Cover des Buches Geschwärzt (ISBN: 9783802595349)
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Rezension zu Geschwärzt von Antonia Fennek

Solide mit Schwächen

von WolfgangHaupt vor 8 Jahren

Kurzmeinung: Solider Krimi mit leichten Schwächen

Rezension

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WolfgangHauptvor 8 Jahren

Vorsicht, Spoiler!

Krankenhaus, forensische Psychiatrie. Grundsätzlich ein spannender Schauplatz, der gut erklärt wird. Hätte ich das Nachwort nicht gelesen, hätte ich Mängel erkannt.

Die Praktikantin Anabel, Tochter einer dort tätigen Psychiaterin, macht ein Praktikum, um sich ein Bild von dort zu machen. So weit, so gut. Sie darf sich ohne Aufsicht bewegen ... eher nicht. Jemand Fachfremden eine derartige Freiheit zu gönnen erscheint mir weder vernünftig noch gesetzeskonform. Auch dass sie dieselben Schlüssel bekommt wie die reguläre Pflegemannschaft erzeugte ein nicht zu stillendes Unwohlsein. Da erkennt man anfänglich ein Plotelement, das später zum Tragen kommen soll. Und da offenbart sich eine Schwäche des Buchs. Die Mechanik ist offensichtlich, ich habe nur gewartet, dass die Schlüssel zum Einsatz kommen. Ein ähnlicher Fall: Der Peilsender des sudanesischen Agenten. Das ist so klar, dass es Spannung wegnimmt. Hätte ihm Kashka einen anderen Grund genannt, zum Beispiel ihn als Agenten erkennbar zu machen, um ihn im Zweifelsfall orten zu können, hätte das eine andere Dynamik ins Spiel, wenngleich der erfahrene Leser das möglicherweise erkannt hätte. Zudem hätte Bräuning im Schmerz gestehen können. Er ist, was das betrifft, ein Laie, nie zuvor gefoltert worden, reagiert trotzdem kühl. Das bringt ihm Sympathie. Aber wer jemals einen gebrochenen Arm verdreht bekam, der weiß, dass klare Gedanken in dieser Situation schwer sind. Vor allem weil Bräuning zuvor als sensibler Mensch dargestellt wird. Da waren einige Stellen, die mir einfach zu offensichtlich waren. Zudem ein paar plakative Szenen, die Schmonzette zwischen ihm und Anabel, die sich subtil ankündigt und im Hollywoodstil beinahe ihr Ende findet.
Im Vergleich dazu gibt es wieder Dinge, die ich für intelligent
gelöst halte. Das Zusammenspiel von Kashka und Anabel bei Dahmer, obwohl ich es für riskant halte, arabisch zu sprechen, weil ein solches Kaliber an Makler das vielleicht selbst beherrscht.
Natürlich ist das jammern auf hohem Niveau, denn die Geschichte
passt, ist stimmig und schwer auseinanderzunehmen. Am stärksten
fand ich den Anfang und das Ende, in der Mitte hat es, wie so viele
Bücher dieser Länge einfach ein Loch. Das wird meist mit
Belanglosigkeiten wie Teekochen oder Kaffetrinken gefüllt. Da hätte
ich mir den Rotstift gewünscht, weil es lange auf der Stelle tritt. Dann
zieht es wieder an, da wollte ich nicht zu Lesen aufhören. Ein gutes
Finale, auch wenn man schon weiß, wie es endet.
Kein Überraschungsmoment. Nicht zuletzt, weil sich das Tempo
gegen Ende nur wenig ändert. Da steht man in einer Kanzlei, wo sich
die entführten Kinder und der aufhalten, wo es um Leib und Leben
geht, und man reißt Witze, kichert, grinst, etc.
Da fehlt mir die Ernsthaftigkeit der Sprache, beziehungsweise
schafft sie eine unnötige Distanz, das sie die Ereignisse relativiert.
Zu den Charakteren: So richtig mitgefiebert habe ich mit keinem,
dafür sind mir alle ein wenig zu glatt, zu vorhersehbar, auch wenn sie
eine Vorgeschichte haben, die man auch klar spürt. Das liegt aber
weniger an der Qualität des Buches als an meinen Vorlieben für
Zerrissene. Sie dümpeln alle ein wenig dahin, werden mehr von
Ereignissen gelenkt als von ihrer Motivation. Da hatte ich auch mit
Anabel und ihrer mutmaßlichen Schwärmerei für Peter meine
Probleme. Anfänglich ist sie idealistisch geprägt, das verliert sich
später in ihrem mädchenhaften Verhalten. Da kommt es kaum zu
Konflikten zwischen ihr und der Mutter, das wird im Nachhinein geklärt. Das wiederum hat mir Spannung herausgenommen. Ein bisschen zu viel Friede, Freude, Eierkuchen. Zumindest zwischen den "Guten". Deshalb habe ich auch nicht an Peters Unschuld gezweifelt. Weil die Grenze zwischen den Charakteren recht klar gezogen ist. Claudia zum Beispiel ist zutiefst unsympathisch, ein Charakter, der sich noch offenbart. Dass sie mit von der Partie ist, ist klar, da wird es dem Leser einfach gemacht, sie nicht zu mögen, beziehungsweise ihren kometenhaften Aufstieg zum Oberbösewicht nachzuvollziehen.
Dieselbe Hintertür gilt für Bräuning, wenn man seine fragliche Kinderschänderei außer Betracht lässt. Hätte er das nicht, gehörte er unverkennbar zu den "Guten". Das lässt die Charaktere wiederum farblos erscheinen, wenngleich sie so offensichtliche Sympathieträger sind. Ich habe eben lieber einen, der schwer zu mögen, aber interessant ist.
Retrospektiv ein solider Krimi, aber kein Toptitel, dafür habe ich zu wenig mitgefiebert.
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