Leider ist dieses Buch kein Spitzentitel für mich. Die Geschichte eines Erfolgsautors, der sein neues Manuskript an seinen Verlag schickt, der über Nacht von einem Konsortium geschluckt wird, dass sämtliche Kulturerzeugnisse auf Massenkompatibilität trimmen will, bot mir bis zur letzten Seite zu wenig Überraschungen. Ein bisschen kafkaesk, ein bisschen Orwellsches 1984, ein bisschen Abgesang auf die Zukunft des Buchhandels und die Freiheit der Kunst in Zeiten des Kommerz‘ – viel mehr ist das als „messerscharfe und urkomische Persiflage“ angekündigte Büchlein meiner Meinung nach nicht. Und daher auch keine Empfehlung, obwohl der Text auf dem Buchdecken wirklich Lust darauf gemacht hat: „Tolstois »Krieg und Frieden« ist überarbeitet worden. Es heißt jetzt nur noch »Frieden«. Der Krieg musste weg. Er hat die Leute beunruhigt. In der Welt unserer Leser gibt es nur Liebe, Zuversicht und Gleichklang. Gewöhnt Euch daran! Denn jetzt nehmen wir uns »Anna Karenina« vor …“
Antje Peters
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Spitzentitel
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Rezension zu "Spitzentitel" von Antonio Manzini
Bücher über Bücher lassen das Herz jedes Bibliophilen höherschlagen. In diesem Buch geht es allerdings weniger um Bücher an sich, als um Autoren und das Verlagswesen und die Fallstricke und Tücken der Modernisierung. Und das alles wird im Rahmen einer satirischen Kurzgeschichte erzählt. Ist das Bild, welches der Autor zeichnet, realistisch oder hanebüchene Fantasie? Bewegen wir uns noch in einer Satire oder bereits in der Realität?
Der Leser lernt zunächst den Schriftsteller Giorgio Volpe kennen. Dieser hat sein neuestes Buch beendet und es könnte der nächste Bestseller werden. Das Ganze soll schnell unter Dach und Fach gebracht werden. Aber dann kommt alles anders als gedacht und nicht nur der Leser, sondern auch Giorgio fühlen sich wie in einem Science Fiction-Roman gefangen. Es gibt viele Stellen, die so überspitzt sind, dass man nicht sicher ist, ob es ernst gemeint sein kann. Die Satire gelingt ausgezeichnet, dennoch bleibt einem immer wieder das Lachen im Halse stecken und wird eher zu einem Magenziehen. So amüsant die Lektüre sein mag, so unbehaglich fühlt man sich gleichzeitig. Es kommt sofort Mitgefühl für Giorgio auf, der den Albtraum eines jeden Autors durchleben muss. Das Buch lässt einem auf den achtzig Seiten keine Atempause, sondern gestaltet sich als eine intensive Lesereise. Das Ende ist recht überraschend, aber passend.
Giorgio ist eigentlich kein sympathischer Protagonist. Er ist der typische egozentrische Autor, an den man klischeehafterweise sofort denken muss. Dennoch fällt es nicht schwer, sich mit ihm zu identifizieren, gerade wenn man selbst ein Autor ist. Denn Giorgios Charakter ist nicht der Kern der Geschichte, vielmehr ist es die Handlung, die Ereignisse, mit denen er konfrontiert wird. Und dahingehend kann man gar nicht anders als mit ihm mitfühlen.
Manzinis Schreibstil liest sich leicht und beschwingt. Man braucht ein wenig, um in die Geschichte hineinzufinden, aber durch die geradlinige Handlung ist das kein Problem. Gerade der satirische Humor kommt gut rüber und obwohl man sich ständig denkt, jetzt wäre es zu viel, passt es wie die Faust aufs Auge.
Spitzentitel ist mir völlig überraschend in der Stadtbibliothek ins Auge gestochen. Und genauso überraschend hat mich die Geschichte gut unterhalten. An manchen Stellen wurde es mir zwar fast zu absurd, aber das ist auch irgendwie der Bestandteil und Sinn des Buches. Gleichzeitig muss man ganz schön schlucken, wenn man die Parallelen zum aktuellen Buchmarkt entdeckt. Natürlich ist Spitzentitel keine gehaltlose Unterhaltungslektüre, sondern sollte als Satire gelesen und verstanden werden, aber auf beiden Ebenen weiß die Geschichte kurzweilig zu unterhalten.
Fazit:
Spitzentitel ist kein Roman über Bücher, sondern über Autoren und das Verlagswesen. Die Satire hat einen rasanten, ereignisreichen Plot und schafft es, die durchaus klischeehaften Charaktere darin gut zu verpacken. Der Unterhaltungsfaktor ist groß, aber besonders bleibt das Buch wegen seiner beängstigenden Visionen im Gedächtnis.
Inhalt: 4/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 4/5
Schreibstil: 4/5
Rezension zu "Spitzentitel" von Antonio Manzini
Darum geht's:
Es ist 23:30 Uhr an einem Oktoberabend, als der berühmte Schriftsteller Giorgio Volpe seinen neuen Roman abschließt. Am folgenden Morgen ruft er gutgelaunt im Verlag an, um die frohe Botschaft zu verkünden.
Dort aber ist nichts mehr wie zuvor: Der Verlag wurde von einem Großkonzern geschluckt, nun haben windige Investoren das Sagen. Statt der vertrauten Stimme seiner Lektorin hört Volpe einen Anrufbeantworter in sechs Sprachen, und wenig später stehen zwei dubiose Typen vor der Tür, die sein Buch publikumstauglich umschreiben wollen. Doch damit fängt das Unheil erst an ...
Meine Meinung:
Viel zu rund läuft es in Giorgio Volpes Leben. Gerade hat er seinen neuen 800-Seiten-Roman, der laut seiner vertrauten Lektorin ein Meisterwerk ist, fertiggestellt. Irgendwie scheint alles wie am Schnürchen zu laufen, sodass man fast schon meinen könnte, es ist langweilig. Dass bald mal was passieren muss, war klar, denn diese Idylle war für mich beinahe nicht mehr zu ertragen.
Natürlich wird man diesbezüglich von Manzini nicht enttäuscht. Man merkt schon bald: es tun sich Probleme auf. Gewaltige Probleme, mit denen Volpe da zu kämpfen hat. Es geschehen Dinge, die fast schon absurd komisch sind – nicht nur für den Protagonisten, auch für mich als Leserin waren die Geschehnisse echt aberwitzig. Man denkt, man ist im falschen Film, so ominös kommt die Handlung schon bald daher. Grund dafür ist der neue Großkonzern "Sigma", der Volpes alten Verlag "Gozzi" übernommen hat und nun zwei eigenartige Typen zu Volpe schickt, die es tatsächlich wagen wollen, sein Meisterwerk Korrektur zu lesen, sprich umzuschreiben – einfach, weil sie der Ansicht sind, dass Negatives in Büchern nichts mehr zu suchen hat und die Sprache an das Verständnis der Leser angepasst werden müsse. Schließlich haben sie das auch bei Krieg und Frieden so gemacht. Das heißt jetzt nämlich nur mehr Frieden, ohne Krieg. Denn Negatives wollen die Leute ja nicht mehr lesen, das ist zu verstörend. Mit diesem Argument und mit ihrem neuen Konzept, die Bücher in "heimischer Mundart" umzuschreiben, wollten sie sich ans Werk machen. Dass Volpe da komplett dagegen war und gefragt hat, ob das hier alles ein Scherz sein soll oder die beiden einfach nur völlig übergeschnappt sind, konnte ich absolut nachvollziehen!
Das muss doch ein Albtraum für jeden Schriftsteller sein, nicht? Damit zerstört man die Träume von Autoren. Ein Buch, in das man all sein Herzblut gesteckt hat und an dem man vielleicht 2,5 Jahre geschrieben hat, soll nun einfach so komplett überarbeitet werden, sodass am Ende eine ganz andere Geschichte herauskommt? Ich würde sogar soweit gehen und sagen: damit bricht man einen Schriftsteller. Wie Volpes Frau Bianca das irgendwann auch mal so schön passend ausgedrückt hat: »Das, was Giorgio da passiert, klingt wie aus einem Science-Fiction-Roman.«
Das Schöne an diesem Roman, der auf mich durch seine nur 77 Seiten wie eine etwas längere Kurzgeschichte gewirkt hat, ist, dass überhaupt keine Langeweile aufkommt. Am Anfang, als alles so rund lief, hat sich dennoch schon irgendwie Spannung aufgebaut, weil ich wusste, dass es nicht mehr lange dauern kann, bis Volpe mit den ersten Komplikationen konfrontiert wird. Und ab dann war es durchgehend amüsant und fesselnd, sodass ich es gleich in einem Rutsch durchgelesen habe.
Ich wollte eben unbedingt wissen, ob und wenn ja, wie Volpe einen Weg aus dem Schlamassel findet. Ein gewisses Mitgefühl mit dem gedemütigten Protagonisten, der erst ziemlich großkotzig tut, war bei mir, als es Richtung Ende ging, nicht mehr zu verleugnen.
Spitzentitel, das ich als durchaus launig und äußerst unterhaltsam beschreiben würde, bietet vor allem am Schluss eine gewisse Tragik und lässt den Leser nachdenklich zurück.