"Als Hardy Hardy schließlich sprach, wünschten alle aus tiefstem Herzen, er hätte den Mund gehalten."
Hardy Hardy (ja, so heißt er wirklich) betreibt einen kleinen Laden in Harlem. Eigentlich ist das ein "Toko", eine Art Kiosk mit Imbiss, wie es davon viele in Indonesien gibt. Denn Hardy ist ein sogenannter "Indo", ein Indonesier niederländischer Abstammung. In Indonesien und auch später in den Niederlanden Teil einer Minderheit.
Sein richtiges Zuhause war seine Ehefrau, mit der er viele glückliche Jahre verbrachte, und mit der er eine einzige Tochter hat, die sich aber für ihren Vater schämt, und eine Enkelin, die gern an seiner Seite ist.
Hardy beschäftigt sich auch mit hawaiianischer Musik, lange Zeit hat er in einer Band gespielt, die "Honolulu Kings", die mit einem "One-Hit-Wonder" zu einer flüchtigen Berühmtheit geworden sind. Aber da ist noch etwas, was Hardy beschäftigt: das Schicksal der Indonesier, die in den Niederlanden leben. Er fühlt sich dazu verpflichtet, zu sorgen, dass diese Menschen zu Wort kommen. Aber warum? Was treibt ihn dazu? Was hat er erlebt, was getan? Oder nicht getan?
Anne-Gine Goemans hat mit Hardy eine Figur geschaffen, die mir ans Herzen gewachsen ist.
Hardy leidet so viel. Er verliert allmählich sein Zuhause, er fühlt sich nicht mehr zu irgendwas dazu gehörig. Der Grund ist die Demenz, an der seine Frau leidet. Mit jedem Tag, der vergeht, entfernt sie sich mehr und mehr von ihm, sie lässt ihn allein, allein mit seinen Problemen, mit dem Toko, den sie zusammen aufgebaut und betrieben haben, mit der Musik.
Bis in die 40er Jahre war Indonesien eine niederländische Kolonie. Vieles, was in dieser Zeit passiert ist, ist den Meisten unbekannt. Zum Beispiel die Zeit, als Indonesien von den Japanern im Zweiten Weltkrieg okkupiert wurde. Sogar viele Niederländer sind sich nicht darüber bewusst, wie ihre Landsleute darunter gelitten haben. Hardy dokumentiert dieses Stück Geschichte, verleiht den Opfern eine Stimme und gibt den Tätern ein Gesicht.
Anne-Gine Goemans hat mich unterhalten und tief berührt. Hardy und seine Sehnsucht nach seiner Frau, seine alten Freunde, der Imbiss als letzte Bastion im Kampf gegen die Ungerechtigkeit der Japaner… Am Ende zieht die Autorin ein As aus dem Ärmel und sorgt auf diese Weise für eine unglaubliche und schockierende Wendung, die alles, was man vorher gelesen hat, in Frage stellt und mich wirklich überrascht und so lange beschäftigt hat, dass ich mit fast jedem, den ich kenne, darüber sprechen musste.
Tokos in den Niederlanden und auf niederländischen Inseln kenne ich zuhauf. Aber nach dem Lesen dieses Buches werde ich bei jedem Besuch eines Tokos etwas mehr Zeit darin verbringen und an Hardy denken.
Anne-Gine Goemans
Lebenslauf
Alle Bücher von Anne-Gine Goemans
Honolulu King
Gleitflug
Neue Rezensionen zu Anne-Gine Goemans
Ein großartiges Buch über die vielen Gesichter der Wahrheit, über ein ungewöhnliches Leben und über das, was uns und von uns bleibt ist der Roman „Honolulu King“ der mehrfach preisgekrönten niederländischen Autorin Anne-Gine Goemans. Man muss sich auf das Buch einlassen, dann entfaltet sich ein äußerst interessantes und spannendes Panorama aus indonesischer Geschichte, Hawaii-Musik und einer warmherzigen Auswanderer- und Familiengeschichte.
Hardy, 80jährig, betreibt in Haarlem/Holland einen indonesischen Imbiss und trifft sich dort mit seinen alten Bandkollegen, den „Honolulu Kings“, die früher mit ihrer Hawaii-Musik einige Erfolge feiern konnten. Sie „tracken“ Tapes mit den Erinnerungen ehemaliger Javanesen, die wie Hardy in Indonesien Schreckliches erlebt hatten. Seit Hardy die Ermordung seiner Familie durch indonesische Unabhängigkeitskämpfer mit ansehen musste hasst er die Japaner, die für den Drill und deren Ausbildung verantwortlich waren. Hardy schleppt seit seiner Jugend ein großes Geheimnis wie einen Mühlstein mit sich herum, das er bei seinem Eintritt in eine Loge preisgibt. Den Freimaurern beizutreten entschließt er sich, weil er immer einsamer wird, seit seine geliebte Frau Christina hochgradig dement in einem Pflegeheim leben muss und Hardy zwar seine Band-Freunde Cok und George, seine Tochter Aswani und die Enkelin Synne um sich hat, die ihm aber alle keinen Ersatz für die schwindende Christina sind.
Hardy macht reinen Tisch, als er in seinem Baustück für die Freimaurerloge und bei seiner Familie und den Freunden sein großes Geheimnis preisgibt, das nicht nur die Logenbrüder schockiert. Er versucht, die Fäden seines Lebens in der Hand zu behalten, will verhindern, dass ihm die Dinge entgleiten. Er stellt sich dem Urteil um zu erfahren, was ihm bleibt.
Hardys Geschichte in der Gegenwart eines 80 jährigen lebt von den Rückblicken in die Vergangenheit, von Hardys Erinnerungen an die Schrecken und Gräueltaten während des Zweiten Weltkrieges in Indonesien. Aus eingestreuten Krumen ergibt sich allmählich ein äußerst interessantes und sehr persönliches Bild des Lebens dort zu dieser Zeit und ein Gefühl dafür, was Hardy als Mischling damals alles tragen und erdulden musste. Richtig bedrückend sind die auf Kassetten aufgezeichneten Interviews, die Hardy mit ehemaligen Landsleuten machte und aufbewahrt, vor diesen eindringlichen und vielfach grausamen Geschichten bietet nichts beim Lesen Schutz und man kann sich dem nicht entziehen.
Die Autorin schafft jedoch gekonnt und wunderbar einen Gegenpol durch die Hawaii-Musik, in die sich Hardy seit seiner Ankunft in Rotterdam flüchtete und die ihm Halt gab und gibt. Und auch wenn seine Fassade mittlerweile bröckelt, der harte Panzer aufweicht, bekommt man in den Szenen mit seinen Freunden Cox und George ein warmes Gefühl dafür vermittelt, wie viel Halt den drei Männern die Musik immer gegeben hat, wie eng diese sie verschweißte und wie wichtig sie nach wie vor in ihrem Leben ist. Und auch wenn ich persönlich null Bezug zu Hawaii-Musik und Steelgitarren habe gehört dies unbedingt zur Geschichte, weil die Musik Hardy am Leben erhielt.
Die Figuren dieses Romans wachsen einem schnell ans Herz. Hardy und seine Freunde sind eine äußerst liebenswerte Truppe, die nicht zuletzt zeigt, wie Freundschaft und Musik Menschen zusammen bringen und aneinander binden kann. Alle drei, insbesondere Hardy, gehören nirgends richtig dazu und haben sich gefunden und festgehalten. Völlig kitschfrei beschreibt die Autorin auch Hardys Beziehung zu seiner Enkelin, die ihm lieber in der Küche seines Toko-Imbisses hilft statt zu studieren.
Das Buch versucht sich sicherlich auch an der Aufarbeitung eines Stückes wenig rühmlicher niederländischer Geschichte als Kolonialmacht Indonesiens. Die holländischen Kolonialherren gaben damals ihre Herrschaft auch nach dem Zweiten Weltkrieg nur nach blutigen Auseinandersetzungen durch Druck der Internationalen Staatengemeinschaft auf, obwohl Ihnen die Macht bereits entglitten war. Zurück blieben abgeschlachtete, misshandelte Indonesier, teils auf der Flucht weil sie wie Hardy Mischlinge und nirgends anerkannt waren.
Mein kleiner Wermutstropfen bei der äußerst anregenden und bewegenden Lektüre war lediglich die manchmal zu breit angelegte musikalische Komponente, aber da Hardy nun mal mit Hawaii-Musik überlebte nach seiner Auswanderung hat dies durchaus seine Berechtigung.
Insgesamt ist es ein sehr berührendes, hoffnungsvolles und höchst interessantes Buch, das mich zum intensiven Nachdenken und Querlesen zu indonesischer Geschichte anregte. Ich vergebe fünf Sterne für diesen Lesegenuss.
INHALT
Hardy Hardy, Betreiber eines indonesischen Imbiss’ in Haarlem, hat mit seinen fast achtzig Jahren schon jede Menge erlebt: als Elfjähriger musste er auf Java mit ansehen, wie Unabhängigkeitskämpfer seine Familie ermordeten. Einen Trost fand er als Erwachsener in der Hawaii-Musik, bei seiner Band »Honolulu Kings« – und bei seiner Frau Christina, einer bildschönen Holländerin, der Liebe seines Lebens. Doch während sie immer tiefer in der Demenz versinkt, tritt seine eigene Vergangenheit zunehmend klarer ans Licht: Blieben die Morde an seiner Familie doch nicht ungesühnt? Hat Hardy sich gar selbst mit Schuld beladen? Er kann dem, was geschehen ist, nicht entfliehen, und muss sich den Dämonen seiner eigenen Geschichte stellen.
FAZIT
Ein beeindruckender, unterhaltsamer und sehr bewegender Roman mit wundervollen Charakteren – trotz kleinerer Schwächen sehr lesenswert!
Gespräche aus der Community
Hardys ruhiges Leben ist abrupt zu Ende: Der 80-jährige Kioskbesitzer wird von alten Erinnerungen eingeholt und muss sich den Dämonen seiner eigenen Geschichte stellen. Anne-Gine Goemans neuer Roman Honolulu King ist eine mitreißende Geschichte über Schuld, Liebe und Musik vor dem Hintergrund eines fast vergessenen Krieges.
Worum geht’s genau?
Der achzigjährige Hardy, Betreiber eines indonesischen Imbiss’ in Haarlem, hat schon jede Menge erlebt: als Kind musste er auf Java mit ansehen, wie Unabhängigkeitskämpfer seine Familie ermordeten. Trost fand er als Erwachsener in der Hawaii-Musik, bei seiner Band »Honolulu Kings« – und bei seiner Frau Christina. Als sie im Alter immer tiefer in der Demenz versinkt, sucht Hardy Zuwendung und Halt bei den Freimaurern. Ihnen vertraut er ein dunkles Geheimnis aus seiner Vergangenheit an …
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Über die Autorin: Anne-Gine Goemans, geboren 1971, ist eine niederländische Autorin und Journalistin. 2008 wurde sie für ihren Debütroman Ziekzoekers mit dem Anton-Wachter-Preis ausgezeichnet. Für ihren zweiten Roman Gleitflug erhielt sie 2012 den Dioraphte-Jugendliteraturpreis und dem M-Pionier-Preis für junge Autor*innen. Honolulu King wurde bei Erscheinen in den Niederlanden zum Bestseller. Mit ihrem Mann und ihren drei Kindern wohnt Anne-Gine Goemans in Spaarndam, einem Dorf in Noord-Holland.
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Zusätzliche Informationen
Anne-Gine Goemans wurde am 30. Januar 1971 in Niederlande geboren.
Community-Statistik
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