Cover des Buches Wenn Dich der Falsche richtig liebt (ISBN: 9783732247608)
juergenalberss avatar
Rezension zu Wenn Dich der Falsche richtig liebt von Annette Czerny

Ein gnadenlos schlechtes Buch

von juergenalbers vor 7 Jahren

Kurzmeinung: Gnadenlos schlecht. Voller Fehler, unlogisch, grauenhaft. Flach.

Rezension

juergenalberss avatar
juergenalbersvor 7 Jahren
Ich möchte zunächst klären, wie ich zu diesem Buch gekommen bin. Das ist mir wichtig aus zwei Gründen: 1. Weil man sich im Laufe der Rezension fragen könnte, wie ich auf so etwas nur hereinfallen konnte und 2. weil es ein ganz bestimmtes Licht auf die Verfasserin wirft. Der Hintergrund ergibt sich dann später.
Die Verfasserin sprach auf Twitter kürzlich mehrere befreundete Blogger*innen an. Auf ziemlich plumpe Weise wurden sie zum Folgen aufgefordert. So ein ungewöhnliches Verhalten von Autoren gegenüber Blogger*innen erzeugt Neugier. Und so besahen wir uns das Werk der "Autorin und freien Journalistin" (eigene Aussage auf der Autorenseite) einmal näher. Wir stellten fest, dass das vorliegende erste Buch bereits 2013 erschienen war, der Nachfolgeband 2015, also auch schon vor gut zwei Jahren. Wieso nun also diese verkrampfte Art, Werbung für die Bücher zu machen? Wir beschlossen der Sache auf den Grund zu gehen. Eine Leserunde wurde gegründet und los gings.
Bevor ich aber zum Buch selbst komme, noch eine Kleinigkeit. Ich bin selbst Schriftsteller (oder Autor, wem die Bezeichnung besser gefällt). Und ich habe bis heute Ehrfurcht vor diesem Wort. Ich selbst habe bis nach meinem dritten Buch gewartet, bevor ich die Bezeichnung Schriftsteller für mich reklamierte. Ich lese, seit ich denken kann und Bücher sind ein absolut wichtiger Teil meines Lebens. Bücher zu erschaffen erfüllt mich mit Ehrfurcht. Für mich - das ist bitte nur meine ganz persönliche Meinung - ist nicht jeder gleich Schriftsteller oder Autor, nur weil er/sie eine Menge Papier schwarz gemacht hat. Ein Mindestmaß an Arbeit, an Qual, an Sorgfalt und an Ehrfurcht vor dem Buch als solchem ist für mich unbedingte Bedingung, bevor man sich Schriftsteller nennen darf. Bei Annette Czerny habe ich nichts davon gespürt. Sie hat keinerlei Ehrfurcht, nicht einmal minimalen Respekt. Weder vor dem Buch noch vor dem Leser. Ich werde also von "der Verfasserin" sprechen.
Eine langatmige Inhaltsangabe zum Buch ist nicht nur überflüssig, sondern auch unmöglich, denn die Story ist so karg und trocken wie eine alte Scheibe Knäckebrot. Die deutsche PR-Agentin Alice arbeitet in Berlin. Wieso sie den schönen deutschen Nachnamen Smith trägt, verrät uns die Autorin nicht. Der Name ist wie Tschechows Gewehr: Er taucht auf, wir stutzen, aber die Bedeutung hierzu wird uns verwehrt.
Alice arbeitet also als PR-Agentin. Nicht als Schauspielerin. Es wird auch mit keinem Wort erwähnt, sie habe leidenschaftlich Schülertheater gespielt, mal zwei Semester am Lee-Strassberg-College studiert oder, oder...? Und trotzdem bekommt sie durch Umstände, die so hanebüchen sind, dass ich mich weigere, sie hier nachzuerzählen, eine Hauptrolle in "der angesagten" U.S.-Serie. Klar. Die muss angesagt sein. Extreme gefallen der Verfasserin, das werden wir gleich noch sehen. Von der unbekannten PR-Lady zur neuen US-Starschauspielerin peitscht uns Frau Czerny in knackigen 10 Seiten Großdruck. Sportlich. Begründungen, Hintergründe sind alles schnick-schnack, das braucht die Verfasserin alles nicht. Und keine 15 Seiten später steht unsere Alice im Ich-wunder-mich-Land an der 5th Av./Ecke 59th Straße in New York und bezieht ihr 90qm Appartement.
So... jetzt muss ich mal einen Einschub machen. Ich schreibe selbst, das hatte ich schon erwähnt. Aber ich bin auch ein ausgesprochener Pingel. Wohl durch meinen Hochschulhintergrund, in dem ich ständig wissenschaftliche Arbeiten auf Genauigkeit und Begründungen begutachten muss oder vielleicht auch durch Veranlagung - i don't know. Aber ich bin ein Pingel bei Fakten. Und da piekt es mich eben, wenn eine völlig unbekannte, unerfahrene Deutsche in New York an DEM Immobilien-Hotspot steht und locker einen Schlüssel aus der Tasche zieht. Nur für die Nicht-Insider. 5thAv/59th ist Frontlage zum Central Park. Und zwar zum teuersten Filetstück des Central-Parks: dem "Pond". Nach meinen Recherchen kostet eine nur halb so große Wohnung wie Alice sie bezieht aktuell ca. $3.800-4.000 kalt. Wohlgemerkt in den Nebenstraßen, nicht an der Frontline. An der 5th werden so gut wie keine Wohnungen mehr vermietet, höchstens vererbt. In den meisten Häusern müssen alle Mitmieter/Miteigentümer abstimmen, ob jemand überhaupt einziehen darf. Selbst Topstars wie Madonna oder Jack Nicholson können sich nicht einfach eine Bude an der 5th mieten. Die Variety und andere Klatschblätter sind voll mit spöttischen Geschichten um Stars, die wieder einmal abgeblitzt sind. Ein bißchen Recherche hätte da geholfen. Aber... ich sage Ihnen etwas: Das ist noch nicht einmal das, was mich am meisten stört daran, dass unsere Verfasserin meinte, nur die teuerste Gegend der gesamten Ostküste wäre für ihr Liesschen-Müller-aus-der-Provinz gerade gut genug! Nein. Was mich maßlos, aber wirklich maßlos ärgert ist das Verschenken einer wunderbaren erzählerischen Chance! Es springt einen doch geradezu an, die Option. Alice, die kleine Deutsche hätten viel besser in eine verschrobene Künstler-/Studentengegend ziehen können. Eine geradezu paradiesische Vielfalt an verschrobenen, lustigen, buckligen, liebenswerten, romantischen Figuren hätte man da aufmarschieren lassen können. Eine ideale Spielwiese für putzige, launige, traurige oder lustige Nebenhandlungen, ganz wie man sie als Erzähler gerade braucht. Aber nein. Frau Czerny möchte eine 5thAv.-Wohnung. Antiseptisch und ohne Flair. Genauso wie die ganze Geschichte. Bereits am Tag des Einzugs erscheint dann auch Protagonist Nr. 2: Neal Black. Der geradezu göttlich aussehende (gähn...) Hauptdarsteller der "angesagten" Serie. Leider schwul. So jedenfalls pfeifen es die Spatzen in NY von den Dächern. Um es gleich zu spoilern: Er ist hetero und hat sich nur aus Sorge um seine zarte Männerseele vor den Massen an Groupies verstellt. Jo. Geht ja auch so. Man(n) ist eben schwul. Kein Problem. Man trägt rosa Hemden und spreizt den kleinen Finger beim Teetrinken ab. Fertig ist das schwule Abziehbild. Ich will gar nicht mit Logik kommen und mich fragen, ob der arme Mann nach so vielen Jahren Frauenentzug keinen Tennisarm bekommen hat. Nein, was mich aufregt, ist das sexistische Schwulenbild, das hier aufgebaut wird. Man mag einwenden, er sei ja eben nicht schwul, aber darum geht es nicht. Es wird so getan von der Verfasserin, als wenn Schwulsein sich auf einen Farbgeschmack oder ähnliches reduzieren ließe. Das ist Sexismus. Wenn sexuelle Stereotype benutzt werden, noch dazu auf derart flache Weise, dann fördert das eben die eindimensionale Wahrnehmung der gesamten Gruppe. Das hätte man deutlich eleganter lösen können!
Die Story endet nach kärglichen 188 Großdruckseiten ebenso erwartungsgemäß wie langweilig. Neal lieb Alice, Alice liebt Neal, alles Tutti. Wieso erst Alice im Ich-heul-lieber-nochmal-Wunderland kommen musste, um Neal glücklich zu machen bleibt im Dunkel. Daraus, allein daraus, liebe Frau Czerny, hätte man eine Geschichte machen können! Wenn man denn erzählerisches Talent hätte. Wenn.
Fassen wir zusammen: Eine billig zusammen geschusterte flache Story, die vor Unlogik nur so strotzt. Miserabel erzählt, ohne Spannung, ohne Tiefe, ohne lebendige Figuren. Oh halt... bevor ich es vergesse: Das Buch strotzt nur so vor Rechtschreib- und Formfehlern. Die Kommasetzung ist so katastrophal, dass man phasenweise garnicht mehr lesen kann. Das Gehirn blockiert einfach. Absätze und Einschübe kennt die Verfasserin ebenso wenig. Groß- und Kleinschreibung ist Glückssache. Mein persönlicher Spitzenreiter ist eine Seite, in der ich 87 Rechtschreib- und Formfehler gezählt habe. Und dieses Machwerk hat mich sage und schreibe € 11,90 gekostet. Auch wenn die Preisgestaltung immer im Ermessen des Verfassers oder des Verlags liegt, aber dieser Preis ist wirklich dreist.
Nun bin ich fast am Ende und kehre an den Anfang zurück. Nämlich an den Punkt, an dem ich erklärt habe, wie ich zu diesem Buch kam. Das Buch in seiner jetzigen Fassung ist, wie oben gesagt, vier Jahre alt. Vier Jahre, in denen es die Verfasserin nicht für nötig hielt, ein Korrektorat und/oder Lektorat durchführen zu lassen. Oder, wenn ihre Tätigkeit als "freie Journalistin" nicht genug einbringt, dann wenigstens einen Germanistikstudenten drüber lesen zu lassen. Das allein hätte bereits 80% der Fehler beseitigt! Und daraus schließe ich, dass die Verfasserin nicht den geringsten Respekt vor ihren Lesern hat. Sie schädigt nicht nur die Leser, sondern mit ihrem Verhalten die gesamte Self-Publisher-Szene. Solche Bücher sind es, die dazu führen, dass Blogger*innen starke Zurückhaltung vor SP-Büchern hegen und allgemein in der Buchlandschaft so viele Vorbehalte bestehen.
Ich habe fertig.


Angehängte Bücher und Autor*innen einblenden (2)

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks