Cover des Buches Ihr Wille geschehe (ISBN: 9783404151196)
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Rezension zu Ihr Wille geschehe von Ann Granger

Ein Wort für nach dem Tod

von Stefan83 vor 8 Jahren

Rezension

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Stefan83vor 8 Jahren
Als begeisterter Hardboiled-Leser mag die Regelmäßigkeit, mit der ich immer mal wieder zu einem Kriminalroman aus der Feder von Ann Granger greife, eventuell (und vielleicht auch verständlicherweise) irritieren, gibt es zwischen ihren Werken und den Erben von Chandler und Hammett doch so gar keine Überschneidungen. Im Gegenteil: Insbesondere Ersterer verlieh seiner Abneigung gegenüber den künstlichen Welten des britischen „Whodunit“ mehr als einmal Ausdruck, in deren Tradition sich auch Grangers Serie um Superintendent Alan Markby und dessen Lebensgefährtin, die Diplomatin und Hobby-Detektivin, Meredith Mitchell, sieht. Berechtigte Kritik vom Schöpfer Philip Marlowes, wenngleich ich persönlich zu gegebener Zeit das Idyll und die Beschaulichkeit des klassischen Rätsel-Krimis der allzu realen Düsternis vorziehe. Insbesondere dann, wenn mir letztere in den Medien oder auch im Alltag zu viel wird. Ein Ausflug in die Umgebung von Bamford – das fiktive Dorf in Oxfordshire, welches Schauplatz der meisten Fälle des Ermittler-Duos ist – bedeutet für mich deshalb in erster Linie Urlaub, Abschalten, Runterkommen. Ich erwarte keine Suspense oder einen ausgeklügelten Plot und ich lege auch nicht die üblichen Maßstäbe in der Beurteilung an, da das Buch eher als Vehikel fungiert, das mich geistig für ein paar Stunden woandershin befördern soll. Langsam zwar, aber damit eben auch unaufgeregt und unkompliziert.

Dennoch muss auch ich im Fall des zehnten Bands der Reihe, „Ihr Wille geschehe“, konstatieren; Frau Granger, das können (und konnten sie auch bereits) besser. Von Ermüdungserscheinungen zu sprechen macht, angesichts der Tatsache, dass die Autorin ihr Rezept genau so wenig ändert, wie eine Imbissbude im Ruhrpott, wenig Sinn. „What you see is what you get“, das trifft beinahe sinnbildlich auf die Covergestaltung des deutschen Verlegers Bastei Lübbe zu. Grund für die Kritik sind also nicht fehlende Abwechslung oder Kreativität, sondern die Tatsache, dass es Granger diesmal nicht gelungen ist, aus den üblichen Zutaten ein stimmiges Konstrukt zu formen. Schade eigentlich, wäre doch durchaus Potenzial für einen atmosphärischen Schmöker vorhanden gewesen.

Kurz zum Inhalt: Superintendent Alan Markby und seine Freundin Meredith Mitchell brauchen (mal wieder) dringend Urlaub und beschließen, ihre Ferien in einem Cottage in dem kleinen verschlafenen Nest Parsloe St. John zu verbringen. Die Zeichen für Erholung und Entspannung stehen gar nicht schlecht. Der Spätsommer zeigt sich von der besten Seite. Und mit der ehemaligen Journalistin Wynne haben sie eine wirklich angenehme Nachbarin, welche nicht nur mit ihren selbst gebrannten und gekelterten Spirituosen zu überzeugen, sondern auch ein paar äußerst interessante Anekdoten zum Ort zu erzählen weiß. Ein paar davon sind allerdings schon wieder fast zu interessant, wie Alan findet, als er erkennt, dass die Geschichte vom verstorbenen Pony und der noch in der darauffolgenden Nacht verstorbenen Besitzerin, Olivia Smeaton, bei Meredith mehr als höfliche Neugier weckt. Das Pony starb an einer Vergiftung durch Kreuzkraut und es wurde kein bisschen von der Pflanze auf der Koppel gefunden – wie kann das sein? Und ist die alte Olivia tatsächlich nur auf der Treppe gestolpert? Oder wurde da gar nachgeholfen?

Während Meredith sich von Wynne die äußerst mysteriöse Vergangenheit Olivias erzählen lässt, läuten bei Alan alle Alarmglocken. Auch diesmal scheint es mit dem Urlaub wohl nichts zu werden. Daraus wird schließlich Gewissheit, als Meredith die kopflose Leiche des Gelegenheitsarbeiters Ernie Berry findet. Nun ist klar: Ein Mörder treibt in Parsloe St. John sein Unwesen. Und als ob das noch nicht genug ist, wird dieser auch noch mit einem alten Hexenkult in Verbindung gebracht …

Moment mal, wird jetzt der ein oder andere vielleicht nach der Lektüre dieses kurzen Inhaltsanrisses denken. Das stimmt doch so gar nicht mit dem Klappentext der vorliegenden Ausgabe überein. In der Tat, was wohl daran liegt, dass sich Bastei Lübbe keine große Mühe gegeben hat, die Beschreibung mit dem tatsächlichen Inhalt abzugleichen. Bei dem Urlaubscottage handelt es sich eben nicht um das vorherige Heim von Olivia Smeaton. Eine kleine, aber durchaus wichtige Abweichung, wie man spätestens am Ende des Buches feststellen wird.

Auch wenn Ann Granger für diesen Fauxpas keinerlei Verantwortung trägt – irgendwie passt diese Unstimmigkeit im Fall von „Ihr Wille geschehe“ ein wenig ins Bild, wirkt Band zehn der Reihe doch über weite Strecken extrem unausgegoren. Und dabei fängt es gewohnt atmosphärisch und launig an. Die üblichen verschrobenen Dorfbewohner, die wohlige Cottage-Gemütlichkeit, das ländliche Sommer-Idyll. In Punkto Schauplatzbeschreibungen hat Granger seit jeher Bildbandqualität, was mir als großen Liebhaber dieser Gegend Englands besonders entgegen kommt und mich in eben jene Stimmung versetzt, welche der Landhauskrimi seinem Leser schon abverlangt, um sich nicht ununterbrochen über den nur sanft ansteigenden Spannungsbogen mokieren zu müssen. Die Uhren, sie ticken bei Granger noch wie zu Christies Zeiten. Und das, da ist sich ihr Lesepublikum wohl einig, soll sich doch bitte auch nicht ändern. Was jedoch wiederum meines Erachtens nicht impliziert, dass der rote Faden in diesem speziellen Fall eher einem verwirrenden Knäuel gleichen muss.

Ann Granger versucht hier mehrere Themen – die Vergangenheit einer Frau, häusliche Gewalt und einen örtlichen Hexenkult – unter einen Hut zu bringen, worunter nicht nur die Balance des Plots leidet, sondern auch dessen ohnehin bei ihr oft arg überstrapazierte Glaubwürdigkeit, denn Fakt ist: Die immer wieder zitierte berufliche Tätigkeit als Diplomatin verkommt im Fall Meredith Mitchell langsam zum Witz, da sich diese ohnehin dauerhaft im Urlaub zu befinden scheint. Wenn man darüber mal hinwegsieht und Grangers verzweifelte Versuche, Meredith' freie Zeit zu legitimieren, überliest, bleibt immer noch diese seltsame On-Off-Beziehung zu Alan Markby, dessen Geduld im Werben um die inzwischen nicht mehr allerjüngste Holde wahrlich bewundernswert ist. Feminismus hin und her. Merediths Geziere in Punkto gemeinsames Heim artet langsam in einem Kleinkrieg aus, der über all sonst schon für weitläufige erotische Flurschäden gesorgt hätte. Als Sympathieträger taugt sie zwar seit ihrem ersten Auftritt in „Mord ist aller Laster Anfang“ nicht wirklich – inzwischen ertappt man sich allerdings immer öfter bei dem Gedanken, dass eine tote Diplomatin der Serie doch einen gewissen Schwung verleihen könnte.

Das Problem von „Ihr Wille geschehe“ ist – die Handlung kann diese ewigen Kritikpunkte diesmal nicht abfedern. Die Ermittlungen verlaufen recht ziellos, das Vorgehen wirkt konstruiert, die Autorin allzu bemüht, verschiedene Stränge parallel laufen und den Leser damit im Ungewissen zu lassen. Ein zum Scheitern verurteiltes Bemühen, wird doch der aufmerksame Beobachter recht früh herausgefunden haben, wo der Hase langläuft. Dennoch werden weitere Nebelkerzen gezündet, Ablenkungsmanöver kreiert und unnötige Umwege in Kauf genommen, welche das Buch im Umfang zwar aufblähen, zur Substanz jedoch wenig bis nichts beitragen. Warum Ann Granger die Geschichte mit den historischen Steinskulpturen überhaupt mit eingebaut hat, wird letztlich ihr Geheimnis bleiben.

In Gänze ergibt dies einen eher mäßigeren Band aus der Serie um Mitchell und Markby, der sich durchaus gefällig und kurzweilig lesen lässt, am Ende aber zu unausgewogen, und ja, zu dünn und dürftig gestrickt ist, um selbst meine – im Fall dieser Reihe – gedrosselten Erwartungen hinreichend zu erfüllen.
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