Noch gerade auf die letzten Tage des Pridemonth empfehle ich Anna Hetzers neuerschienen Gedichtband „Pandoras Box“.
Hetzer erschafft mit ihren Gedichten eine Welt, die voller neuer Möglichkeiten ist. Sie blickt über den Rand unseres Systems hinaus, wechselt die Perspektive und zeigt eine feministische Sichtweise, die ich so noch nie in der deutschen Dichtung gelesen habe.
Revolutionär ist ihre Lyrik in meinen Augen und dabei hochgradig poetisch, in den Formulierungen präzise und verständlich.
Ohne Reime kommen die Gedichte mit großer Wucht daher und erzählen explizit von lesbischer Liebe und Sexualität - und davon, wie sie in der Gesellschaft aufgenommen und beäugt wird.
SPAZIEREN IM AUSNAHMEZUSTAND
wissen längst, hände verlinken ist gefährlich
die chronik füllt sich mit selfies
von menschen, die wohnen wie zellkerne
tasten die eigenen wangen nicht, messen zwei schritte, drei
an jeder ecke ein knipswütiger egoshooter
in den taschen eine elektrische Fessel
die notrufe auslöst. baudelaire, mein bruder
hat sich angesteckt bei dir, heute bleiben wir
um handbreiten solo. toxisch der inhalt einer stadt
die ein terrarium geworden ist. lonely man in shirt-sleeves
leaning out of windows. oh eliot, auf jede lebenslage klebst du ein zitat. die straßen glühen
bleibt die grossstadt der sicherste ort
für smalltown boys 'n girls
Die tollen Illustrationen im Band stammen von Katja Hoffmann.