Rezension zu "Rosa Luxemburg. Im Lebensrausch, trotz alledem" von Annelies Laschitza
Ein LovelyBooks-Nutzervor 10 JahrenEine Biographie zu einer Ikone der Linken in der heutigen Epoche des Neokapitalismus mit seinen vielfältigen Herausforderungen? Warum nicht, denn sie hat uns Einiges zu sagen und sie hat uns Dinge ins Stammbuch geschrieben, die wir immer wieder auf's Neue diskutieren sollten.
Die Autorin führt gekonnt ins Thema ihres Forschungsgegenstandes ein und präsentiert Rosa Luxemburg nicht als ständig präsente scharfzüngige Politikerin, sondern auch und ganz besonders als ganz „normalen“ Menschen mit seinen Neigungen, Sehnsüchten, Träumen und auch dem persönlichen und politischen Scheitern. Naürlich liegt das Gewicht des Buches –in doppelter Bedeutung- auf ihrem Werdegang zu Ende des 19. Jahrhunderts bis zu ihrem gewaltsamen Tod im Januar 1919. Annelies Laschitza nimmt den Leser mit auf die Reise der Rosa Luxemburg, eine Reise die keineswegs nur durch Kontinuität, sondern auch von Brüchen und gescheiterten Wünschen gekennzeichnet ist. Die Autorin stellt klar heraus, welchen Schwierigkeiten und Vorurteilen sich eine Frau in der damaligen Zeit gegenüber sah, die ihren eigenen intellektuell-politischen Weg suchte und schließlich auch gegangen ist. Ein gelungener Kunstgriff Laschitzas sind beispielsweise in diesem Zusammenhang die Überschriften der einzelnen Kapitel, die aus den nachgelassenen Briefen und Schriften Rosa Luxemburgs entnommen worden sind. Sie machen den Leser neugierig auf die Erklärung und letztendlich die Auflösung des Sachverhaltes.
Leider ist die Biographie durch ein kleines Problem gekennzeichnet. Sie setzt vom Leser fundierte Basiskenntnisse über die damals herrschenden Strömungen in der Parteienlandschaft des wilhelminischen Kaiserreiches und der beginnenden Weimarer Republik voraus. Ganz besonders die Spannungen und Diskussionen in der deutschen Sozialdemokratie mit ihren Lagern und den handelnden Personen sowie die Sozialistische Internationale sind an dieser Stelle zu nennen. Hier hätte man sich etwas mehr Einführung und kurze Erläuterungen gewünscht. Ansonsten ist die Biographie stilistisch gelungen, nicht geschwätzig und mit Schachtelsätzen überfrachtet, sie ist mit leichter Hand erzählt. Das Buch unterscheidet sich damit positiv von dem üblichen schwerfällig-professoralen Stil so mancher Historikerkollegen, denen es offensichtlich mehr um das Nicht-Verstehen und damit die eigene Unfehlbarkeit geht, als um die Verständlichkeit ihres Stoffes gegenüber dem Leser.
Was also ist die Essenz, die der Leser mitnehmen sollte, außer dem Ringen Rosa Luxemburgs mit den politischen Gegebenheiten ihrer Zeit? Vielleicht die Erkenntnis, daß diese Biographie kein angestaubtes Leben erzählt, sondern unter anderem auch Werte vermittelt, die es immer wieder neu zu entdecken und zu bewahren gilt: „Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei – mögen sie noch so zahlreich sein – ist keine Freiheit. Freiheit ist immer Freiheit des anders Denkenden. Nicht wegen des Fanatismus der ‚Gerechtigkeit‘, sondern weil all das Belebende, Heilsame und Reinigende der politischen Freiheit an diesem Wesen hängt und seine Wirkung versagt, wenn die ‚Freiheit‘ zum Privilegium wird“ (zitiert nach Rosa Luxemburg).