Das reife Mädchen erschien im Herbst 2018 im Piper-Verlag. Es handelt sich um einen Roman der italienischen Schriftstellerin Anna Giurickovic Dato, welche in diesem Buch kindlichen Missbrauch und seine Folgen thematisiert. Silvia lebt mit ihrer dreizehnjährigen Tochter Maria in Rom und möchte ihr nach einem Jahr Beziehung ihren Freund Antonio vorstellen. Beim Aufeinandertreffen von Maria und ihrem Partner offenbart sich Silvia, was in der Vergangenheit mit Maria geschah.
Darum gehts
Silvia und Maria leben seit vier Jahren wieder in ihrer ursprünglichen italienischen Heimat, Rom. Nachdem Silvias Ehemann und Marias Vater, Giorgio, bei einem Sturz aus dem Fenster stirbt, verlassen Mutter und Tochter ihre Wahlheimat Marokko. Giorgio war in dem nordafrikanischen Land als Diplomat tätig und nach dem schlimmen Ereignissen hält die Beiden nichts mehr dort. Silvia hat seit einem Jahr eine neue Beziehung. Bisher hat sie Maria ihren neuen Freund Antonio jedoch noch nicht vorgestellt, denn Maria legt ein sehr verhaltensauffälliges Verhalten an den Tag und macht es ihrer Mutter schwer, zu verstehen, was mit ihr los ist.
Silvia liebt ihre Tochter sehr, ist aber auch immer wieder mit deren unberechenbaren Ausbrüchen überfordert. Bereits in Marokko gab es viele Anzeichen dafür, dass Maria etwas passiert sein muss. Sie verletzt sich selbst, prügelt andere Kinder in der Schule und zieht sich zurück. Während Giorgio das auffällige Verhalten seiner Tochter als kindliches Gehabe abtut, macht Maria sich große Sorgen und weiß mit dem störrischen Auftreten ihres Kindes nicht mehr umzugehen. Als auch die Lehrer von Maria Alarm schlagen und Silvia zu einem Gespräch bitten, ist klar, dass Silvias Sorgen nicht unbegründet sind.
Dato hat mit Das reife Mädchen keine leichte Lektüre geschaffen. Dem Leser muss bewusst sein, dass er sich auf eine traurige Geschichte einlässt, die erschüttert und wütend macht. In zwei Ebenen erzählt die Autorin, wie es zu den tragischen Ereignissen kommen konnte und was der Auslöser für Marias gestörtes Verhalten ist. Dabei wechselt sie zwischen der vergangenen Zeit in Marokko und der Gegenwart in Italien. Der Aufbau ist logisch und nachvollziehbar, die Erzählweise nicht aussergewöhnlich. Die sexuellen Übergriffe werden leise, fast unbemerkt geschildert. Das macht die Thematik aber nicht weniger wichtig, die Erlebnisse des Kindes nicht weniger grausam.
Die Erzählung spielt sich hauptsächlich an einem Tag ab. Silvia plant den Besuch von Antonio bei sich Zuhause und fürchtet Marias Reaktion. Sie glaubt, dass diese den neuen Freund ablehnen wird oder sich unfreundlich verhält. Anschließend wird detailliert der Abend des Kennen Lernens geschildert. Silvia muss feststellen, dass Maria keineswegs abgeneigt ist, den neuen Partner ihrer Mutter kennen zu lernen und auch, dass ihre dreizehnjährige Tochter eine ungeahnte Wirkung auf Antonio hat. Silvia wird auf erschreckende Weise bewusst, dass das eigentliche Unglück schon vor Jahren geschah.
Anna Giurickovic Dato erzählt die dramatische Geschichte von Silvia und Maria auf intensive Weise. Psychologisch gut ausgefeilt beschreibt die Autorin die Hilflosigkeit einer Mutter, die Ohnmacht, die kindlicher Missbrauch auf Angehörige ausübt und der Macht des Geschehenen.
Ich danke dem Piper-Verlag.