Es ist bereits die dritte Spenenanthologie, die Anne Polifka und Jennifer Schumann gemeinsam herausbringen. Dieses Mal gehen die Einnahmen aus dem Verkauf heraus dem "Weekendschool Deutschland e.V." zugute. Ich habe die Anthologie als Rezensionsexemplar erhalten undnbedanke mich herzlich für das Vertrauen der beiden Herausgerberinnen, das sie mir mit dieser Geste geschenkt haben.
Ich hatte bereits die vorherige Anthologie "Rituale" gelesen und mich sehr gefreut, dass die beiden Herausgeberinnen und Autorinnen ihr Konzept einer Spendenanthologie weiterhin durchführen. In der jetzigen Anthologie geht es um die "Heimkehr" - und in wie vielen, verschiedenen Facetten sie auftreten kann.
Alle paar Kurzgeschichten kommt ein Gedicht, ebenfalls passend zur Thematik. Ich habe mir die Lyrik durchgelesen, leider ist das kein Genre, mit dem ich mit anfreunden kann, daher kann ich zu den Gedichten nur sehr wenig sagen. Ich finde es aber toll, dass auch Lyrik in der Anthologie berücksichtigt wird und somit auch jenen Autoren eine Stimme gegeben wird. Ich fand nicht, dass die Lyrik zu dominierend vorkam oder zu viel vertreten war; das Gleichgewicht zwischen Kurzgeschichten und Gedichten war ausgeglichen und hat immer wieder für Abwechslung gesorgt.
Die Kurzgeschichten selbst besaßen eine sehr angenehme Länge. Prinzipiell waren sie alle in etwa gleich lang, hatte ich das Gefühl, dabei weder zu kurz noch zu lang. Da viele Lektorinnen und Korrektoren ehrenamtlich an dieser Anthologie mitgearbeitet haben, war der Lesefluss angenehm und wurde nicht durch etwaige Fehler etc. ins Stocken gebracht.
Die vertretenen Autoren und Autorinnen haben sich jeder für sich viele, unterschiedliche Gedanken um das Thema der Heimkehr gemacht. Es ist schon faszinierend, wie viele verschiedene Ideen es gibt, die alle unterschiedlich ausgeführt und beschrieben werden - manchmal wird die Heimkehr als etwas positives und wunderschönes beschrieben, dann wieder als etwas schreckliches und mit Trauer behaftet. Aber egal, welche Palette an Emotionen einem geboten wurden, der Leser konnte sich gut in die verschiedenen Situationen der Kurzgeschichten hineinversetzten und meistens nachempfinden. Nach jeder Kurzgeschichte wurde gibt es eine kleine Vita über den Autoren sowie dessen Profile bei Instagram, Facebook und Webseiten. Ein wenig über den Menschen hinter der Kurzgeschichte zu erfahren, finde ich immer sehr schön. So bekommt die ganze Anthologie eine etwas persönlichere Ebene.
Die meisten der Kurzgeschichten haben mir sehr gut gefallen - das Thema der Heimkehr wurde auf fantastische, sehnsuchtsvolle Art beschrieben, die mich selbst diese Sehnsucht haben empfinden lassen. Besonders hervorheben möchte ich an dieser Stelle einmal die Kurzgeschichte von Madeleine Wilfert hervorheben, "Belle kehrt nach Hause zurück" - jene hat es mit einfach besonders angetan, mit dem Motiv, seinem eigenen Selbst eine Maske aufgelebt zu haben, um dann zu merken, dass man nicht nur an einen Ort oder zu einer Liebe heimkehren kann, sondern auch zu sich selbst. Der innere Frieden, den die Protagonistin Isabelle in dieser Geschichte mit sich geschlossen hat, war wunderschön beschrieben und zu einhundert Prozent nachfühlbar.
Auch die Geschichte "Familie verpflichtet" von Jennifer Schumann, einer der Herausgeberinnen persönlich, hat mich derart fasziniert, dass ich sie als zuletzt platzierte Geschichte noch einmal ein richtiges Leseerlebnis herausgeholt hat. Ich fand die Welt, die Schuhmann hier geschaffen hatte, gepaart mit dem starken Band einer Familienstruktur sowie diesem Gefühl einer Verpflichtung heraus, unglaublich faszinierend. Diese Geschichte war zudem eine der wenigen, die die "Heimkehr" negativ behaftet haben - und das fand ich unfassbar faszinierend zu lesen, da man hier einfach gemerkt hat, dass so manche Heimkehr eben nicht immer etwas Positives bedeutet. Zwischen den Zeilen liest man übrigens auch noch ein bisschen Sozialkritik und perfektioniert war für mich diese einzigartige Kurzgeschichte!
So manch eine Kurzgeschichte fand ich persönlich leider etwas weniger "passend" für die Anthologie; allerdings ist das auch nur meine persönliche Empfindung. So gibt es zum Beispiel die Kurzgeschichte von Achim Stößer, "Die Toxischen", der eine an und für sich äußerst interessante Idee und damit verbundene Welt kreiert hat, die meiner Meinung nach allerdings für eine Kurzgeschichte nicht ganz passend gewesen ist - es gab viel Erklärungen, viel Input, dabei noch Gefühle, Charakterentwicklung, und, und, und ... Die Heimkehr ist hier für einen Ort beschrieben, den der Prota noch nicht kennt, aber dennoch als Heimkehrort bezeichnet, weil diese ihre Liebe gefunden hat - in einer Welt, in der diese Liebe zu einem Mann als giftig gilt. Durch die geringe Anzahl an Worten ging leider ein bisschen Gefühl für mich verloren, was der reinen Grundidee der Geschichte jedoch keinen Abriss getan hat. Hier war mehr das Problem, viel auf wenig Seiten zu bekommen - als kleine Novelle oder gar ganzer Roman, in der diese Idee besser und intensiver ausgearbeitet werden könnte, würde sie deutlich besser zur Geltung kommen.
Schön fand ich auch, zu lesen, wie einige Autoren in ihren Geschichten zum Teil ihren eigenen Hintergrund oder ihre eigenen Erfahrungen mit haben einfließen lassen - "Fremde Heimat" von Kevin Cela zum Beispiel war solch eine Kurzgeschichte, die mich im Nachhinein doch sehr fasziniert hat, sobald ich ein bisschen über die gelesenen Zeilen nachgedacht habe.
Es gibt noch andere Kurzgeschichten, die mir positiv im Gedächtnis geblieben sind; so mochte ich "Husarenplätzchen" von Angelika Gmeiner sehr gerne, weil sie vor allem die weihnachtliche Stimmung irgendwie so schön und passend eingefangen hat, aber auch "Schattenschwerter" von Anne Polifka, der zweiten Herausgeberin, mochte ich, da auch dies eine KG für einen eher negativen, traurigen Zusammenhang mit der Heimkehr dargestellt hat. Ich habe von Anne Polifka auch schon den ersten Band ihres Romand "Der letzte Außenposten" gelesen und mag ihren Schreibstil, ihre Ideen und ihre Erzählungen prinzipiell sehr gerne, weil sie sich auf ihre Art von der breiten Masse abheben.
Es gibt Geschichten, die im Fantasybereich ansiedeln, "Gorgonenblut" von Nadine Engel oder "Der blühende Regen von Cenesh" von Sophia Rosenberger, aber auch Geschichten im Sci-Fi-Spektrum, wie "Oase der Hoffnung" von Paula Velten oder "Rückkehr nach 1000 Jahren" von Till Kunze.
Es geht in der Anthologie manchmal um die Liebe, manchmal um die Familie oder um einen Ort, an den man zurückkehrt. Es geht um Beziehungen, um Vergebung und Verzeihung, um Hoffnung und Sehnsucht, Freude und Glück oder Schmerz und Trauer. Die Anthologie beschreibt ein wirklich großes Spektrum an verschiedenen Kurzgeschichten, die das namensgebende Thema der "Heimkehr" alle auf ihre Art einfangen; die einen mehr, die anderen vielleicht ein bisschen weniger. So manch eine Heimkehr muss man zwischen den Zeilen herauslesen, die andere wiederum ist offensichtlich.
Fazit: Ich finde, dass die Jennifer Schumann und Anne Polifka bei der Auswahl der Kurzgeschichten und Gedichte eine fantastische Arbeit geleistet haben. Die Balancierung verschiedenster Themen und Genres ist ebenfalls gut gelungen. Ich mochte die ein oder andere Kurzgeschichte lieber als andere, aber ich denke, mit allen Kurzgeschichten den persönlichen Geschmack zu treffen, ist recht schwer. Ich für meinen Teil habe die Anthologie genossen und sehr gerne gelesen. Durch das breite Spektrum findet sich für jeden Geschmack etwas. Ich spreche eine klare Leseempfehlung für diese Anthologie aus; vor allem für jene, die vielleicht vor dem Schlafengehen noch ein paar Seiten schmökern wollen, ehe sie die Augen zumachen und sich in ihren eigenen Träumen zur Heimkehr verlieren :)