Rezension zu "Frühe Täuschungen" von Annette Wenner
Sie traut sich was, die Autorin, und verlangt uns so Einiges ab - doch mit Vergnügen folgen wir ihrer Spurensuche ins Tessin, zur Großmutter, in ihre Kindheit.
Das Vergnügen jedoch bedarf, um ausgekostet zu werden, der Anstrengung, denn von Beginn an wirkt eine Sprache, die sich dem schnellen Konsum verweigert, so ausgefeilt, so dicht, so angereichert mit Metaphern, kurz so anspruchsvoll ist sie ausgefallen - auch wenn vereinzelte Formulierungen leicht sperrig bzw. manieriert wirken. Sobald der Leser einen Zugang gefunden hat in dieses kleine sprachliche Kunstwerk, folgt er der Erzählerin bereitwillig zu den evozierten Momenten und Bildern, deren Gewissheiten immer wieder hinterfragt werden. Dies erreicht die Autorin durch häufigere Wechsel der Ezählpespektive und vor allem durch das Mittel der erlebten Rede, welches ihr ermöglicht, sich dem Widerspruch von Zweifel und Gewissheit hinzugeben. Ein hohes Maß an Sensibilität für nachempfundene Gemütszustände kommt ebenso zum Ausdruck wie die Gabe der mikrospopisch-genauen Beobachtung, mit der die Erzählerin Menschen und Natur ausdrucksmächtig sozusagen wiederbelebt.
So ist dieses schmale Erzählbändchen nicht nur inhaltlich und sprachlich ein Kleinod, sondern auch die Gestaltung genügt bibliophilenAnsprüchen!
Empfehlenswert!