Cover des Buches Das Geschenk der Wölfe (ISBN: 9783499238604)
Rezension zu Das Geschenk der Wölfe von Anne Rice

Endlich mal wieder keine Kuschelwölfe!

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 7 Jahren

Kurzmeinung: Endlich mal wieder keine Kuschelwölfe!

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 7 Jahren
In "Das Geschenk der Wölfe" lernt der Leser Reuben Golding, einen jungen Reporter, kennen, aus dessen Sicht die Handlung erzählt wird. Er reist zum Herrenhaus der Familie Nideck und macht dort Bekanntschaft mit der Nichte des verschollenen Hauseigentümers Felix Nideck, Marchent. Von Anfang an verstehen sich die beiden sehr gut, mir persönlich waren sie sich jedoch dafür, dass sie sich eigentlich überhaupt nicht kennen, viel zu nah. Die beiden fühlen sich zueinander hingezogen und reden nicht nur über für Reubens Artikel Bedeutsames, sondern auch über eher private Sachen, was unangebracht wirkte.
Zeitgleich erhält der Leser einen Einblick in Reubens Gedanken, die durchaus komplex und detailliert, gleichzeitig aber auch sehr gut verständlich geschildert werden. Dadurch gelang es mir schnell, mich in Reuben hineinzuversetzen und die Geschichte durch seine Augen zu erleben.
Erst nach Marchents Tod kann sich wirklich Spannung aufbauen, denn Reuben erhält Einblick in eine Welt, die für ihn bis dato nur zur Fiktion gehörte, und findet immer mehr schier unlösbare Fragen. Gleichzeitig begleitet ihn das Mysterium um Felix Nideck, der vor etwa zwanzig Jahren - wie auch seine Freunde - spurlos verschwunden ist. Zusätzliche Lebendigkeit erhält "Das Geschenk der Wölfe" durch Verweise auf moderne "Social Media"-Anwendungen wie Youtube und Facebook, die nicht nur in der Realität der schnellen Verbreitung und Beschaffung von Informationen dienen.
Eben dieser Informationsfluss wird Reuben bald zum Verhängnis, denn die Jagd auf den Wolfsmenschen beginnt. Am Tage der junge Reporter, der über die Taten des Wolfsmenschen berichtet, in der Nacht eine wilde Kreatur - gerade dieser Zwiespalt ist sehr interessant zu lesen, da Reuben selbst des Öfteren Probleme mit diesem Versteckspiel hat.
Gleichzeitig wirkte es allerdings etwas unrealistisch, dass er einerseits versucht, an Gott zu glauben, sich jedoch andererseits kaum Gedanken um die Morde macht, die er als Wolfsmensch verübt. Anne Rice versucht zwar, die Gefühlswelt des Wolfs verständlich darzustellen, doch es gelingt ihr nicht immer.
Es gibt jedoch nicht nur diese Bezüge zur Religion, die durch Reubens Bruder Jim, einem Priester, noch verstärkt werden. Nahezu jede der äußerst lebendig dargestellten Figuren kann als Repräsentation für einen bestimmten Bezug gesehen werden: Reubens Mutter, eine Chirurgin, bringt medizinische Fragestellungen mit ein, während sich Reubens Vater der Literatur und Philosophie zugewandt hat. Felix Nideck steht mit seinem Anwesen für Geschichte, Kunst und Architektur und ein Bekannter lässt in einem Gespräch Aspekte der Evolution mit einfließen. Dadurch ergibt sich ein breit gefächertes Bild, nicht nur auf den Wolfsmenschen, sondern auf die gesamte Umgebung, in der Reuben agiert.
Das vermittelte Bild des Wolfsmenschen entspricht glücklicherweise nicht dem seit Twilight verbreiteten Bild eines großen Kuschelwolfs. Der Wolfsmensch mag zwar gute Absichten haben, hat jedoch auch gleichzeitig das Verlangen danach zu jagen, zu töten und frisches, blutiges Fleisch zu fressen. Eine in meinen Augen gelungene Abwechslung!
Sprachlich hat mich "Das Geschenk der Wölfe" einerseits beeindruckt, andererseits enttäuscht. Bevor ich zu den eigentlichen Aspekten komme, möchte ich noch kurz darauf hinweisen, dass ich mich auf die deutsche Version beziehe. Wie es mit einigen sprachlichen Sachen im Original steht, kann ich nicht beurteilen.
Schon zu Anfang muss man mit einer Fülle von detaillierten Beschreibungen zurechtkommen, die einen manches Mal sprichwörtlich erschlagen, weil es einfach zu viel und zu genau ist. Man gewöhnt sich jedoch mit der Zeit daran. Sollte man auch, denn solche Beschreibungen tauchen immer wieder auf. Bis zu einem gewissen Maß sind sie jedoch auch hilfreich, um sich die Umgebung besser vorstellen zu können.
Sehr störend war dagegen die immer gleiche Gestaltung der Dialoge. Immer "sagte" oder "fragte" jemand etwas. Auf der Suche nach Synonymen für diese beiden Wörter wird man hier kaum fündig.
Allerdings kann man der Gestaltung von Gesprächen auch etwas Positives abgewinnen. "Das Geschenk der Wölfe" ist eines der wenigen Bücher, die ich bisher gelesen habe, in denen neben der direkten auch die indirekte Rede regelmäßig verwendet wird, damit Gespräche nicht zu lang werden, was ich als angenehm zu lesen empfand.
Ein wenig negativ war jedoch auch, dass die Handlung stellenweise nur wie ein hastiger Bericht oder - das andere Extrem - langatmig wirkte. Im Großen und Ganzen hielt sich das jedoch in Grenzen und kann noch toleriert werden.

Fazit
Alles in allem hat mir "Das Geschenk der Wölfe" in Bezug auf die Handlung und die lebendige Figurengestaltung sehr gut gefallen, die stellenweise sprachliche Eintönigkeit und die teils zu detaillierten Beschreibungen waren jedoch zu störend, um diesem Buch die vollen fünf Sternen zu geben.
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