Cover des Buches Schreiben als Weg (ISBN: 9783899012439)
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Rezension zu Schreiben als Weg von Anna Platsch

Rezension zu "Schreiben als Weg" von Anna Platsch

von Mario_Veraguth vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Inspirationsfindung samt Anleitung zur Schreibtherapie mit kreativer, offener Herangehensweise

Rezension

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Mario_Veraguthvor 9 Jahren

Auf unkonventionell erfrischende und zum kritischen Reflektieren der eigenen Dogmen anregende Art, den Schreibprozess von hinten aufzuzäumen. Statt langem Feilen an Plot, Prämisse und Charakteren tritt die Autorin für einen befreiten Zugang zur Schreibkunst ein, der sich durch Freude am Erschaffenen statt übermäßiger Selbstkritik auszeichnet. Denn redigieren und lektorieren lassen und sich der gerade in Mode befindenden Grammatikreform anpassen kann man endlos, nur muss erst einmal etwas zu Papier gebracht werden.

Großen Wert legt Platsch auf die ungebändigte Kraft des individuellen, kreativen Prozesses, von ihr „ES“ genannt. Durch freie Variation von Übungen werden vergangen geglaubte Bilder und Eindrücke auf sensible Art freigelegt und eine genauere Wahrnehmung ermöglicht. Sowohl aus der eigenen als auch aus fremden Perspektiven.

Diverse Aspekte wie Schreiborte, Motivationsfindung, Schreibzugänge, Wahl des Schreibwerkzeugs, experimentelle Schreibansätze mit unterschiedlichen Textarten, Elemente aus Buddhismus und Fernost und vor allem Selbstreflektion werden beleuchtet.

Dabei ist das Aufbrechen rigider Vorgaben und Lehrmeinungen, wie man zu schreiben hat, ein besonderes Anliegen der Autorin. Schwarz-Weißmalerei im Sinne von richtig und falsch werden gar nicht erst zugelassen, sondern durch eine freie Betrachtung der Materie ersetzt. Keine unnötigen Selbstzweifel oder Vorgaben von erfolgreichen Schriftstellern, Schreibgurus oder Verlagen sollen den sprudelnden Wortquellen das Wasser abgraben, sondern stattdessen die Kraft des ersten Gedankens und der Intuition nutzbar gemacht werden. Dabei ist eine offene und erwartungsfreie Sichtweise auf die eigenen Kreationen unabdingbar. Denn für Zensur, Kritik und Kürzung ist später noch genug Zeit.

Wer ohne kreative Ambitionen nur eine Aufarbeitung seiner Vergangenheit anstrebt, kann sich auf den rein therapeutischen Aspekt konzentrieren und viel über Kindheit, Elternhaus, Persönlichkeit und Charakterbildung lernen und nachträglich zu einem besseren Verständnis, samt befreiender Erkenntnis über Altlasten, des emotionalen Kellers gelangen.

Die eigentlich für die Schreibtherapie und Reflektion des eigenen Lebens gedachten Übungen lassen sich, mithilfe einer kleinen, aber bedeutsamen Modifikation, auch für rein ideenfindungstechnische und charakterbauliche Zwecke einspannen. Indem man statt einem persönlichen, realen Erlebnis oder Gefühl in den Übungen die Perspektive eines Protagonisten in einem bestimmten Kontext oder Szenario wählt, offenbaren sich vielfältige Beschreibungsmöglichkeiten. Eine tiefere Introspektive der eigenen Charaktere als Alternative zur kritischen Selbstbetrachtung für jene, die nur am handwerklichen Aspekt interessiert sind. So werden aus Selbsthilfeanleitungen Multiplikatoren für kreative Schaffensprozesse.

Die endlose Fülle an Eindrücken, Assoziationen und Gefühlen, die die Methode mit sich bringt, lässt sich für die Verbesserung beinahe jedes kreativen Produkts nutzen. Denn authentisch gefühlte Eindrücke sind auch für das Publikum in ihrer Beschreibung wesentlich glaubwürdiger und mitreißender. Durch Überspringen von Verstand und Logik direkt hin zu Herz, Gefühl und dem Reservoir persönlicher Eindrücke und Erfahrungen eröffnen sich neue Perspektiven und Möglichkeiten.

Als kleinen Kritikpunkt kann man die teilweise zu langen Passagen aus Werken der Autorin und die damit einhergehende Tendenz sich poetisch, aber zu ausschweifend, in Beschreibungen zu ergehen erwähnen.

Wünschenswert wären weitere Werke mit reinem Fokus auf den entweder therapeutischen oder kreativen Prozess mit jeweils darauf modifizierten Übungen, um ganz den Bedürfnissen der jeweiligen Klientel gerecht werden zu können. Das vorliegende Buch ist ein für beide Gruppen geeigneter Einstieg in Schreibtherapie oder unkonventionelle Ideenfindung ohne Vorgaben und dem Bedürfnis, Erwartungshaltungen an das eigene Werk gerecht zu werden. Denn leider wird das intime Schreiben nur für den Eigengebrauch häufig dem Entsprechen von Konventionen, Trends oder Verlagsvorlagen untergeordnet. Und damit die eigentlich unendliche Kreativität in sinnlos beschränkte und auch der Qualität abträgliche Bahnen gelenkt.

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