Rezension zu "Essstörungen" von Anke Nolte
Von der Stiftung Warentest gibt es ein bemerkenswertes, empfehlenswertes Buch, nämlich "Depressionen überwinden". Deshalb habe ich das Buch "Essstörungen" gelesen und wurde kläglich enttäuscht.
Zunächst einmal -und im Titel nicht erkennbar- liegt der Schwerpunkt dieses Buches bei Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Das bedeutet, das Buch richtet sich hauptsächlich an die Eltern, die über Zwangsernährung, Zwangseinweisung und die Gewichtszunahme von 1000g pro Woche -!!!- in der Klinik informiert werden.
Da ich ein Buch über Essstörungen bei Erwachsenen gesucht hatte, war das schon mal nicht mehr mein Thema.
Was aber wirklich verwerflich an dem Buch ist, ist die Behandlung des Themas, insbesondere der Magersucht. Magersucht wird betrachtet wie eine Blinddarmentzündung, ein gebrochener Zeh, eine Stoffwechselstörung. Wir geben dem Patienten hier eine Medizin -in Form von Therapie und Verträgen-, sorgen -"meist" mit seiner Einwilligung- für Sondenernährung, die die Patienten dankbar annehmen -???-, und als Ergebnis unserer erfolgreichen Therapie nimmt der dankbare Patient 1000 g pro Woche zu. Und dann entlassen wir ihn.
Nun. Wenn Sie eineN einzigen MagersüchtigeN kennen, werden Sie wissen, dass das so nicht läuft.
Magersucht ist eine komplexe, lebensgefährliche psychische Erkrankung, deren Behandlung erst einmal darin besteht, den Patienten zur Kooperation zu kriegen. Die Magersüchtigen, die ich kenne, lassen sich nicht freiwillig einweisen, stimmen der Sondenernährung nicht zu, und vor allen Dingen versuchen sie ALLES, um die Gewichtszunahme zu verhindern. Dieser Widerstand gegen die Behandlung, genauso wie das Todesrisiko, wird in diesem Buch komplett unerwähnt gelassen.
Ein gefährliches Buch, das Eltern, die feststellen, dass die Behandlung so nicht läuft, in Verzweiflung stürzen kann.