Manchmal zieht man in eine Wohnung ein – und bekommt gratis gleich noch die Gesellschaftsstudie des Jahres mitgeliefert. So ungefähr fühlt sich „Die da oben“ an. Drei Frauen, ein Haus, eine Handvoll Ideale und jede Menge unterschwellige Explosionen zwischen Türrahmen und Teekocher. Tess und Moyra wollen einfach nur lieben, leben und nähen – und zack, stehen sie zwischen Verschwörungsdenken, Klassenschmerz und Altbaupolitik.
Was Oelze hier macht, ist ziemlich clever. Er nimmt ein ganz normales Mietshaus in Leipzig, dreht es einmal auf links und zeigt, wie unterschiedlich Menschen auf Druck reagieren. Die alten Mieter, die sich vom System verraten fühlen, treffen auf junge Idealistinnen, die es gut meinen – bis die Realität ihnen die Nähmaschine aus der Hand reißt. Das Ganze liest sich streckenweise wie eine WG-Diskussion auf Speed: mal klug, mal schräg, manchmal einfach nur zum Augenrollen – aber nie langweilig.
Oelze hat ein Händchen für Dialoge, die gleichzeitig wehtun und schmunzeln lassen. Und obwohl ich zwischendurch gern mal in den Seiten geschrien hätte „Jetzt redet doch einfach miteinander!“, liegt genau darin der Reiz. Die Figuren sind so echt, dass man sie am liebsten auf einen Kaffee einladen – oder höflich rausschmeißen – würde.
Ein bisschen mehr Tempo hätte dem Mittelteil gutgetan, aber das emotionale Finale fängt vieles wieder ein. „Die da oben“ ist kein Wohlfühlroman, sondern ein leiser, schlauer Realitätscheck über Nachbarschaft, Überzeugungen und die wackelige Kunst, Mensch zu bleiben. Vier Sterne, weil’s weh tut, nachklingt – und weil ich das Gefühl habe, mein eigenes Treppenhaus jetzt ein bisschen anders sehe.











