Annegret Braun hat ein Buch zum Thema feministische Interpretation der Bibel geschrieben und mit dem schönen Untertitel "Gottes Idee für Frauen und Männer" versehen. Während der Haupttitel provokant und pfiffig daher kommt, scheint mir der zweite passender und wohlwollender zu sein. Was kann ich nach der Lektüre berichten?
Dieses Buch ist leicht zu lesen. Die Autorin legt großen Wert auf zeitgemäße Formulierungen und bezieht sich immer wieder auf populärkulturelle Themen. Den Umschlag hätte ich mir wohl seriöser gewunschen, aber immerhin ist er ästhetisch und die Autorin kommt in der Kurzbeschreibung sehr sympathisch rüber.
"Am Anfang war die Gleichberechtigung" ist das erste Kapitel und wir lesen hier, dass Adam und Eva als Ebenbild Gottes geschaffen werden - und zwar beide zusammen. Ein wunderschöner Hinweis, der mich noch lange begleiten wird, denn aus irgendeinem Grund hat sich wohl der Glaube eingeschlichen, dass lediglich Adam diesem Ebenbild entspricht (wo Gott doch ein älterer Herr mit weißem Bart ist). ;o)
Wir reisen so langsam durchs Alte Testament und lernen einige Charaktere von einer Seite kennen, die uns bislang noch unbekannt war. Mose kommt feministisch interpretiert hervorragend weg und sogar Hiob bietet sich für eine solche Deutungsweise an. Wir lernen über die Interpretation des Lobes der tüchtigen Frau Luther und seine Ehefrau besser kennen und natürlich darf auch Esther mit ihrer Geschichte nicht fehlen.
Dann kommt das Neue Testament. Jesus und sein Umgang mit Frauen steht im Mittelpunkt und das war wohl mein Lieblingsabschnitt. Es ist absolut bereichernd die bekannten Texte im Lichte einer feministischen Deutung zu lesen. Hier wurde mir eindeutig klar, dass mir Hintergrundwissen über die Zeit und die Kulturen der Bibel fehlen um ein klares Bild vor Augen zu haben.
Auch Paulus ist ein großer Teil gewidmet. Und hier glaube ich, hatte Frau Braun kein leichtes Spiel bei der Deutung, denn Paulus scheint mir eine harte Nuss zu sein.
Ich bin sehr froh im Rahmen einer Buchverlosung auf dieses kleine Juwel gestoßen zu sein, denn ich habe viel daraus gelernt. Zu vielen mir ans Herz gewachsenen Personen habe ich nun eine neue Sichtweise kennlernen dürfen, einen neuen Blickwinkel sehen. Ein bisschen hab ich Frau Braun im Verdacht Schönfärberei zu betreiben. Immerhin haben wohl Männer die Bibel geschrieben und eindeutig über Jahrhunderte hinweg interpretiert. Ich werde noch ein bisschen in der Sekundärliteratur schmökern um diesen Verdacht zu entkräften - denn eine Liste hierfür liegt dankenswerterweise im Anhang bei. Es war mir wirklich ein Lesevergnügen und ich kann das Buch wärmstens empfehlen.