Cover des Buches Liverpool Street (ISBN: 9783473352647)
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Rezension zu Liverpool Street von Anne C. Voorhoeve

Rezension zu "Liverpool Street" von Anne C. Voorhoeve

von Jari vor 13 Jahren

Rezension

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Jarivor 13 Jahren
Inhalt: Ziska ist praktisch mit dem Hass der Deutschen auf die Juden aufgewachsen. Sie kennt die besten Verstecke ihres Quartieres und zusammen mit ihrer besten Freundin Bekka hat sie sogar einen "Survival Plan" aufgestellt. Doch als das Leben für die Juden immer schwieriger wird, entscheidet sich Ziskas Mutter dazu, ihre Tochter mit einem der Kindertransporte nach England zu schicken. Zu diesem Zeitpunkt ist Ziska gerade mal elf Jahre alt. Das Mädchen fühlt sich von seiner Mutter verstossen, findet in England keinen Anschluss, spricht die Sprache nicht und die für sie vorgesehene Familie lässt sie am Bahnhof stehen. Trotz aller Verzweiflung entscheidet sich Ziska dazu, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und sich selbst eine Familie zu suchen, bei der sie bleiben kann, bis sie eine Möglichkeit gefunden hat, ihre eigenen Eltern nach England zu holen. Und durch einen grossen Zufall landet sie bei der Familie Shepard, die immer mehr zu einer richtigen Familie für Ziska wird. Zusammen mit den Shepards erlebt sie Leid und Freud, übersteht einen teuflischen Krieg und wird langsam zur Frau. Doch was wird aus Mamu? Was aus ihrer Freundin Bekka? Was hat der Krieg mit ihnen gemacht? Meine Meinung: Anne C. Voorhoeves "Liverpool Street" entführt uns zuerst nach Deutschland zur Vorkriegszeit, dann nach England. Ziska erzählt aus der Ich-Perspektive die Geschichte ihrer Reise und gleichzeitig auch ihres Erwachsenwerdens. Wir erleben, wie aus einem kleinen, verwirrten Mädchen eine tapfere junge Frau wird und wie sie sich durch die Wirren des Krieges und ihres eigenen Lebens kämpft. Aufgrund der von der Autorin gewählten Erzählperspektive wächst einem Ziska rasch ans Herz. Das Mädchen erzählt von ihren Gefühlen, die sehr nachvollziehbar geschildert sind. Man wird mit den Themen Krieg, Liebe und Familie konfrontiert, wobei vor allem das Thema der Familie und der Zugehörigkeit im Vordergrund steht. Ebenso schildert Voorhoeve auf diese Weise auch wunderbar den Reifungsprozess den man durchläuft, wenn man erwachsen wird, so werden Ziskas Gedanken und Schlussfolgerungen mit der Zeit immer reifer. Das Buch ist nicht darauf ausgerichtet, auf die Tränendrüse zu drücken. Ganz im Gegenteil, man hält ein Buch mit einer Lebensgeschichte in den Händen, wie sie das Leben hätten schreiben können. Das macht auch den Charm dieses Jugendbuches aus, nichts ist Übertrieben, nichts Untertrieben. Auch ohne dass in diesem Buch Leichehaufen beschrieben werden, raubt es einem Atem, wenn man miterlebt, wie ein zehnjähriges Mädchen seine Pflegemutter fragt: "Wo kann man sich denn hier am besten verstecken?" Auf diese Art und Weise erhält man einen lebendigen und echten Einblick in das Leben während des Zweiten Weltkrieges. Aber auch schöne Dinge werden beschrieben. Die Liebe, die langsam in Ziska aufkeimt und der damit einhergehende Aufklärungsunterricht. Ausflüge. Freundschaft. Schule. Jüdische Rituale. Zwar mag dies manchmal etwas langatmig sein (das Buch hat einen Umfang von 560 Seiten), dennoch trägt dies alles dazu bei, uns ein eindrückliches Bild der damaligen Zeit zu vermitteln. Voorhoeves Schreibstil ist für Jugendliche geeignet und wird diese nicht überfordern. Die Geschichte liest sich einfach und ist dennoch sehr packend. Die Charaktere sind liebevoll ausgearbeitet, wobei man Ziska natürlich am besten kennenlernt. Aber auch die anderen Charaktere haben alle ihre eigenen Charakterzüge, sodass man sie gut auseinander halten kann. Mir hat vor allem Ziskas Freundin Hazel sehr gut gefallen. Fazit: Ein sehr gutes Jugendbuch, das die Auszeichnung mit dem Buxtehuder Bullen für das beste Jugendbuch verdient. Für alle, die sich für eine Lebensgeschichte aus dem Zweiten Weltkrieg interessiert, ist das Buch überaus empfehlenswert. Jedoch sollte es sich um Leseratten handeln, denn ungeübte Leser werden mit dem Umfang des Buches hadern, auch wenn die Sprache einfach gehalten ist und sich das Buch gut lesen lässt. Das Buch kann auch von Erwachsenen gelesen werden, erfährt man doch sehr viel Neues z.B. über die jüdischen Traditionen und Gepflogenheiten. "Liverpool Street" ist ein packendes Werk, das einem einen wunderbaren Einblick in das England der Kriegsjahre beschert und einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen vermag.
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