Antonio Ortuño

 3,9 Sterne bei 18 Bewertungen
Autor*in von Die Verbrannten, Madrid, Mexiko und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Antonio Ortuño wurde 1976 in Guadalajara geboren. Sein Debütroman wurde von der Zeitung Reforma zum besten mexikanischen Roman 2006 gewählt, 2010 kürte ihn das Magazin Granta zu einem der besten jungen spanischsprachigen Autoren der Gegenwart. Auf Deutsch erschienen bei Kunstmann Die Verbrannten (2015) und Madrid, Mexiko (2017). Der Autor ist 2018/2019 Stipendiat des DAAD in Berlin.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Antonio Ortuño

Cover des Buches Die Verbrannten (ISBN: 9783956140556)

Die Verbrannten

 (9)
Erschienen am 09.09.2015
Cover des Buches Madrid, Mexiko (ISBN: 9783956141652)

Madrid, Mexiko

 (6)
Erschienen am 08.03.2017
Cover des Buches Die Verschwundenen (ISBN: 9783956142857)

Die Verschwundenen

 (3)
Erschienen am 06.03.2019

Neue Rezensionen zu Antonio Ortuño

Cover des Buches Die Verbrannten (ISBN: 9783956140556)
Josseles avatar

Rezension zu "Die Verbrannten" von Antonio Ortuño

Brutal, bedrückend, aufwühlend und dennoch teilweise verschenkt!
Josselevor 3 Jahren

Antonio Ortuño Sahagún, so der vollständige Name ist ein mexikanischer Schriftsteller. Der vorliegende Roman aus dem Jahr 2013 erschien im Verlag Antje Kunstmann 2015 erstmals auf Deutsch.

Auf ein Durchgangslager für Migranten mit dem Ziel USA in Santa Rita im Süden Mexikos wird ein Brandanschlag verübt, der Dutzende Tote fordert. Das Personal des Lagers war derweil beim Feiern und die Polizei schaute machtlos weg.

Es kommt eine Mitarbeiterin der Nationalen Kommission für Migration (NkM) in Santa Rita an. Irma, genannt Negra, die ihre Tochter dabei hat. Sie soll die anreisenden Hinterbliebenen, die Überlebenden betreuen und nicht zuletzt, die NkM vor einem Imageschaden zu bewahren. Dazu ist aber vor allem ihr Nachbar und Chef, Vidal Aguirre da, der die Pressemitteilungen verfasst und mit dem sich Negra mit der Zeit liiert.

Eine der Migrantinnen, Yein, die auf der Reise mehrmals vergewaltigt wurde und ihren Mann bei dem Brand verlor, fasst ein wenig Vertrauen zu Negra und erzählt etwas von sich und ihrer Flucht aus dem Elend. Und will sich rächen.

Immer wieder werden Anschläge von Banden auf die Migrantenunterunterkünfte beschrieben und es folgt immer wieder eine nahezu gleichlautende Pressemitteilung der NkM.

Negra gerät zunehmend auch privat unter massiven Druck.

Die Perspektive, aus der erzählt wird, wechselt ständig. Es gibt den allwissenden Erzähler, der in der dritten Person formuliert, Negra erzählt in der Ich-Form, ebenso wie der Vater ihrer Tochter. Die Sprache ist teilweise sehr derb und an manchen Stellen penibel brutal, z.B. wenn der Autor schildert, was Feuer an einem menschlichen Körper anrichtet. Das macht das Buch nicht gerade einfach lesbar, obwohl die Abschnitte klar getrennt und erkennbar sind. Die Ausführungen von Negras Ex-Mann und ihren Sinn in diesem Buch habe ich z.B. bis zum Ende nicht verstanden.

Zwischendurch nimmt sich der Autor die Zeit, einige grundsätzliche Dinge zu kritisieren, so die Stadtplanung Santa Ritas, die er in sarkastischem Ton aufs Korn nimmt.  (S. 32-34).

Ebenso sarkastisch kommentiert er die Heuchelei der Beamten des NkM angesichts des Anschlags (S. 51-53).

Und genauso kommentiert er die Bemühungen (Haare mit Kamille bleichen, nur Markenklamotten aus den USA tragen etc.) mexikanischer Reicher, mit dem Ziel, von den „Gringos“ als ebenbürtig betrachtet zu werden, was aber nie gelingt „selbst wenn Du Dich in Seide kleidest, Äffchen“ (Zitat)  (S. 129–132).

Es ist ein sehr bedrückendes, aufwühlendes und anklagendes, stellenweise sehr brutales  Buch. Eigentlich geht es nur um Elend, Perspektivlosigkeit, Not, Angst und Gewalt. Und selbst die, denen es zumindest finanziell besser geht, wie Negra und ihr Ex-Mann sind ständig unzufrieden, was bei ihrem Ex, der bis zum Schluss namenlos bleibt in widerlichen Grausamkeiten gegenüber einer Migrantin ausartet. Mit steigender Seitenzahl machten mich die nichtssagenden Pressemitteilungen immer wütender, was der Autor vermutlich so vorgesehen hat. Aber vielleicht wäre es hilfreich gewesen, anstatt so mancher brutalen Szene mehr Hintergrund über das Geschäftsmodell der Banden und ihrer Komplizen in Staat und Polizei zu liefern. So bleibt es eine bloße Beschreibung. Kann so sein, kann auch nicht so sein. Der Autor nimmt sich ein wichtiges Thema vor, aber er erzählt es als nackte Horrorgeschichte. Er verschenkt damit, vermutlich unbeabsichtigt, die Möglichkeit, zur weltweiten Aufklärung beizutragen. Schade. Drei Sterne von mir.

Cover des Buches Die Verschwundenen (ISBN: 9783956142857)
Gulans avatar

Rezension zu "Die Verschwundenen" von Antonio Ortuño

Konfrontation.
Gulanvor 5 Jahren

Aurelio, genannt Yeyo, Blanco kommt aus dem Gefängnis frei, in dem er fünfzehn Jahre Haft abgesessen hat. Blanco war damals der Sündenbock, der als Buchhalter die Unregelmäßigkeiten bei einem Immobiliengeschäft für seinen Schwiegervater Don Carlos Flores auf sich genommen hat, um das Geschäft und das Wohl der Familie nicht zu gefährden. Seine Frau hat sich scheiden lassen, seine Tochter hat er zuletzt gesehen, als sie fünf Jahre alt war. Sein Anwalt warnt ihn, dass Flores ihn womöglich beseitigen will, wenn er frei kommt, um einen Mitwisser loszuwerden. Doch Blanco will seinen ihm zustehenden Anteil einfordern und begibt sich auf Konfrontationskurs.

„Ich brauche wieder deine Hilfe, mein Junge. Noch ein Mal. […] Wir haben dir Alicia gegeben, die wir mehr als alles auf der Welt lieben. Merkst du was? Es ist ein ewiges Geben und Nehmen. Wir sind eine Familie.“ Und Yeyo, der jeden Morgen mit dem Gefühl aufstand, er verdiene das gute, unbeschwerte, fantastische Leben, das er führte, eigentlich gar nicht, sagte Ja, bevor er wusste, was von ihm erwartet wurde. Sein Ja kostete ihn fünfzehn Jahre Gefängnis. (Seite 159)

Blanco ist eigentlich ein eher zurückgezogener, besonnener Mann, der als Kind auf dem Grundstück der Flores gewohnt hat und schon früh als Handlanger engagiert wurde. Später wurde er auch von der etwas älteren Alicia verführt. Er zeigt wenig eigenen Antrieb, lässt sich bereitwillig einspannen und ist schließlich derjenige, der in verschiedenen Situationen die Ehre der Familie retten soll und dies auch beinahe devot erfüllt. Selbst als er im Gefängnis geschieden wird und ihm seine Tochter vorenthalten wird, behält er eine gewisse Resthoffnung und legt sich sogar ein Enthaltsamkeitsgelübde auf, für das er von allen Seiten verspottet wird, wie er irgendwann feststellt. Doch sein Gefängnisaufenthalt endet etwas plötzlich kurz vor Heiligabend. Seine Familie hat erst später mit seiner Freilassung gerechnet. Blanco will nicht mehr nur derjenige sein, mit dem alles gemacht werden kann, sondern selbst agieren. So kommt es letztlich zu einer Familienzusammenkunft als Showdown an Heiligabend.

Die Entlassung aus dem Gefängnis und die Annäherung an die Familie bilden den Hauptteil der Geschichte, immer wieder unterbrochen von Rückblicken in die Vergangenheit. Dort beleuchtet der Autor, wie es zu dieser Familienkonstellation kam und löst auch auf, was mit dem (deutschen) Titel gemeint ist. Bauunternehmer Don Carlos hatte den Plan für eine exklusive Wohnsiedlung mit dem Namen „Olinka“, basierend auf Ideen eines utopistisch-esoterischen Künstlers. Genug Geld aus illegalen Kanälen war vorhanden, doch der Grund und Boden für Olinka ließ sich nicht so einfach beschaffen, gab es an dieser Stelle eine kleine Siedlung von sozial Schwachen. Doch Don Carlos war zu einigem bereit, um sich diese Grundstücke anzueignen und das hatte Auswirkungen, für die ganze Familie Flores.

Die Verbrannten ist ein clever konstruierter Roman, der allerdings im Mittelteil ein wenig schleppend verläuft. Über weite Strecken verzichtet der Autor auf konventionelle Spannungselemente, sondern erzählt relativ nüchtern. Ortuño wirft einen scharfen Blick in die Mitte der mexikanischen Gesellschaft, mal abseits von Drogen oder Flüchtlingen, aber natürlich im Spannungsverhältnis von arm und reich, konkret am Beispiel von Guadalajara, der Heimatstadt des Autors. Der Roman zeigt die alltägliche Korruption, planlose Stadtentwicklung, Gier nach Geld und Macht sowie staatlich gedeckte Ausbeuterei und Gewalt. Doch wie es oft so ist, richten sich diese Dinge letztlich gegen die Familie des skrupellosen Bauunternehmers und der Leser wohnt mehr oder weniger einer Familientragödie bei.

Cover des Buches Madrid, Mexiko (ISBN: 9783956141652)
Widmar-Puhls avatar

Rezension zu "Madrid, Mexiko" von Antonio Ortuño

Spanischer Bürgerkrieg und mexikanische Drogenmafia in einem Buch
Widmar-Puhlvor 7 Jahren

Mit "Die Verbrannten" hat Antonio Ortuno einen knallharten Thriller über das organisierte Verbrechen in Mexiko geschrieben. Jetzt folgt in der gleichen, wuchtig-schonungslosen Sprache ein Roman über die Flucht eines Mannes namens Yago nach dem verlorenen spanischen Bürgerkrieg nach Mexiko - und die Flucht seines Enkels Omar vor der Mafia aus Mexico nach Madrid. Die Idee hat was, aber die Durchführung ist leider unnötig kompliziert geraten. Der Reihe nach:
1923 konkurrieren die jungen Anarchisten Yago Almansa und sein Freund Benjamín um die Liebe der schönen María. Im Spanischen Bürgerkrieg kämpft Yago dann bei den Anarchisten, Benjamín aber bei der Kommunisten. So werden sie Todfeinde. Beide fliehen gegen Ende des Bürgerkrieges nach Mexiko - Benjamín aber mit dem gestohlenen Goldschatz seiner Kampfgruppe. Dementsprechend schlechter geht es María und Yago, die auch in Mexiko enge Verbindungen zu den dort jedoch völlig korrupten Gewerkschaften pflegen.
1997 hat Yagos Enkel Omar ein Verhältnis mit seiner wesentlich älteren Chefin Catalina. Die erfolgreiche Antiquitätenhändlerin ist mit Mariachito liiert, dem mächtigen Boss der Eisenbahnergewerkschaft, und verdient sich eine goldene Nase mit dieser Connection. Als die zwei in flagranti erwischt werden, endet das für Mariachito und Catalina tödlich, doch Omar kann mit einem Haufen Geld entkommen. Auf der Flucht vor der (unfähigen) Polizei und dem brutalen Handlanger Mariachitos landet er schließlich mit Frau und Kindern in Madrid.
Beide Handlungsstränge zeigen die Verwicklung vieler "normaler" Leute ins organisierte Verbrechen - sowohl in Spanien als auch in Mexiko. Dass die Kommunisten eine wesentliche Mitschuld am Sieg Francos hatten, weil sie ihre anarchistischen und sozialistischen Verbündeten auf Betreiben Moskaus massenhaft liquidiert und verraten haben, ist eine unbequeme historische Tatsache. Ebenso
undurchdringlich ist die Verstrickung vieler Mexikaner in ekelhaften Rassismus ("Sie hassen Euch dafür, dass ihr dieses Land kolonisiert habt, wollen aber, dass ihr ihre Töchter heiratet") und die üble Mischung aus allgegenwärtiger Korruption und Drogenmafia. So gut wie jeder hat irgendwo die Pfoten im Dreck oder lässt sich bumsen, um Vorteile zu haben.
Das ist ebenfalls typisch für diesen Autor, der 2010 als einer der besten seines Landes geehrt wurde, obwohl er mt 41 Jahren noch recht jung für die Branche ist: Sein Personal ist alles andere als nett. Er beschreibt Menschen, die halt so sind, wie sie sind - und so reden, wie die Leute nun mal reden. Das ist oft alles andere als schön zu lesen, aber kreuzehrlich.
Schade nur, dass die zwei gespiegelten Handlungsstränge so unordentich in zeitlich gegenläufigen Kapiteln einander folgen. Auf "Guadajara, 1997" folgt "Ein Strand von Veracruz, 1946", danach wieder Guadajara 1997 und dann plötzlich "Madrid, 1923" - und so weiter. Das stiftet eine unnötige Verwirrung (schon weil man dadurch die Figuren erst spät wirklich kennen lernt), die man anders hätte auflösen müssen.

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