Seit dem Tod ihrer Eltern lebt die 19jährige Ella mit ihren Schwestern zusammen in Chicago. Die Großstadt ist der introvertierten jungen Frau zu hektisch, ihre älteste Schwester arbeitet rund um die Uhr, um sie alle irgendwie durchzubringen, mit ihrem Studium ist sie alles andere als leidenschaftlich dabei, und ihre beste Freundin macht ein Auslandsjahr in Australien. Als sie eines Tages Jae-yong kennenlernt, kommt endlich wieder so etwas wie Spannung in ihren grauen Alltag. Wie viel Spannung kann sie zunächst nicht ahnen, denn sie weiß noch nicht, dass Jae-yong Mitglied einer der bekanntesten K-Pop-Bands der Welt ist. Und dass ihm Liebesbeziehungen vertraglich untersagt sind.
Ich wollte. Ich war bereit. Ich hatte Laune. Das würde doch in meiner aktuellen Situation als frisch gebackenes K-Pop-Fangirl absolut MEIN Buch werden. Völlig ahnungslos in einen koreanischen Popstar verliebt? Realistisch! Wen hätten sie mir bis vor vier Wochen alles vor die Nase stellen können, und ich hätte nur gesagt: „Ja, hübsch, aber jetzt geh mir bitte aus der Sonne, denn da hinten steht Brad Pitt!“ Und ganz ehrlich? Das könnten sie wahrscheinlich mit den 250 wichtigsten K-Pop-Stars heute immer noch. Dann die arme, geschundene (und traumhaft schöne) Boyband-Seele, die im Angesicht von Ruhm und Reichtum einen Knebelvertrag unterschrieben hat, der die große Liebe verbietet? Ja, aber hallo! Wenn jemand als Teenager kopfüber in den Topf mit dem Verbotene-Liebe-Trope gefallen ist, dann ja wohl ich!
Ich habe dieses Buch praktisch schon geliebt, da kannte der Paketdienst meine Adresse noch gar nicht. Und ich war bereit und willens, den ein oder anderen Schnitzer großzügig zu überlesen, sollte es ihn denn geben.
Wirklich. War ich. Hat halt leider nicht geklappt.
***SPOILER im Verlauf der Rezension***
Was hatte sie denn jetzt schon wieder?, fragt ihr euch? Ja, kann ich euch natürlich sagen. Fangen wir mit dem Positiven an, denn die sehr gedrückte Stimmung, die Anne Pätzold zu Beginn kreiert, ist wirklich richtig gut gemacht. Man spürt, wie eingefahren Ellas Leben ist, wie sehr ihr die Leidenschaft für ihr Studium fehlt, das sie nur gewählt hat, um möglichst bald nach dem Abschluss mit einem gut bezahlten Job ihre Schwester entlasten zu können. Die Eltern werden vermisst, die Stadt ist nicht ihre, und ihr Wochenendjob ist öde. Das alles aber, ohne mitleidig oder deprimierend zu werden, und das hat mir wirklich sehr gut gefallen. Auch der Kontakt, den sie mit ihrer besten Freundin hat, fühlt sich echt und wie eine richtige Freundschaft an, und ich mochte auch die Dynamik zwischen den drei Schwestern.
Mit dem Kennenlernen von Jae-yong fangen allerdings die Probleme an und reißen bis zum Ende nicht wieder ab. Im Gegenteil: mit der Zeit sind mir immer mehr Dinge aufgefallen, die ich auch im Nachhinein als sehr negativ empfinde wie ihr sehr unangenehmes Verhalten als sie sich kennenlernen und sie glaubt, nur, weil er in einer fremden Sprache telefoniert und asiatische Gesichtszüge hat, verstehe er sie nicht und redet in einer Ich-Tarzan-du-Jane-Manier auf ihn ein, die ihn glücklicherweise nicht dazu veranlasst, ihr einfach mal stumpf eine reinzuhauen. Wobei, zumindest wäre dann die Liebesgeschichte direkt im Keim erstickt gewesen, und man hätte sich weitere Szenen mit der unangenehm ahnungslosen Ella ersparen können („Warst du schonmal Koreanisch essen?“ – „Nein, aber Japanisch!“), die prompt noch einen ellenlangen Tanz darum macht, wie wohl sein Name korrekt ausgesprochen wird.
Als dann die Bombe relativ früh platzt (Jae-yong ist einfach mal ein Weltstar, Potzblitz!), ist Ella erstmal totsterbensbeleidigt, dass er ihr das verheimlicht hat – von außen betrachtet an sich verständlich, doch in dieser Geschichte hätte sie sich fragen müssen, wie fair der Vorwurf an einen Superstar ist, ihr sein Superstarsein verheimlicht zu haben, wenn man sonstigerlei Persönliches auch nicht austauscht. Die beiden halten zwar per Chat und Telefonaten Kontakt, doch zwei Whats-App-Sätze mit ihrer in Australien hockenden Freundin hatten hier wesentlich mehr Fleisch als seitenlanges oberflächliches Geplänkel mit der großen Liebe in spe, denn die haben sich zu 90 Prozent die komplette Harry-Potter-Handlung (inklusive Unterschiede zur Verfilmung) gegenseitig erzählt, und wenn man doch mal aus Versehen tiefgründiger wurde, heißt es gleich: „Sorry, so ernst wollte ich gar nicht werden“ oder „Ich fahre das Gespräch mal lieber wieder in seichtere Gewässer“, und das bleibt bis zuletzt so.
Abgesehen davon, dass auch bis zuletzt sich in Ellas Leben absolut nichts tut. Noch kurz vor Schluss tauschen sie Chats aus, in der er ihr über seinen Tag erzählt (irgendwelche Tourvorbereitungen) und sie ihm über ihren (total ereignislos, Surprise). Das Studium ist immer noch blöd, der Nebenjob ist immer noch langweilig, die großer Schwester ist immer noch nie da, mit der kleinen guckt sie nach wie vor rund um die Uhr Disneyfilme, und die BFF ist immer noch weg. Es passiert absolut gar nichts in ihrem Leben, und selbst das, was passiert (sich in eine Berühmtheit verlieben) kriegen wir nicht mit, denn sie chatten nur vor sich hin und zwar „über alles und nichts“, mitbekommen auf Papier tun wir jedoch immer nur den Nichts-Teil.
Immerhin kann man „When we dream“, wenn man es nicht gerade für eine Harry-Potter-Nacherzählung braucht, auch als Deep Dive ins K-Pop-Vokabular benutzen. Etwas dazugelernt habe ich nämlich tatsächlich; ich weiß allerdings nicht, ob erfahreneren Fans diese Erklärbär-Szenen nicht etwas zu plump sind. Dazu kommt wieder Ella Ahnungslos um die Ecke, die Jae-yong alberne Klischeefragen zum Berühmtsein stellt („Wie ist es so, wenn man permanent unter Beobachtung steht?“, während sie buchstäblich gerade in einem stinknormalen Taxi nur zu Zweit durch halb Chicago eiern; oder „Ach, ich dachte, du lässt mich mit einer Limousine abholen!“). Anscheinend ist Vieles davon ironisch und/oder frech-witzig gemeint, was bei mir allerdings nicht so richtig ankam.
Und mein Lieblingsplotpunkt, Paragraph Liebesverbot, wird irgendwann nur kurz angeschnitten (Beziehungen zum anderen Geschlecht seien „nicht so gerne“ gesehen), um am Schluss hopplahopp nochmal aus dem Hut gezaubert zu werden, und ach, Schatz, tut mir echt leid, aber das hab ich irgendwie irgendwann mal unterschrieben, ist halt jetzt blöd gelaufen. Tschüss dann, gell?
Nun erstreckt sich Ellas und Jae-yongs Geschichte über ganze drei Bände. Ich sag mal so: Interesse daran, wie sie nun doch zueinanderfinden, hätte ich theoretisch ja schon. Praktisch steht da aber ein höchstwahrscheinlich zäher zweiter Teil im Weg, in dem sie die ganze Zeit darüber lamentiert, wie viel trauriger und öder das Leben jetzt noch im Vergleich zu vorher geworden ist, ein ewig langes Sollen-wir-vielleicht-doch-oder-nee-doch-nicht-oder-was, was sich vermutlich bis zum Ende von Teil Drei zieht, und … och nö. Lieber nicht. Hätte man sich einfach den kompletten ersten Teil mit dem Kennenlernen Zeit genommen, hätte ihn aktiv seinen Beruf verheimlichen und am Schluss dann die Ui-K-Pop-Star-Bombe platzen lassen; dann im zweiten Band hätte man wieder zusammenkommen und in Teil Drei zu dem Schluss kommen können: Geld oder Liebe? Ich will beides! Gerne auch mit Roter-Teppich-Action und Co., was bei solchen Geschichten irgendwie immer kein Mensch macht … aber na ja … Hätte, hätte, Fahrradkette.
Fazit: Tolle Stimmung, allerdings nicht in Sachen Liebe. Die Beziehung zwischen der Studentin Ella und K-Pop-Star Jae-yong bleibt bis zuletzt oberflächlich und war leider gar nicht zu spüren. Hinzu kommen unnötige Handlungsstränge und Figuren (ihre beste Freundin, ihre Arbeitskollegin), full Spoiler für Harry Potter und eine Portion Alltagsrassismus. Ich wäre hier wirklich für einige Augenzudrücker zu haben gewesen, es hat sich aber Vieles sehr aufgedrängt. Von mir bekommt der erste Teil der LOVE-NXT-Trilogie deshalb 2** und kein Comeback.