Adolf Eichmann ist der Leiter des "Eichmannreferats" und DER SS-Mann, der bei der logistischen Planung der auf der Wannseekonferenz beschlossenen Vernichtung des europäischen Judentums federführend war. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gelingt ihm mit Hilfe der katholischen Kirche über deren "Rattenlinie" die Flucht aus Europa nach Argentinien. Dort nimmt er den Decknamen "Ricardo Klement" an und führt jahrelang ein unauffälliges Leben. Er verdingt sich anfangs als Staudammbauer im unwirtlichen Nordargentinien, eher er kühner wird und in die Hauptstadt wechselt und dort im Wäschereiwesen tätig wird. Er trifft sich mit anderen Ex-Nazis, die allesamt dank der schützenden Hand des Präsidenten Juan Perón ein angenehmes Leben führen, zum regelmäßigen Mittagessen im Restaurant "Die Eiche", wo sie ungeniert ihren Fantasien und Hoffnungen nach der "arischen Rasse" nachhängen. Mit seinen bescheidenen Mitteln baut er sich ein Häuschen und es gelingt ihm, seine Frau mit den drei Kindern nachzuholen. Bei der Ankunft seiner Familie zeigt sich ein weiteres Mal, dass ihm das Glück nicht hold ist: Er will seiner Frau Rosen zum Empfang überreichen... doch es gibt in der ganzen Stadt wegen des Todes von Evita Perón keine Blumen. Vom seinerzeitigen SS-Glanz seiner Person ist nicht viel geblieben... mühsam gelingt ihm der berufliche Wechsel zur argentinischen Zweigniederlassung von Daimler-Benz. Er setzt sich mit dem ebenfalls aus den Niederlanden geflohenen SS-Mann Willem Sassen zusammen und verkündet stolz vor dessen Tonbandgerät seine "Wahrheit" über den Holocaust. 1960 holt ihn die Vergangenheit ein und er, der sich selbst in seinem argentinischen Dasein wegen seiner Fehlschläge als "Pechvogel" bezeichnete, wird vom israelischen Geheimdienst aufgespürt und nach Israel entführt, wo er zwei Jahre später gehängt wird.
Der israelische 1975 geborene Schriftsteller Ariel Magnus mit deutschen Vorfahren legt hier kein Sachbuch vor, sondern einen sarkastisch durchdrungenen Roman über Eichmann's Leben in Argentinien. Der Autor versucht in den Kopf des Strippenziehers der Shoah vorzudringen und erzählt prägnant, tabulos und distanziert aus der Sicht des "arbeitslosen Deportologen". Magnus verwendet spöttische Formulierungen und seine Erzählung lässt den Massenmörder zu einer schaurig-komischen Allerweltsgestalt verkommen. Genauso wie der Schriftsteller literarisch die Figur Eichmann nicht ernst nimmt, so verhält es sich mit Eichmanns Verhältnis zu seinen Taten. Im Original heißt der Roman „El desafortunado“, was man als „Der Pechvogel“ oder „Unglücksrabe“ übersetzen könnte... Die Übersetzerin Silke Kleemann schafft es, die Doppelbödigkeit des Textes nuancenreich, feinsinnig und worterfinderisch ins Deutsche zu übertragen.
Dieser Roman hat für mich nicht die Wucht und die Eindringlichkeit wie Olivier Guez's auch hier rezensierten Romans "Das Verschwinden des Josef Mengele". Das von Magnus mit humorig-leicht dahin perlenden Formulierungen beschriebene Grauen hat manchmal Längen... dennoch ist das Buch zweifelsohne ein interessantes Leseerlebnis über einen schrecklichen Mann, in dem Hannah Arendt die "Banalität des Bösen" sah.