oft schwer, weil sie beziehungsorientiert sind, aber es hilft. Unerschrockenheit signalisiert man, indem man Pausen bewusst einsetzt und offen in die Runde blickt.
Es gibt Situationen, in denen die Autorin einen Abbruch der Verhandlungen nahelegt, allerdings auf eine Weise, dass man sie später wieder aufnehmen kann. Das ist ein diffiziles Unterfangen. Wie der Ausstieg gelingt, beschreibt sie in Kapitel 21: Man fasst zusammen, worin man übereinstimmt und verdeutlicht, was noch zu besprechen wäre. Dann kommt der Moment, in dem man zum Small Talk übergeht, seine Siebensachen packt und geht – ohne Abschiedsworte – und ohne zu Zucken.
Authentisch bleiben und die eigenen Grundsätze nicht aus dem Blick verlieren, hält Henningsmeyer für unerlässlich. Ihr ist ein informatives Buch gelungen, das die Verhandlungskultur in Deutschland voranbringen kann. Auch Männer sollten es lesen, damit sie wissen, worauf sie sich gefasst machen können.