Cover des Buches Der dritte Weg (ISBN: 9783518410448)
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Rezension zu Der dritte Weg von Anthony Giddens

Rezension zu "Der dritte Weg" von Anthony Giddens

von alanshore vor 16 Jahren

Rezension

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alanshorevor 16 Jahren
Der Soziologe Anthony Giddens ist der wohl ,,agilste konzeptive Ideologe" des ,,Dritten Weges" englischer Prägung. Vor allem in seinem 1998 erschienenen Werk ,,Der dritte Weg. Die Erneuerung der sozialen Demokratie." versucht Giddens ein theoretisches Fundament der Politik von New Labour aufzuzeigen und dieses gleichzeitig als Grundlage für eine erneuerte europäische Sozialdemokratie zu empfehlen. Giddens fordert darin ein Ende der alten Sozialdemokratie, die davon ausging, daß die negativen Erscheinungen der freien Marktwirtschaft durch Eingriff in den Markt gemildert oder überwunden werden könnten. Als Gründe für eine Umorientierung führt er imnsbesondere das Scheitern des Realsozialismus, die Globalisierung, und eine nicht zuletzt durch die sozialdemokratische Politik der Chancengleichheit selbst verursachte stärkere Individualisierung und Orientierung an postmaterialistischen Werten an. Dabei weist er übrigens darauf hin, daß Teile dieser neuen gesellschaftlichen Herausforderungen bereits länger Einzug in sozialdemokratische Programmatik gefunden hätten und hebt ausdrücklich die Bedeutung des Godesberger und Berliner Grundsatzprogramms der SPD hervor, das erstere wegen seiner Abkehr vom Staatssozialismus, das letztere wegen der Öffnung hin zu postmaterialistischen Wertvorstellungen, so im Zusammenhang mit dem ökologischen Umbau. Insgesamt kann gesagt werden, daß Giddens sich wesentlich stärker bemüht, sich von neoliberalen Politikentwürfen abzugrenzen, als dies zumindest die in den Medien geführte Debatte um den ,,Dritten Weg" erwarten läßt. So betont er gerade im Zusammenhang mit dem Sozialstaat immer wieder, es gehe ihm nicht um ein Postulat der Ungleichheit im Sinne einer elitären Meritokratie, auch gehe es ihm nicht um eine Senkung der Sozialausgaben, sondern vielmehr um ihren zielgerichteteren Einsatz, und er hebt auch häufig den Vorbildcharakter des deutschen Sozialstaats, z.B. in Bezug auf die Bedeutung von gemeinnützigen Organisationen, hervor. Gerade sein begriff der positiven Wohlfahrt scheint eher an Kommunitaristische wie das des amerikanischen Philosophen Amitai Etzioni21, denn an neoliberale Konzepte angelehnt. Offen bleibt allerdings bei vielen von Giddens´ Positionen die Diskrepanz zwischen philosophischem Postulat und konkreter politischer Verifizierbarkeit. All zu häufig werden moralische Ansprüche erhoben, aber wenig darüber gesagt, wie diese über ihren appellatorischen Charakter hinaus zur Leitlinie politischen Handelns werden können. Dies gilt insbesondere dort, wo von der Verantwortung der Unternehmer die Rede ist, während die Ausführungen in Bezug auf den Sozialstaat relativ konkret sind. Insofern muß die Frage offen bleiben, welche Funktion die Giddensschen Ausführungen für die Politik von New Labour haben: Ein philosophisches Grundgerüst, an dem sich die Politik des Dritten Weges orientiert oder eher ein legitimatorisches Fundament für eine pragmatische Regierungspolitik.
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