Anthony Levi

 2,5 Sterne bei 2 Bewertungen

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Cover des Buches Louis XIV (ISBN: 9781841194257)

Louis XIV

(1)
Erschienen am 26.02.2004

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Cover des Buches Louis XIV (ISBN: 9781841194257)
A

Rezension zu "Louis XIV" von Anthony Levi

Andreas_Oberender
Ein Buch, das besser nicht veröffentlicht worden wäre

Anthony Levi (1929-2004) war ein britischer Theologe und Literaturwissenschaftler, ein Experte für die französische Literatur des 17. Jahrhunderts. Gegen Ende seines Lebens unternahm Levi zwei Ausflüge in die Gefilde der historischen Biographik. Im Jahr 2000 veröffentlichte er eine Biographie über Kardinal Richelieu und im Jahr seines Todes eine Biographie über Ludwig XIV. Beide Bücher weisen erhebliche Schwächen auf und sind keine ernst zu nehmenden Beiträge zur biographischen Literatur über den Kardinal und den Sonnenkönig. Das Buch über Ludwig XIV. ist, so hart dieses Urteil auch klingt, komplett misslungen. Als Historiker kann man sich nur wundern, dass Levi das Manuskript bei einem angesehenen Verlag unterzubringen vermochte. Die Biographie geht von der Annahme aus, nicht Ludwig XIII. sei der Vater Ludwigs XIV. gewesen, sondern Kardinal Mazarin, Richelieus Nachfolger im Amt des Ersten Ministers. Das enge, vertraute Verhältnis zwischen Mazarin und Königin Anna, der Mutter Ludwigs XIV., bietet seit Jahrhunderten Anlass zu schlüpfrigen Spekulationen. Die These von der Vaterschaft Mazarins beruht auf einer einzigen Quelle, die allerdings nicht im Original vorliegt, sondern nur als spätere Abschrift. Levi verweist auf einen Brief, den Mazarin im September 1637 in Paris geschrieben haben soll. Der gebürtige Italiener stand zu diesem Zeitpunkt noch in päpstlichen Diensten und lebte noch nicht dauerhaft in Frankreich. Ludwig XIV. wurde am 5. September 1638 geboren. Die Empfängnis muss also Ende November, Anfang Dezember 1637 erfolgt sein. Der von Levi zitierte Brief ist daher kein überzeugender Beleg für Mazarins Vaterschaft. Quellen, die Mazarins Anwesenheit in Paris und am Hof im November und Dezember 1637 belegen könnten, gibt es offensichtlich nicht. Levis "Beweisführung" ist hanebüchen. Es kommt aber noch schlimmer: Levi ist überzeugt, Ludwig XIV. habe gewusst, dass Mazarin sein Vater sei. Dieses Wissen sei die Ursache für eine tiefe Unsicherheit gewesen, die den Sonnenkönig zeitlebens geplagt habe. Ludwig sei klar gewesen, dass ihm der Thron eigentlich nicht zustand. Er sei verletzlich und angsterfüllt gewesen, es habe ihm an Selbstbewusstsein gefehlt, er habe sich in Liebesaffären gestürzt und Kriege vom Zaun gebrochen, um seine emotionale Unsicherheit und seine Schuldgefühle zu lindern. Man reibt sich verwundert die Augen, wenn man das liest. Wie kann es sein, dass vor Levi kein anderer Autor die vermeintlichen Seelenqualen des Sonnenkönigs erkannt hat? Die Antwort ist einfach: Weil es keine Belege gibt, keine Selbstzeugnisse des Monarchen und keine Aussagen von nahestehenden Personen, die eine Diagnose ermöglichen, wie sie Levi stellt. Die amateurpsychologischen Phantastereien des Verfassers sind das zweite große Ärgernis des Buches.

Auch ohne die beiden abwegigen Thesen wäre die Biographie weitgehend unbrauchbar. Es wird nicht klar, an welchen Leserkreis sich das Buch richtet. Levi hat nur wenige Quellen herangezogen, etwa die Memoiren der Madame de Motteville und des Kardinals Retz oder die Briefe der Madame de Sévigné und der Liselotte von der Pfalz. Selbst von diesen wenigen Quellen macht Levi nur selten Gebrauch. Was die Sekundärliteratur betrifft, so stützt er sich im Wesentlichen auf die Biographien Ludwigs XIV. von Nancy Mitford (1966), John Wolf (1968), François Bluche (1986) und Ian Dunlop (1999). Die Bücher von Mitford und Dunlop können schwerlich als bedeutende Standardwerke gelten. Auffälligerweise hat Levi die Ludwig-Biographie von Jean-Christian Petitfils (1995) nicht benutzt, obwohl diesem Werk der Vorzug gegenüber der umstrittenen Biographie von Bluche zu geben ist. Levis Buch bietet keinerlei Lesegenuss. Immer wieder tauchen Personen auf, die Levi nicht angemessen vorstellt und einführt. Die Exkurse zur Geistes-, Kultur- und Religionsgeschichte Frankreichs im 17. Jahrhundert sind für Leser mit geringen Vorkenntnissen nahezu unverständlich. Das gilt besonders für die Passagen über den Jansenismus. Levis theologische und literaturhistorische Spezialkenntnisse sind eher ein Handicap als eine Stärke. Was die Herrschaft Ludwigs XIV. angeht, so wartet Levi nicht mit originellen oder überraschenden Einsichten auf. Angesichts der schmalen Quellen- und Literaturgrundlage des Buches ist das nicht verwunderlich. Hier und da haben sich peinliche Fehler in den Text eingeschlichen, die ein aufmerksamer Lektor hätte bemerken und beheben müssen: Die erste Gemahlin Kaiser Leopolds I. war nicht jene Prinzessin Margarete von Savoyen, die zeitweise als Braut für Ludwig XIV. im Gespräch war, sondern die Infantin Margarete Theresia von Spanien (S. 160, 162). Louise de La Vallière, Ludwigs erste offizielle Mätresse, war unverheiratet. Sie hatte keinen Ehemann, dem sie ihre Mitgift überließ, als sie 1674 ins Kloster ging (S. 165). Der folgende Satz über Herkunft und Eltern der Madame de Maintenon, Ludwigs zweiter Gemahlin, ergibt überhaupt keinen Sinn: "In 1652, he [= der Dichter Paul Scarron] married Françoise d’Aubigné, daughter of the prison governor of Niort jail, who had been seduced by the impoverished son of the poet Agrippa d’Aubigné" (S. 177). Nicht Françoise d’Aubigné, die spätere Madame de Maintenon, war Tochter eines Gefängnisleiters, sondern ihre Mutter Jeanne de Cardilhac. Im Übrigen leitete Jeanne de Cardilhacs Vater nicht das Gefängnis von Niort, sondern das von Bordeaux (das ist keine Bagatelle – die beiden Städte sind rund 150 km voneinander entfernt). Marschall Vauban (gest. 1707) wurde 1705 in den Orden vom Heiligen Geist aufgenommen, nicht 1708 (S. 263). Die Stammtafel am Anfang des Buches weist viele Fehler auf, bis hin zur falschen Zuordnung von Ehepartnern: Ludwigs uneheliche Tochter Maria Anna (1666-1739) heiratete Ludwig Armand von Bourbon-Conti (1661-1685), nicht dessen jüngeren Bruder Franz Ludwig (1664-1709).

Der Constable-Verlag hat Anthony Levi einen Bärendienst erwiesen, als er das Manuskript annahm und ohne gründliches Lektorat veröffentlichte. Als Literaturhistoriker mag sich Levi Verdienste erworben haben, als Biograph des Sonnenkönigs hat er jedoch versagt. 

(Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im Juni 2018 auf Amazon gepostet)

Cover des Buches Cardinal Richelieu: And the Making of France (ISBN: 9780786707782)
A

Rezension zu "Cardinal Richelieu: And the Making of France" von Anthony Levi

Andreas_Oberender
Kardinal Richelieu - der Schöpfer des modernen französischen Nationalstaates?

Während deutsche Leser Mühe haben, eine (gute) Biographie des Kardinals Richelieu in deutscher Sprache zu finden, können britische und amerikanische Leser zwischen mehreren englischsprachigen Richelieu-Biographien neueren Datums wählen. Nicht immer sind es Historiker, die sich mit dem berühmten Kardinal beschäftigen. Anthony Levi (1929-2004), der Verfasser des vorliegenden Buches, war Romanist und Literaturwissenschaftler, ein Experte für die französische Literatur des 17. Jahrhunderts. Geboren in einer jüdischen Familie, konvertierte Levi zum Katholizismus. Er empfing die Priesterweihe und trat dem Jesuiten-Orden bei, verließ aber später den geistlichen Stand, um zu heiraten. Mit seinen theologischen und literaturwissenschaftlichen Spezialkenntnissen hebt er sich von anderen Richelieu-Biographen ab. In der Einleitung seiner Biographie formuliert Levi die Absicht, Richelieus Leben und Karriere stärker als andere Autoren kulturgeschichtlich zu kontextualisieren. Er will zeigen, wie der Mensch, Kirchenfürst und Minister Richelieu vom kulturellen Leben des frühen 17. Jahrhunderts und von den spirituellen und theologischen Strömungen der französischen Gegenreformation beeinflusst und geprägt wurde.

Wie sich im Laufe der Lektüre zeigt, bleibt das Buch deutlich hinter den Erwartungen zurück, die Levi in der Einleitung weckt. Die Biographie unterscheidet sich kaum von anderen, konventionellen Richelieu-Biographien. Zuverlässig vermittelt Levi alle wichtigen Informationen zu Richelieus Lebensweg und politischer Tätigkeit als Erster Minister Ludwigs XIII. Kompetent behandelt er alle Themen, die in einer Richelieu-Biographie vorkommen müssen: Familiärer Hintergrund und Aufstieg an die Regierungsspitze, das Verhältnis zum König, Kampf um den Machterhalt im Angesicht von Intrigen und Verschwörungen, innen- und außenpolitische Probleme und Herausforderungen. Der Text wirkt spröde, da Levi darauf verzichtet hat, die Darstellung durch Quellenzitate aufzulockern. Die historischen Akteure kommen nur ganz selten zu Wort. Die in der Einleitung angekündigte kulturgeschichtliche Kontextualisierung wird nur ansatzweise verwirklicht. Über den Christen, politischen Denker und Autor Richelieu sagt Levi nicht mehr als andere Biographen vor ihm. Ein aussagekräftiges intellektuelles Profil des Kardinals, das politisch-philosophischen und religiös-theologischen Aspekten gleichermaßen gerecht wird, zeichnet Levi nicht. Richelieus religiöse Schriften, aber auch seine Memoiren und sein "Politisches Testament" werden nirgends eingehend analysiert. Auch das Mäzenatentum und die Kulturpolitik des Kardinals werden nicht tiefgründig behandelt. Über weite Strecken wirkt die Biographie unausgegoren, so als habe Levi die Kraft oder der Wille gefehlt, das in der Einleitung formulierte Ziel konsequent zu verwirklichen.

Was Richelieus historische Leistungen angeht, so hält Levi an älteren Klischees und Gemeinplätzen fest, die von der Geschichtswissenschaft längst revidiert wurden. Levi widmet den programmatischen Äußerungen und Absichtserklärungen des Kardinals mehr Aufmerksamkeit als den tatsächlichen Ergebnissen der von Richelieu betriebenen Innen- und Außenpolitik. Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit, Zielen und Resultaten wird ausgeblendet. Levi überschätzt Richelieus Handlungs- und Gestaltungsspielraum erheblich. Er operiert mit Begriffen, die für das Frankreich des 17. Jahrhunderts anachronistisch sind. Es ist die Rede davon, Richelieu habe die "Verwaltung zentralisiert", Frankreich "politisch und administrativ geeint", eine "französische Nationalidentität gestiftet" und "die Grundlagen für den kulturellen Absolutismus unter Ludwig XIV. gelegt". Alle diese Behauptungen gehen weit an der historischen Wirklichkeit vorbei. Man reibt sich verwundert die Augen, wenn man liest, Richelieu habe einen "Nationalstaat" (nation state, S. 202) geschaffen. Der Kardinal erscheint bei Levi als genialer, visionärer Demiurg, der Frankreich kraft seines eisernen Willens und im Alleingang in die Moderne katapultierte. Das alles ist umso unglaubwürdiger, als Levi selbst anschaulich schildert, womit Richelieu im politischen Alltagsgeschäft tatsächlich beschäftigt war: Er musste darum kämpfen, sich Gunst und Vertrauen des Königs zu bewahren; er musste sich gegen Intrigen und Verschwörungen behaupten; er musste (ab 1635) einen Krieg an mehreren Fronten koordinieren. Der Kardinal war unaufhörlich damit beschäftigt, innen- und außenpolitische Krisen und Probleme zu lösen. Eine Reform- und Modernisierungspolitik war unter solchen Umständen unmöglich.

Anthony Levis Richelieu-Biographie ist nicht empfehlenswert. Was die Vermittlung von Fakten zu Richelieus Leben und politischer Tätigkeit angeht, so ist das Buch durchaus brauchbar. Die Defizite liegen in der Interpretation der achtzehnjährigen Ministerschaft des Kardinals (1624-1642). Kein vormodernes Königreich hat sich innerhalb von knapp zwei Jahrzehnten in einen Nationalstaat verwandelt, schon gar nicht durch die Anstrengungen eines einzelnen Mannes. 

(Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im März 2016 auf Amazon gepostet)

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