Rezension zu "Hinter den Mauern der Ozean" von Anne Reinecke
Dieses Buch gehört zu denen, die mit mir nach Kreta reisen durften. Und ja, natürlich war für diese Entscheidung ausschlaggebend, ob der Buchtitel irgendwas mit dem Meer zu tun hat, auch hier wieder. Wer will mich davon abhalten?
In diesem Buch geht es um Lola, eine von nur fünf verbliebenen Einwohnern Berlins. Die anderen sind Friedrich, Alexander, Wilhelm und Else und zusammen sind sie die Ewigen. Alexander, Wilhelm und Else und das auf ewig – auch wenn keiner von ihnen unsterblich ist. Stattdessen wird jede dieser Personen von einem Kind mit gleichem Aussehen und gleicher Persönlichkeit ersetzt, sobald die Person Zeichen von Alter oder Krankheit zu zeigen beginnt. Durch diesen Kreislauf soll das Wissen der Alten bewahrt werden. Doch nicht alle sind mit diesem Verlauf zufrieden – und vor allem Friedrich beginnt schon bald im Buch damit, nach einem Ausweg zu suchen. Die Ähnlichkeiten zu Geschichten von der Flucht aus der DDR sind da wohl nicht nur mir aufgefallen. Die große Mauer, die einen Teil Berlins von der Außenwelt abtrennt... Da klingelt doch was... Und wie auch bei Fluchtgeschichten stellt sich auch hier bald die Frage: Kommt die Gefahr für die Fünf wirklich (nur) von außen oder doch auch aus den eigenen Reihen? Und sind die Mauern am Rande Berlins wirklich dazu da, das Meer draußen zu halten – oder sie drinnen?
Der Autorin ist hier eine sehr ruhige Dystopie gelungen. Ihr Schreibstil ist poetisch und voll mit intertextuellen Referenzen. So finden sich hier Zitate aus Liedern und Märchen sowie aus der Bibel, die geschickt in den Gesamttext eingeflochten werden.
Am Ende des Romans bleiben viele Fragen offen – die aber vielleicht auch gar nicht beantwortet werden sollten. Denn so muss jede Person die Lücken selbst füllen – und während es für mich klar ist, dass die Ewigen Klone sind, die Übersetzer vielleicht eine weit fortgeschrittene Künstliche Intelligenz und das Meer am Stadtrand Berlins das Ergebnis einer Klimakatastrophe, werden andere Leser*innen wohl ganz andere Erklärungen für all das Ungewöhnliche in diesem Buch finden. Und es wäre super spannend, diese unterschiedlichen Erklärungen zu hören und zu diskutieren - falls ihr diesen Roman also ebenfalls gelesen habt, lasst mir gerne eine Nachricht da, was ihr da so reininterpretiert habt!
Mein Fazit? Ein spannendes Roman-Experiment!