Ich weiß noch, wie sehr ich mich gefreut habe, als ich mitbekommen habe, dass es einen zweiten Teil der Traumjäger-Reihe geben würde. Der erste Band hat mich nämlich schon total begeistert. In 'Heimsuchung' durfte ich jetzt endlich wieder nach Silberstadt reisen und dieses Mal etwa zwanzig Jahre vor den Ereignissen in 'Gezeichnete der Nacht' dort verweilen. Silberstadt als ein reicher, florierender Ort kennenzulernen, in dem die Kneipen voll sind, Händler aus aller Länder ihre Geschäfte nachgehen und junge Menschen von überall her anreisen, um an der Medizinischen Fakultät studieren zu können, hat unglaublich viel Spaß gemacht. Trotzdem war klar, dass das nicht ewig so weitergehen würde. Silberstadt wird vom Geld regiert. Geld entfacht Gier und dieses unstillbare Verlangen, immer mehr zu wollen, macht skrupellos. Man überschreitet Grenzen und bevor man es weiß, hat man den eigenen Untergang besiegelt. In diesem Fall den Untergang einer ganzen Stadt und seiner Einwohner.
Genauso wie beim ersten Teil hat mich diese Geschichte sofort in sich hineingezogen und nicht mehr losgelassen. Es war so schlimm, dass wenn ich auch nur ein paar Minuten Zeit hatte, ich mich darauf ertappt habe, schon wieder dieses Buch in den Händen zu halten. Einige der Protagonisten kannte ich schon aus dem ersten Band und ich war so unglaublich neugierig, sie nochmal neu kennenlernen zu dürfen. Sie waren noch so jung und ihre Sorgen komplett andere. Manchmal hätte ich schreien können, ob die Entscheidungen, die sie trafen. Vor allem weil ich als Leser schon wusste, wie es im Großen und Ganzen enden würde. Trotzdem hat mich die Autorin oft überraschen können und war die sich stetig steigende Spannung ab der ersten Seite spürbar.
Viele der Menschen in diesem Buch sind mir sehr ans Herz gewachsen. Philipp und Titus zum Beispiel oder Leonard und Tamara. Sie sind grundverschieden, haben aber alle ihre Ziele, ihre Sorgen und versuchen das Richtige zu tun, obwohl sie dabei desaströse Fehler machen. Da diese Personen aber so gut ausgearbeitet sind, sind ihre Entscheidungen komplett nachvollziehbar. Es gab Stellen, an denen ich fast geheult habe, einfach, weil es mich so mitgenommen hat, was sie widerfährt.
Eine Person allerdings, der Graf von Neuenburg, hasse ich abgrundtief. Das einzige, was für ihn zählt, ist sich selbst. Er ist so unglaublich fies und bösartig, was aber kein Spoiler ist, da das schon von seinem ersten Auftritt im Buch klar ist. Jedes Mal, als er in der Geschichte vorkam, haben sich bei mir die Nackenhaaren aufgestellt und jedes Mal wieder war ich erleichtert, als er wieder gegangen ist. Seine Taten haben mich nicht überrascht, aber schockiert haben sie mich schon.
Sehr gut gefallen haben mir die tiefere Einblicke in die Wirkung der Stadt und der Handelskammer. Man lernt viel darüber, wie Silberstadt zu seinen Reichtum gekommen ist und welche Probleme das mit sich bringt. Handeln mit etwas, was man nicht kennt und von denen man nicht weiß, was die Folgen sein können, ist schon grenzwertig. In diesem Buch wird hautnah gezeigt, wie falsch das gehen kann. Es hat mich aber trotzdem fasziniert mehr über dieses komplexe Thema erfahren zu können.
Insgesamt ein Buch, das ich warm weiterempfehlen kann. Es ist unglaublich gut geschrieben. Jede Zeile hat mir beim Lesen Spaß gemacht. Und, obwohl es die ganze Zeit über spannend blieb, hatte ich am Anfang das Gefühl, dass alles so ruhig vonstatten ging, was dadurch verursacht wird, dass die Geschwindigkeit der Geschichte so unglaublich angenehm ist. Es passiert so viel, aber trotzdem fühlt man sich als Leser kein einziges Mal überfordert. Ich konnte alles ohne irgendwelche Probleme Folgen ohne das Gefühl zu bekommen, dass es irgendwann mal zu viel wurde.
Meiner Meinung nach ein Meisterwerk der Dark Fantasy, das ich allen sehr ans Herz legen möchte, die düstere Geschichten, die gut ausgearbeitet sind, mögen. Von den 837 Seiten soll man sich nicht abschrecken lassen, man fliegt nämlich einfach durch. Grandios!