Cover des Buches The White Tiger (ISBN: 9781843547228)
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Rezension zu The White Tiger von Aravind Adiga

Rezension zu "The White Tiger" von Aravind Adiga

von Robert_05_85 vor 15 Jahren

Rezension

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Robert_05_85vor 15 Jahren
Egal ob Munna, Balram oder Ashok – der Ich-Erzähler in »White Tiger« hat so viele Facetten wie Namen: Diener, Chauffeur, Geschäftsmann, Mörder, Visionär, Verbrecher. Zwischenzeitlich ist er auch mal eine Art Robin Hood im modernen Indien und dann noch wieder sein eigener Gegenpart. In mehreren fiktiven Briefen an den Premierminister Chinas schildert uns Balram, wie er es an die Spitze in Indien geschafft hat – er berichtet quasi von einem »outsourced American Dream«. Er wurde nicht vom Tellerwäscher zum Millionär, sondern von einem Diener aus den unteren Kasten zu einem gemachten Mann, der nur noch Herr über sich selbst und seine Angestellten sein muss. Wie das funktionieren kann, wird in aller Ausführlichkeit – ohne jedoch jemals langweilig zu werden – berichtet. Dass man, um nach oben zu kommen, Leute bestechen muss, wird schnell klar. Balram macht auch von Anfang an keinen Hehl daraus, dass es nötig ist dafür über Leichen (oder in seinem Fall besser: über eine Leiche) zu gehen. Was es damit aber ganz genau auf sich hat, erfährt der Leser erst fast am Ende. Auch über seine oft angesprochene Unternehmertätigkeit wird man lange im Dunkeln gelassen. Das Buch ist absolut faszinierend geschrieben – man kann sich dem Bann dieses mörderischen Chauffeurs nicht entziehen, den man jedoch nie wirklich als Killer im traditionellen Sinne versteht. Es ist die Art zu erzählen, die das Buch zu etwas Besonderem macht: Missstände werden kritisiert, ohne den Zeigefinger zu heben, Ernstes wird mit zynischen Bemerkungen aufgebrochen. Man ist hin und her gerissen, wird aus Balram nicht schlau, ist er clever oder naiv, egoistisch oder doch mitfühlend? Ich denke, man wird das nie eindeutig entscheiden können und gerade das macht das Buch so reizvoll. »The White Tiger« ist ein Roman, der – gerade zum Schluss hin – viele Fragen aufwirft, bewegt und einen mit einem merkwürdig beunruhigten Gefühl entlässt. Balram legt einen Seelenstriptease par exellence hin und doch ist man am Ende aus ihm nicht schlau geworden. Dieser Eindruck lässt sich auf das beschriebene Indien genauso gut anwenden. Wohin steuert es? Ist diese Richtung gut oder schlecht? Eröffnet es Möglichkeiten oder ist es dieselbe Sklaverei nur aus westlichen Ländern per Call Centre »ferngesteuert«? Diese Frage lässt sich genauso wenig beantworten. Am Ende bleibt »White Tiger« aber – und das lässt sich zuverlässig sagen – ein Roman, der einen noch nach dem Lesen beschäftigen wird.
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