Cover des Buches Agathe (ISBN: 9783446261914)
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Rezension zu Agathe von Anne Cathrine Bomann

zwar kein "Roman", aber eine lesenswerte Kurzgeschichte

von Knigaljub vor 5 Jahren

Rezension

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Knigaljubvor 5 Jahren
In diesem 156 Seiten starken Büchlein geht es ums Altwerden, ums Einsam- und Zusammensein, um Kraft und Kraftlosigkeit, um Zeit und Zeitlosigkeit, um Leben und Tod, um Nähe und Distanz.

Zum Inhalt:
Ein Psychiater zählt die Tage bis zu seinem Ruhestand. Er trifft auf eine letzte hartnäckige Patientin, die sich nicht abwimmeln lässt – und für ihn ändert sich alles.

Meine Meinung:
Wie schafft Anne Cathrine Bomann es auf so wenigen Seiten, den Leser gedanklich so zu beschäftigen?
Sie greift elementare Themen des Lebens auf, schreibt mit dem nötigen Ernst, aber auch einer gewissen Leichtigkeit über sie, und hält den Leser an zahlreichen Stellen dazu an, selbst zu reflektieren. So lesen sich beispielsweise die Fragen, die zwischen dem (übrigens namenlos bleibenden) Psychiater und seinen Patienten auftauchen, gewiss auch als Fragen an den Leser – etwa, wenn Agathe fragt, ob ihr Verhalten „verrückt‟ sei, und das Kapitelende die Frage offen im Raum stehen lässt.
Weil es in diesem Buch insgesamt so wenige Sätze gibt, ist man dazu geneigt, aufmerksam und zwischen den Zeilen zu lesen. Wenn es z.B. plötzlich schneit und es heißt, dass der Schnee eine „geheime Welt voller Spuren von Hundepfoten, Stiefeln und winzig kleinen Kinderfüßen‟ aufdecke, die an der Praxis vorbei ins Zentrum der Stadt führen – scheint das nicht auch zu implizieren, dass dem Protagonisten die Existenz einer Welt außerhalb seiner Praxis bewusst wird? Neben den im Text explizit gestellten Fragen werden also auch noch einige weitere aufgeworfen. Der Leser wird somit nicht nur dazu angehalten, sich über die Entwicklung im Roman seine eigenen Gedanken zu machen, sondern auch einen Bezug zu seinem eigenen Leben herzustellen. Das habe ich als sehr gelungen empfunden und zwischendurch habe ich gedacht, dass "Agathe" Potential dazu hätte, eine Art moderner Klassiker zu werden: Es ist einfach ein kurzes, aber relativ tiefsinniges Buch, das man gut mal gelesen haben kann.
Wer einen seichten Liebesroman erwartet, der sich mal eben so weglesen lässt, wird also sicherlich enttäuscht sein, denn es gibt einen Protagonisten, der wahlweise Empörung oder Mitleid hervorrufen kann, und einen Inhalt, der melancholisch stimmt und dazu anregt, sich mit dem eigenen Lebenssinn auseinanderzusetzen. Trotz all der Ernsthaftigkeit und dem Schwermut, den das Buch zumindest ansatzweise in mir hervorrief, gab es jedoch auch die eine oder andere Stelle, die mich zum Schmunzeln brachte. Insgesamt hat mir die Lektüre also gut gefallen, ich mochte die Offenheit und den Einbezug des Lesers, muss aber auch sagen, dass etwas mehr Inhalt dem Buch wohlmöglich nicht geschadet hätte. Vielleicht waren es letztendlich dann doch etwas zu wenige Einblicke in das Leben der Protagonisten, um wirkliche und wahrhaftige Betroffenheit hervorzurufen, und vielleicht hätten auch das Zeitgeschehen oder zumindest die Behandlungstechniken der damaligen Zeit noch etwas näher beschrieben werden können. So jedenfalls wirkt „Agathe‟ mehr wie eine Erzählung (oder Novelle) als wie ein Roman.

Fazit:
"Agathe" ist eine bewegende, eher melancholische Erzählung, die dem Leser viel Raum für eigenständiges Mit- und Nachdenken liefert. Für mich hätte es etwas mehr sein dürfen, aber mit den wenigen vorhandenen Seiten schafft Bomann schon sehr viel!

[Hinweis: im Austausch gegen ehrliche Meinung kostenlos zur Verfügung gestelltes Rezensionsexemplar]
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