Cover des Buches Das indiskrete Leben der Alice Horn (ISBN: 9783458176138)
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Rezension zu Das indiskrete Leben der Alice Horn von Anne Lise Marstrand-Jørgensen

Ein intensiver emotionaler Familienroman

von BookfantasyXY vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Anne Lise Marstrand-Jörgensen formte zum Teil intensive und verstörte Charaktere, wobei ihr ein epochales Literaturwerk gelungen ist.

Rezension

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BookfantasyXYvor 9 Jahren

Der Roman Das indiskrete Leben der Alice Horn von der dänischen Autorin Anne Lise Marstrand-Jörgensen ist nicht ganz einfach zusammen zu fassen. Diese Geschichte beginnt im schwülen Sommer 1969 - die Zeit der Hippies und Emanzipation - in einer kleinen dänischen Kleinstadt namens Vase. Eric und Alice Horn beziehen in der Neubausiedlung "Schmetterlingsquartier" - das Vorzeigeobjekt der jungen Familien in den 1960er Jahren - ein kleines Familienhaus. Eric ist Immobilienmakler in der Stadt Farring, die weiter entfernt von Vase liegt. Er muss jeden Tag mit dem Zug dorthin fahren. Nach und nach bekommen Alice und Eric Nachwuchs. Die Erstgeborene ist Marie-Louise, dann folgt Flora und das Nesthäkchen Martin. Die Kinder sind zwei beziehungsweise ungefähr vier Jahre altersmäßig auseinander. Alice ist mit der Nachbarin Barbara befreundet, die wiederum mit dem Rechtsanwalt Alan verheiratet ist, und ebenso Kinder in dem Alter von der Familie Horn hat. Der Alltag der Frauen ist geprägt von Kinderbetreuung, Hausarbeit, Einkaufen und Kaffeetrinken. Alice und Barbara sind nicht berufstätig, obwohl zum Beispiel Alice den Beruf der Krankenschwester gelernt hat. Aber nach der Heirat mit Eric Ende der 1950er Jahre blieb ihr die Rolle der Ehefrau und Hausfrau. Alice ist eine stille zurückhaltende Person, was sich später bei ihr psychologisch auswirkt. Man könnte meinen sie hat Depressionen, was sich letztendlich bei dem Unglück vermuten lässt: Alice nimmt sich das Leben. Alice war unglücklich vor ihrem Tod. Eric war ebenso unglücklich, aber eher in sexueller Hinsicht. Beide gingen eine Zeitlang in einen Swingerclub, um ihrer sexuellen Liebe Feuer zu geben. Aber diese Zeit machte Alice nicht glücklicher und offener. Eric trifft eine junge Frau über seinen guten Freund Sufi, der in einer Kommune auf dem Land lebt. Eric beginnt eine Affäre mit Rachel in der Zeit als Alice noch lebt. Ob Alice je etwas geahnt hat; man weiß es es nicht. Sie kommunizierte es zumindest nicht.

Nach Alices Tod bricht für Eric zunächst eine schwierige Zeit an; zumal die drei Kinder unterschiedlicher nicht sein können, was ihn manches mal an seine Grenzen bringt. Marie-Louise ist die Vernünftige bis zu dem Zeitpunkt ihrer Teenieschwangerschaft. Flora wirkt von klein auf frech, aufmüfig und bockig und entwickelt sich zu einem Hippie-Teenager. Martin ist noch lieb als er klein ist, aber nach Alices Tod wird er zu einem verschlossenen, bockigen und prügelnden Jungen. Eric Verhältnis zu Rachel hat sich noch vor dem Tod von Alice aufgelöst. Dennoch muss er oft an sie denken. Irgendwann vereinnahmen seine Kinder in so sehr, dass er kaum noch an sie denkt. Es passiert in dieser Familie nicht nur das eine große Unglück, sondern es finden weitere alltägliche Unglücke statt, weil letzendlich allen Familienmitgliedern die Ehefrau und Mutter fehlt, die viele Fragen und ein großes Loch hinterlassen hat. Dem Familienvater wird eine neue Rolle zugeordnet, die er versucht so wie es geht zu erfüllen. Ebenso müssen die Kinder mit dem Tod ihrer Mutter zurecht kommen, was sicherlich bei ihnen Spuren hinterlassen hat.

Anne Lise Marstrand-Jörgensen ist ein tiefgründiger, emotionaler und charakterstarker Roman gelungen. Die Zeit der Ende 1960er und die Anfänge der 1970er Jahre umfassen diese Familiengeschichte, die geprägt war von freier Liebe, Drogen, Emanzipation der Frauen, das Leben in der Kommune, Reisen nach Indien und das moderne Vorstadtleben, das sich junge Familien leisten konnten, wenn die Familienväter ein gutes Einkommen nach Hause brachten. Eric ist eher ein konservativer Familienvater, der gerne hin und wieder sein Leben in das der Hippies eintauschen würde, es aber nicht kann, weil er sich davon nicht befreien kann. Alice würde gerne arbeiten wollen, aber sie hat drei Kinder und den Haushalt zu versorgen. Mit diesen beiden Protagonisten schuf die Autorin ein Psychogramm zweiter Charaktere, die in ihren Rollen gefangen waren. Selbst die Kinder haben ihre Charakterstärken und -schwächen, die die Autorin authentisch entwickelt hat.

Der Roman ist stellenweise ziemlich ausführlich, wenn nicht sogar langatmig, aber aufgrund der neuen Ereignisse, die immer wieder in dieser Familien und deren Umfeld auftreten, entsteht eine gewisse Spannung in Bezug auf die Personen und deren Entwicklungsprozess. Gerade zum dem Zeitpunkt als Alice sich das Leben genommen hat, entsteht diese Spannung und neue Fragen treten auf.

Mir gefielen besonders die Charaktere der Protagonisten und deren Entwicklung im Laufe der Geschichte. Der Schreibstil ist flüssig und nachvollziehbar. Die zum Teil intensive Beschreibung der Ereignisse führen zur Langatmigkeit an bestimmten Stellen im Roman.

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