Anna Durnová

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Cover des Buches In den Händen der Ärzte (ISBN: 9783701733538)

In den Händen der Ärzte

 (2)
Erschienen am 03.03.2015

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Cover des Buches In den Händen der Ärzte (ISBN: 9783701745043)
Bellis-Perenniss avatar

Rezension zu "In den Händen der Ärzte" von Anna Durnová

Eine Waschschüssel als Symbol - Dr. Ignaz Semmelweis
Bellis-Perennisvor 7 Jahren


Nahezu jedem ist Ignaz Semmelweis bekannt, der als Entdecker des Kindbettfiebers und Retter der Frauen gilt. Dieses Buch ist keine herkömmliche Biographie des Arztes, es ist vielmehr die Biographie des Konfliktes, an dem Semmelweis letztendlich scheitert.

Doch schauen wir uns einmal den historischen Kontext an: wir befinden uns in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Viele bahnbrechende Entdeckungen und Erfindungen stellen Althergebrachtes und Bekanntes in Frage. Die Donaumonarchie ist riesig, der Kaiser schwach. Das System Metternich ist etabliert, reaktionär und duldet wenig Widerspruch. Doch den gibt es – die industrielle Revolution lässt Arme weiter verarmen und Reiche noch reicher werden. Es gärt an allen Ecken und Enden, die Nationalisten wollen ihren Anteil an der Regierung. Die Ungarn, die Tschechen alle sind zum Aufstand bereit. In dieser recht unruhigen Zeit entdeckt Semmelweis, dass es die Ärzte selbst sind, die die Frauen in den Geburtskliniken mit dem Kindbettfieber infizieren.
Er untersucht am Wiener Allgemeinen Krankenhaus (AKH) die Mortalitätsrate der beiden geburtshilflichen Abteilungen. In der Ersten Abteilung werden die Gebärenden von Ärzten und Studenten untersucht, die unmittelbar von Obduktionen kommen. Die Zweite geburtshilfliche Abteilung hat zwar auch einen Mann und Arzt als Leiter, jedoch Hebammen als Betreuungspersonal, das nicht seziert. Während die Hebammenabteilung eine geringe Infektions- und Mortalitätsrate aufweist, sterben in der von den Ärzten geleiteten Abteilung ein Vielfaches an Frauen und Säuglingen.
Semmelweis dokumentiert, forscht, fordert und ist unbequem. Leider vergisst er, für seine Änderungsvorschläge Verbündete zu suchen. Er publiziert seine Erkenntnisse nicht ordentlich und stößt selbst jene Kollegen vor den Kopf, die seiner Argumentation etwas abgewinnen können.
Die Autorin versucht nun im Nachhinein seine Veröffentlichungen und seine Berichte mit denen von anderen Geburtskliniken zu vergleichen. So erfährt der interessierte Leser, dass Hygiene in englischen Geburtskliniken auf höherem Niveau als in Wien bzw. anderswo auf dem Kontinent war und die englischen Ärzte in Semmelweise Erkenntnissen nicht Neues fanden und ihn daher nicht unterstützten.


In Wien untragbar, geht er in seine Heimat Ungarn zurück. Dort wird er Professor an der Geburtsklinik St. Rochus (im heutigen Budapest) 
Erschreckend ist zu lesen, dass dort nicht einmal die minimalsten Anforderungen an Hygiene eingehalten werden. Da müssen Frauen, die gerade entbunden haben, sich in die schmutzige Bettwäsche der Vorgängerin, die vielleicht gerade am Kindbettfieber verstorben ist, legen. Erst als Semmelweis die Leitung dort übernimmt, ändern sich hier die katastrophalen Zustände.

Semmelweis‘ Kampf gegen das Kindbettfieber beherrscht ihn nun beinahe schon zwanghaft. Doch hätte Semmelweis einen Blick in ein Mikroskop geworfen, so hätte er vielleicht schon den einen oder anderen Mikroorganismus entdecken können. Doch Mikroskopieren stand nicht auf dem Stundenplan. So wird es noch einige Zeit dauern bis Louis Pasteur und Robert Koch verschiedenen Bakterien als Verursacher des Kindbettfiebers ausmachen.
Das Ende des unbeugsamen Arztes liest sich wie eine geheimdienstliche Verschwörung: Semmelweis wird auf Betreiben seiner Frau im Juli 1865 in das psychiatrische Krankenhaus in Döbling eingeliefert. Dort stirbt er rund zwei Wochen später unter bis heute nicht geklärten Umständen. Selbst das Todesdatum wird unterschiedlich angegeben. Angeblich ist er bereits mit einer infizierten Wunde aufgenommen, die eine Sepsis verursacht hat und an deren Folge er verstorben ist. Das ist Ironie des Schicksals, dass der Entdecker der Sepsis (nicht anderes ist das Kindbettfieber) an derselben zu Grunde geht.

Schreibstil:

Grundsätzlich ist der Autorin ein interessantes Buch gelungen. Allerdings fehlt mir der Fokus auf den Menschen Ignaz Semmelweis. Erst ganz zum Schluss erfährt er Leser, dass er verheiratet war und drei Kinder hatte. In dieser Biographie geht es fast ausschließlich um den Konflikt mit seinem Chef Dr. Klein.
Die mehrfachen Wiederholungen füllen zwar die Seiten, des mit knapp 200 Seiten ohnehin schlanken Buchs, doch erhöhen den Wissensgehalt nicht. Interessant sind die Ausflüge in andere Geburtskliniken und der dortigen Lehrmeinungen.
Die erwähnten Parallelen zum Jahr 2009, dem Jahr der „Vogelgrippe“ hinken ein bisschen.

Fazit:

Die Biographie liest sich wie ein Krimi, dennoch hätte mir aber mehr über Semmelweis als Person gewünscht.

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