Rezension zu Michael Tolliver lebt von Armistead Maupin
Rezension zu "Michael Tolliver lebt" von Armistead Maupin
von mehrsonntag
Rezension
mehrsonntagvor 14 Jahren
Es gibt kein fünftes Ziel. Ganz einfach. Dieser wahrscheinlich ungewöhnlichste Spruch, den ein Navigationsgerät jemals von sich gegeben hat, wurde für Mouse und Ben zum Leitsatz, zum Running-Gag. Michaels Mutter liegt im Sterben und es wird so sein, wie die Natur es vorgesehen hat, ein Kind beerdigt seine Eltern, nicht umgekehrt. Trotz HIV hat Mouse überlebt, zwar mit Hilfe eines täglichen Tablettencocktails, aber: immerhin. Und es geht ihm gut und er ist an seinem Ziel angekommen. Viele Jahre sind seit den letzten Geschichten aus der Barbery Lane 28 ins Land gegangen, die morschen Stufen zur alten Herberge der verrückten Bande aus Annas Haus sind erneuert worden, Brians Tochter Shawna ist zur jungen Frau gereift, Michael ist vom Gärtnereiangestellten zum Chef eines ebensolchen Etablissements geworden und als ältlicher Schwulen-Daddy ist er mit seinem um viele Jahren jüngeren Freund Ben super glücklich. Mary Ann, schon immer die unsympathischste Akteurin kann im neusten Band der Stadtgeschichten erst im letzten Viertel des Buches in Erscheinung treten und leider (oder zum Glück?) nichts an ihrer Position ändern, ein paar neue Mitbewohner sind in Annas Leben getreten und doch ist irgendwie alles wie immer. Ein herrlich offener Roman, über die Tücken des Outings (schau an, schau an, der Neffe von Mouse scheint auch zur Tunte geboren) und des schwulen Lebens, über Friseusen und Transen, nichts für schwache Nerven und auch nichts für Ignoranten und Lästermäuler; eher für Fans der alten Stadtgeschichten, die in Betrachtung paarungswilliger Kerle und Schilderung verschiedener Schwänze in Action nicht gleich angeekelt die Seiten zuklappen. Schöne und teilweise auch sentimentale Gefühlsduseleien aus rosa San Francisco. Nett, sehr nett, wenngleich aber nicht ganz so unterhaltsam, überraschend und frisch wie die ersten Bände. Macht aber nichts.