Cover des Buches Wie hoch die Wasser steigen (ISBN: 9783446258150)
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Rezension zu Wie hoch die Wasser steigen von Anja Kampmann

Der Selbstfindungsprozess eines Getriebenen

von Dajobama vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Ein literarisch sehr hochwertiger, jedoch auch anspruchsvoller Roman, der mich leider erst auf den letzten Seiten fesseln konnte.

Rezension

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Dajobamavor 6 Jahren

Dieser Roman von der Lyrikerin Anja Kampmann wurde für den Preis der Leipziger Buchmesse 2018 nominiert und hat mir so einiges abverlangt.

Die Handlung ist eigentlich recht überschaubar: der Bohrarbeiter Wenzel verliert auf einer Ölplattform mitten im Meer seinen besten Freund. Tief erschüttert macht er sich auf den Weg nach Ungarn zur Familie von Matyas. Irgendwann unterwegs merkt er, dass er nicht nur seinen Freund, sondern noch jemand anderes vermisst. Vor zwölf Jahren hat er seine große Liebe Milena im Ruhrgebiet zurückgelassen, um auf der Ölplattform Geld zu verdienen, für ein gemeinsames Leben. Doch dort hat er sich irgendwann selbst verloren. Es ist ein Versuch, sein eigenes Leben zurückzubekommen, der Selbstfindungsprozess eines Getriebenen.

Es liegt der Geschichte eine sehr düstere, traurige Stimmung zu Grunde. Mit Wenzel findet man sich in verschiedenen Zeitebenen seiner Gedanken und an unterschiedlichen Orten seiner tatsächlichen Reise wieder. Zu lesen ist dies sehr anspruchsvoll und oft auch verwirrend. Sehr oft musste ich einen Abschnitt wiederholen, weil meine Gedanken doch abgeschweift sind.

Die Sprache ist literarisch einwandfrei und auf sehr hohem Niveau, nur leider merkt man sehr deutlich, dass die Autorin aus der Lyrik kommt. Sehr viele kluge Sätze und Vergleiche, aber wenig Handlung. Vieles wird nicht ausgesprochen. Vieles passiert zwischen den Zeilen. Ich hätte ständig das Gefühl, etwas nicht mitgekriegt zu haben.

Mich konnte dieses Werk leider über weite Teile nicht fesseln, obwohl ich durchaus die Hochwertigkeit der Sprache und Ausführung anerkenne.

Doch plötzlich, nach 250 mühsamen Seiten Vorgeplänkel, konnte ich einen Bruch in der Geschichte feststellen. Erst hier beginnt nämlich diese letzte Reise, auf die der Klappentext bereits hinweist, mit dem alten Pick-up und einer Brieftaube über die Alpen. Einer Vergangenheit entgegen, die es vielleicht gar nicht mehr gibt. Und jetzt endlich, auf den letzten hundert Seiten, entsteht so etwas wie Spannung. Nun kam ich auch mit der Sprache zurecht und tatsächlich ist auch ein klitzekleiner Funke übergesprungen und ich konnte die Brillanz des Romans erkennen und genießen. Nur leider reichlich spät.

„Die Zukunft war eine hohe, schmale Gestalt und konnte schnell vorbeieilen.“ Seite 71

„Du weißt vorher nie, was der Preis ist. Und vor allem weißt du nicht, was du zu zahlen bereit bist. Wir können uns diese Dinge nicht zurückholen.“ Seite 208

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