Kulturelle Neuausrichtung
Gerade in jüngster Zeit sind langsame Veränderungen in den Haltungen junger Berufseinsteiger in die öffentliche Diskussion gedrungen.
Dass vielfach in Bewerbungsgesprächen nicht nur die traditionell „harten Fakten“ von den Bewerben abgefragt und verfolgt wurden (Karrieremöglichkeiten, Gehalt, Position), sondern zunehmend ein Trend zu „weichen Faktoren“ feststellbar ist (Möglichkeiten befristeter Teilzeit, Erziehungsurlaub, Verbindung von Familie und Beruf, Stringenz von Feierabend u.a.).
Eine Veränderung bei Bewerbungsgesprächen, die durch manche Untersuchungen gestützt wird, dass auf den Arbeitsmarkt kommende junge Menschen mehr und mehr sich weniger durch Karriereattribute definieren (und dafür bereit sind, den größten Teil ihrer Lebenszeit der Arbeit zu widmen), sondern auch „das Private“, persönliche Freiheiten, das soziale Umfeld an Freunden und Familie zumindest deutlich höher bewerten werden als es noch in den letzten 10-20 Jahren an der Tagesordnung war.
Arianna Huffington greift in ihrem Buch auch solche Veränderungen auf, ihre Gedanken bewegen sich genau in diese Richtung. Und das nicht aus irgendeinem „Bauchgefühl“ heraus, sondern unterlegt mit vielfachen belastbaren Beobachtungen.
Und das ebenso nicht „von der Seitenlinie“ aus, sondern aus der Position einer durchaus erfolgreichen Geschäftsfrau. Die dennoch (oder gerade deswegen) der festen Überzeugung ist, dass es eines Paradigmenwechsel bei der Füllung des Begriffes „erfolg“ bedarf. Und das nicht nur, weil die Zahl der stressbedingten psychischen Erkrankungen, vor allem in den technisch hochgerüsteten Industrienationen der Welt, sich potenzierend vergrößern.
Und hier trifft sich Huffington mit oben erwähnten aktuellen Beobachtungen am Arbeitsmarkt und in den Bewerbungsgesprächen.
Geld, Macht, Aufstieg, Einfluss schienen zumindest graduell in manchen kulturellen Bereichen an Einfluss zu verlieren zugunsten eines „echten“ eigenen Lebens, eines, wie Huffington es nennt, „Gedeihens“ des eigenen Lebens statt eines rein funktionalen Einsatzes in einer möglichst gut bezahlten und gesellschaftlich anerkannten Tätigkeit.
Sicher ist es nicht ganz einfach, bei der Lektüre dem „Trommelfeuer“ an Erkenntnissen, Einsichten, Studien standzuhalten, um den roten Faden nicht aus den Augen zu verlieren und ebenso driftet Huffingtion sprachlich nicht selten in eher (leicht) esoterisch zu nennende Bereiche ab, unterstützt von Glaubenswahrheiten der Weltreligionen und den Rückgriff auf die alten Philosophen.
Das wirkt manches Mal ein stückweit naiv und an anderen Stellen wie eine überbordende Haltung eines drängenden „Ich weiß was, ich weiß was“.
Dennoch aber, so schlicht letztendlich der Kern ihrer Botschaft auch ist (Priorität des Zwischenmenschlichen, das „innere zur Ruhe kommen“ ist wichtiger als das erfolgreiche Projekt oder das „voran Treiben“ des eigenen äußern Erfolgs), grundlegend falsch ist das sicher nicht, schaut man sich die Essenz aus tausenden von Jahren Kulturgeschichte und philosophischen Denkens an.
Wie das aber nun konkret gehen kann, ob Mediation oder Yoga nun tatsächlich zur Selbstverwirklichung führen und ob das persönliche Wohlbefinden wirklich die einzige konstruktive Priorität menschlichen Handelns sein sollte, das wirkt noch unausgegoren in all den Gedanken und Einsichten des Buches.
Insgesamt eine interessante Lektüre, deren Grundaussagen man in der Theorie durchaus zustimmen kann, an der aber deutliche Zweifel an der Praxis verbleiben.
Denn neben allen „Selbstverwirklichungen“ bedarf es auch einer materiellen Grundlage für die alltäglichen Dinge des Lebens. Wohl aber sollten die Gedanken eines „Arbeiten für das Leben“ und nicht „Leben für das Arbeiten“ angesichts der intensiven Arbeitsverdichtung und des immer höher werdenden Zeitaufwandes für ein „Rollen der Wirtschaft“ auf allen Seiten gründlich bedacht werden. Hierzu bietet das Buch durchaus wichtige Gedanken und Impulse.
Kulturelle Neuausrichtung