Die Spendenanthologie "Rituale" von Anne Polifka und Jennifer Schumann beinhaltet 25 Kurzgeschichten und Gedichte, die das Thema der Anthologie auf die eine oder andere Art aufgreifen und behandeln. Ich habe das Buch freundlicherweise als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen und möchte ein bisschen was dazu sagen. Dass ich das Buch als Rezensionsexemplar erhielt, beeinfluss nicht meine Meinung.
Ich muss zugeben, dass ich mich mit Kurzgeschichten schon immer schwer getan habe; leider fehlt mir bei vielen Kurzgeschichten das gewisse Etwas, da sie - naja - kurz sind. Dass es in Kurzgeschichten üblich ist, wenig von der Welt zu erklären und den Leser einfach mitzunehmen und eine Sequenz, ein Lebensabschnitt etc zu beschreiben, in dem meistens eine unerwartete Wendung geschieht, ist mir bewusst und so habe ich mich von meiner üblichen Lesegewohnheit (und dem dazugehörenden Kritikmuster) etwas gelöst und habe mich voll und ganz auf die Geschichten eingelassen :)
Am Anfang steht - und das fand ich es schön gewählt - ein Gedicht, "Ritualerei" von Gerd Meyer-Anaya; das war ein sehr hübscher Einstieg in das komplette Thema. Generell habe ich das Gefühl gehabt, dass die Reihenfolge der Kurzgeschichten willkürlich erfolgte, da einige Geschichten thematisch zusammengepasst haben (z.B kamen zwei Geschichten, die viel mit Natur oder Dämonenbeschwörung zu tun haben, aufeinander, dann wurde ein Schwenk in eine etwas andere Richtung getätigt). Mir persönlich hat die Aufteilung demnach sehr gut gefallen, da man sich langsam von einem Schwerpunkt in den nächsten gleiten lassen konnte.
Prinzipiell empfinde ich die Kurzgeschichten als gut gewählt, wenn ich das Hauptthema der Anthologie betrachte: Rituale. Es gibt eine große Auslegung, die das Thema betrifft; horrormäßige Geschichten wie mit Dämonenbeschwörung, für die ein Ritual benötigt wird, gewisse Rituale, die bei den Menschheit z.B den Eintritt in das Erwachsenenalter begleiten oder einläuten, Rituale als sogenannte "Jobs", oder eben auch die kleinen Rituale, die man sich selbst macht, z.B vor dem Schlafengehen. In der Anthologie gibt es verschiedene Blickpunkte auf Rituale. Die beiden Herausgeberinnen waren bedacht darauf, verschiedenste Geschichten auszuwählen, sodass das große Thema eine breite Streuung erhält und man nicht jedes Mal den gleichen "Einheitsbrei" liest.
Persönlich gefallen haben mir besonders die Kurzgeschichten "Nur ein Job" von Arthur Krone und "Schwarzer Sand" von Maria Linwood. Vor allem die zweitgenannte hat mir sprachlich und von der Idee her sehr gut gefallen, sodass ich mir während des Lesens gewünscht habe, daraus würde ein ganzer Roman entstehen; ich würde ihn definitiv lesen, die Grundidee war sehr spannend und interessant. "Nur ein Job" überraschte mich mit Humor seitens der Ich-Erzählerin und der Tatsache, dass diese für Rituale "gebucht" werden konnte, da sie z.B ihre Monatsblutung bekommt und dieses Blut für gewisse Rituale benötigt wird. Das war für mich eine erfrischende Idee, der ich mit großem Interesse und noch größerer Begeisterung gefolgt habe.
Mit anderen Geschichten konnte ich leider weniger anfangen; "Das Herz des Ozeans" von Kornelia Schmid zum Beispiel war mir zu wirr geschrieben und irgendwie habe ich keinen Zugang zu der Geschichte gefunden. Auch das Gedicht "Nachtwandler" von Philip Bartetzko empfand ich von der Thematik her zwar als passend, aber irgendwie konnte auch das mich nicht abholen. Ich bin aber auch prinzipiell keine Person, die gerne Lyrik in ihrer Freizeit liest, demnach fällt dieses Urteil auch sehr subjektiv aus.
Die Autoren der Kurzgeschichten haben allesamt Talent; einige punkten mit wunderschönen Beschreibungen, andere mit ihren Ideen und wiederum andere mit der Erzählstruktur. Hin und wieder empfand ich den Buchsatz als schwierig, da zum Teil wörtliche Rede direkt hintereinander stand oder mitten in einem Absatz begonnen wurde, zu sprechen und ich bei einigen Kurzgeschichten (vor allem jene, in denen mehrere Personen agieren), Schwierigkeiten hatte, zuzuordnen, wer genau was sagte. Hier hätte man eventuell besser darauf achten können, einen angenehmeren Lesefluss zu gestalten. Genrell aber habe ich wenig Fehler gefunden, egal, was Rechtschreibung und/oder Grammatik oder eventuelle unlogische Dinge der Geschichten anging. Korrektorat und Lektorat haben gute Arbeit geleistet, um für einen im Großen und Ganzen angenehmen Lesefluss zu sorgen.
Was ich nicht ganz so schön fand, war, dass man die Informationen (Kurzvita) der Autoren an das Ende der Kurzgeschichten gepackt hat; das hat mich oftmals ein bisschen herausgerissen, weil ich die Geschichte für mich im Kopf beendet hatte und ich die nächste erwartete und dann die Info des Autors hintenangestellt wurde; besser hätte ich es gefunden, wenn die Informationen vor die einzelnen Geschichten gestellt werden oder man einfach hinten eine Sammlung zu den einzelnen Autoren gemacht hätte (tatsächlich habe ich mich vor dem Lesen der ersten Kurzgeschichte gewundert, wieso keine Informationen zum Autoren vorlagen und ich blätterte nach ganz hinten, um jene zu suchen). Das ist aber persönlicher Geschmack und ich kann verstehen, dass man den Lesern erst die verschiedenen Kurzgeschichten zum Genießen geben wollte, und man hinterher die Person, die hinter dem Kunstwerk steckt, kennenlernt.
Alles ins allem gab es für mich keine Kurzgeschichte die komplett bei mir "durchfällt" oder das Thema komplett verfehlt hat. Ich finde, dass die beiden Herausgeberinnen eine gute Arbeit geleistet haben, geeignete Kurzgeschichten herauszufiltern und in der Anthologie zu vereinen. Sprachlich gesehen empfand ich einige Kurzgeschichten als sehr stark, ("Schwarzer Sand" und auch "Der Nebelwald"), andere wiederum besaßen einen etwas einfacheren und lockeren Schreibstil ("Totes Eichhörnchen") und einige wenige haben mir persönlich nicht so gut gefallen ("Die Beruhigung der Seele"). Das Thema "Rituale" wurde aber in allen Kurzgeschichten wunderbar und auf unterschiedlichste Art und Weise aufgenommen und behandelt und ich habe mich während des Lesens nie gelangweilt.
Mein Fazit; Ich bedanke mich herzlich dafür, die Anthologie als Rezensionsexemplar lesen gedurft zu haben. Die meisten der Kurzgeschichten/Gedichte waren okay, nur wenige haben mir nicht zugesagt und einige andere empfand ich als richtig, richtig gut! Das Thema wurde wunderbar umgesetzt, die Aufteilung hat mit ebenfalls gefallen und die Autoren und Autorinnen haben gezeigt, was sie können. Dass die Einnahmen der Anthologie zu Spendenzwecken genutzt wird, gefällt mir ebenfalls und sollte beim Kauf der Anthologie nicht vergessen werden. Alles in allem kann ich die Antholgie "Rituale" empfehlen, vor allem, wenn man abends vor dem Schlafengehen noch eine oder zwei kleine Geschichten/Gedichte lesen möchte, denn auch die gewählte Länge empfand ich als angenehm und als weder zu lang noch zu kurz :)