Antonio Tabucchi

 4,2 Sterne bei 212 Bewertungen

Lebenslauf

Antonio Tabucchi wurde am 23. September 1943 in Vecchiano bei Pisa geboren und verstarb am 25. März 2012 in Lissabon. Nach der Promotion in moderner Literatur an der Universität Pisa, war er Ordinarius für portugiesische Sprache an der Universität Genua und Leiter des italienischen Kulturinstituts in Lissabon. Neben Lehrtätigkeiten an der Universität Pisa und Siena veröffentlichte er Romane, Kurgeschichten, Essays und Theaterstücke. Für sein Werk wurden ihm zahlreiche Preise, wie dem Premio Gampiello, dem Premio P.E.N. Club und den Österreichischen Staatspreis für Literatur ausgezeichnet. Tabucchi war Mitbegründer des International Parliament of Writers.

Alle Bücher von Antonio Tabucchi

Cover des Buches Erklärt Pereira (ISBN: 9783446253773)

Erklärt Pereira

 (97)
Erschienen am 09.05.2016
Cover des Buches Indisches Nachtstück und Ein Briefwechsel (ISBN: 9783446272415)

Indisches Nachtstück und Ein Briefwechsel

 (22)
Erschienen am 23.08.2021
Cover des Buches Der verschwundene Kopf des Damasceno Monteiro (ISBN: 9783446272439)

Der verschwundene Kopf des Damasceno Monteiro

 (15)
Erschienen am 15.07.2021
Cover des Buches Lissabonner Requiem (ISBN: 9783446201736)

Lissabonner Requiem

 (11)
Erschienen am 18.03.2002
Cover des Buches Träume von Träumen (ISBN: 9783423134224)

Träume von Träumen

 (8)
Erschienen am 01.02.2006
Cover des Buches Die letzten drei Tage des Fernando Pessoa (ISBN: 9783446231078)

Die letzten drei Tage des Fernando Pessoa

 (5)
Erschienen am 06.06.2008
Cover des Buches Es wird immer später (ISBN: 9783423132060)

Es wird immer später

 (8)
Erschienen am 01.06.2004
Cover des Buches Der schwarze Engel (ISBN: 9783423129039)

Der schwarze Engel

 (6)
Erschienen am 01.08.2001

Neue Rezensionen zu Antonio Tabucchi

Cover des Buches Erklärt Pereira (ISBN: 9783446253773)
Maselis avatar

Rezension zu "Erklärt Pereira" von Antonio Tabucchi

Ein Bekenntnis und eine Lektion über Menschlichkeit und dem Bewusstsein
Maselivor 3 Jahren

Doktor Pereira ist Leiter der Kulturredaktion der neuen, kleinen und katholischen Lissaboner Abendzeitung Lisboa, die hauptsächlich Gesellschaftsnachrichten bringt und samstags eine Kulturseite. Doktor Pereira ist einziger Mitarbeiter der Abteilung und sein Büro befindet sich in einem kleinen 1-Zimmer-Apartment, abseits der Verlagsbüros. 

Es ist der 25. Juli des Jahres 1938 in Lissabon und rein zufällig blättert Doktor Pereira in einer avantgardistischen Literaturzeitschrift, die auch einen Philosophieteil hat und liest einen Artikel über den Tod von Francesco Monteiro Rossi. So kommt ihm der Gedanke, dass die Kulturredaktion einen freien Mitarbeiter bräuchte, der eine ständige Kolumne betreute und zwar jene der Nachrufe. 

Er trifft sich mit dem jungen Philosophen und lernt auch Marta kennen. Doktor Pereira und der junge Philosoph kommen ins Gespräch und Monteiro Rossi nimmt sein Angebot an und verspricht, gute Texte zu verfassen. Doch was kommt, ist unbrauchbar und kann nicht veröffentlicht werden.

Portugal befindet sich politisch im Umbruch. Diktator Salasar hat die Macht an sich gerissen, man unterstützt die Nationalisten in Spanien und ist dem Deutschen Reich wohlgesonnen. 

Auf der Zugfahrt zu seinem Freund lernt Doktor Pereira eine jüdische Deutsche kennen wird durch sie bei einem Gespräch direkt mit der Realität konfrontiert, vor der er sich in seiner Kulturredaktion zu verstecken scheint.

"Sie sind Intellektueller, sagen Sie, was in Europa vor sich geht, machen Sie von Ihrer Meinungsfreiheit Gebrauch, mit einem Wort, tun Sie was."

Doch noch kann sich Doktor Pereira der Wirklichkeit entziehen. Erst sein Aufenthalt in der Klinik für Thalassotherapie, in der er sich wegen seiner gesundheitlichen Probleme begibt, wird das Bewusstsein in ihm wecken.

"Und wenn die beiden jungen Leute Recht hätten? Dann hätten sie recht, sagte Doktor Cardoso gelassen, aber das wird die Geschichte entscheiden, nicht Sie, Doktor Pereira."

Er wird sich bewusst, dass es keinen Sinn macht, einen Kulturteil zu leiten, in dem er seine Meinung nicht zum Ausdruck bringen darf und dass er auf diese Weise gezwungen ist, seine 30jährige Journalistentätigkeit zu verleugnen.

Als an einem Spätsommertag zur Abendessenszeit 3 Männer in seine Wohnung eindringen um Monteiro Rossi, den er für einige Tage bei sich untergebracht hatte, die patriotischen Werte in Erinnerung zu rufen und dabei auch gegen ihn handgreiflich werden, wird Pereira reagieren.

Meine persönlichen Leseeindrücke

Es ist ein sympathischer älterer, gesundheitlich angeschlagener Doktor Pereira, dem ich in diesem Roman begegne und ich mag ihn auf Anhieb. Er lebt isoliert vor dem wirklichen Leben und arbeitet in seiner abgeschiedenen Kulturredaktion, die ihn vor der Realität des Regimes beschützt. Er bemerkt das Klima der Gewalt und Einschüchterung zuerst gar nicht und wähnt sich mit seinen Übersetzungen französischer Schriftsteller des 19. Jahrhundert von aller Zensur befreit.

Doch dann beginnt Doktor Pereira an sich zu merken, dass ein innerer Wandel stattfindet. Er ignoriert das zwar am Anfang, er schiebt es auf seine Krankheit und ab diesen Moment denke ich ab und an: eine Heldengeschichte ist das nicht. 

"Nun gut, sagte Pereria, es ist eine merkwürdige Empfindung, die sich am Rande meiner Persönlichkeit befindet, weshalb ich sie al peripher bezeichne, Tatsache ist, dass ich einerseits froh bin, mein Leben so geführt zu haben, wie ich es geführt habe, dass ich in Coimbra studiert und eine kranke Frau geheiratet habe, die ihr Leben im Sanatorium verbracht hat, dass ich viele Jahre lang als Lokalreporter für eine große Zeitung gearbeitet und jetzt zugesagt habe, den Kulturteil in dieser bescheidenen Abendzeitung zu leiten, gleichzeitig ist es jedoch so, als ob ich Lust hätte, mein Leben zu bereuen, ich weiß nicht, ob ich mich klar genug ausdrücke."

Es braucht ein Verbrechen, in das er unmittelbar hineingezogen wird, damit er die Kraft findet zu handeln. Ich habe den Eindruck, dass er bis dato wirklich nicht realisieren wollte, was in Portugal vorgeht. Seine Courage besteht darin, seine ganze Schreibkunst in den Nachruf von Monteiro Rossi einzubringen und somit in subtiler und geschickter Ironie eine Kritik gegen das Gewaltregime in Portugal in der Zeitung veröffentlichen zu lassen. Er ist kein Held, er flieht um sich und sein Leben zu retten. Mehr sieht er sich nicht imstande zu tun.

Fazit

Ein niveauvoll geschriebener Roman über den Widerstand gegen das Regime und ein Kampf für die Freiheit. Es ist unmöglich, in schwierigen Zeiten neutral durchs Leben zu schreiten. Irgendwann muss jeder reagieren und Doktor Pereira tut es erst am Ende, als es ein Opfer gibt, das er ins Herz geschlossen hat und dessen Tod er nicht verhindern konnte. Eine Lektion fürs Leben, eine Hommage an die Freiheit, die Gerechtigkeit, die Rechtsstaatlichkeit und dass es nie zu spät ist, sich gegen etwas aufzulehnen, auch wenn dies der Verlust von vielem Persönlichem bedeutet. Der Roman ist ein Bekenntnis und eine Lektion über Menschlichkeit und dem Bewusstsein, dass sich jeder nach seinen Möglichkeiten für Freiheit einsetzen kann und muss.

Cover des Buches Erklärt Pereira (ISBN: 9783446253773)
lukashochholzers avatar

Rezension zu "Erklärt Pereira" von Antonio Tabucchi

Aufbruchsstimmung im politischen Chaos
lukashochholzervor 4 Jahren

Handlung

Die Geschichte eines Sommers im Jahre 1938. Der faschistische Diktator António de Oliveira Salazar hat die Macht über den portugiesischen Staat an sich gerissen. In diesem “Estado Novo” steht Zensur und Unterdrückung an der Tagesordnung. Inmitten des politischen Umsturzes findet sich der verwitwete Kulturjournalist Dr. Pereira wieder, Redakteur der Kulturseite einer kleinen katholischen Lissabonner Abendzeitung, Lisboa, ein regimetreues Blatt.

Bald lernt er den jungen und lebensfrohen Philosophie-Absolventen Monteiro Rossi kennen, dessen Wesen ganz und gar im Gegensatz zu Pereiras Leben sein scheint. Pereira ist herzkrank und fettleibig, ist gläubig, aber glaubt nicht an die Auferstehung des Fleisches, denn er bezweifelt, dass sein ganzes Gewicht in den Himmel aufsteigen könnte. Er trinkt nichts, ruminiert über den Tod und trauert seiner verstorbenen Frau nach, mit deren Bild er täglich spricht, und aus deren Ehe nie ein Kind hervorgegangen ist.

Durch die Bekanntschaft mit Rossi, den er zur Unterstützung in die Kulturredaktion aufnimmt, entsteht nun auch in Pereiras Leben ein Umsturz. Es beginnt der Aufbruch des behäbigen Journalisten in Form einer spirituellen Wiedergeburt, die durch das Aufleben eines neuen Widerstandgeists entfacht wird. Vom Alter gezeichnet, aber im Herz verjüngt, eröffnet er zusammen mit Monteiro Rossi und dessen Freundin Marta, die beide bereits im Widerstand tätig sind, den Kampf gegen Zensur und politischem Wahnsinn.

Eindruck

“Erklärt Pereira” stellt für mich eines der großen Werke der europäischen Literatur dar. Eingebettet in die Erzählform einer Zeugenaussage beschreibt Tabucchi hautnah und erschütternd die Ausmaße der damaligen politischen Zustände im faschistischen Portugal. Gleichfalls mangelt es im Roman nicht an einer überzeugenden Skizzierung der Charaktere. Pereiras Lebenswandel, verursacht durch den Gegenpol Rossi, steht im Einklang mit der rebellischen Atmosphäre, die im Verlauf der Handlung vermittelt wird.

Diskussion von Tabucchis Roman im “Literarischen Quartett”: https://youtu.be/NNb9F-SY3tY?t=2828

Veröffentlicht auch auf: https://lukashochholzer.com/2020/10/26/erklaert-pereira-von-antonio-tabucchi-widerstand-zur-zeit-des-salazar-regimes/

Cover des Buches Erklärt Pereira (ISBN: 9783446253773)
M

Rezension zu "Erklärt Pereira" von Antonio Tabucchi

Ungewöhnlich
Medulenkavor 5 Jahren

Ein kleines feines Büchlein, dessen Charme vor allem im liebevoll gestalteten Charakter des Protagonisten liegt. Er ist wunderbar unperfekt und kämpft mit den kleinen Dämonen des Alltags, bis er ganz leise doch zu einem Held gegen das Regime wird.

Besonders ist auch die Art der Erzählung hervorzuheben. Es wird fast durchgehend in indirekter Rede geschrieben. 

Für alle, die sich trauen auch in ungewöhnliche Bücher reinzuschnuppern. 

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