Cover des Buches Der Reisende (ISBN: 9783785725979)
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Rezension zu Der Reisende von Arnaldur Indriðason

Mäßiger Auftakt zur neuen Krimireihe

von Sigismund vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Mäßiger Auftakt zur neuen Krimireihe

Rezension

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Sigismundvor 6 Jahren
Historische Krimis, vor allem solche aus jüngster europäischer Geschichte und Weltkriegszeiten, erfreuen sich seit wenigen Jahren steigender Beliebtheit. Vielleicht deshalb ging auch Islands Bestseller-Autor Arnaldur Indriðason (57), seit 1995 bekannt durch seine Krimireihe um Kommissar Erlandur, in seiner neuen Serie um die beiden Ermittler Flóvent und Thorson um sieben Jahrzehnte zurück. Diese auch für Island politisch und gesellschaftlich umwälzenden Kriegszeiten scheint Indriðason jetzt aufarbeiten zu wollen und beginnt in seinem ersten Band „Der Reisende“ im Jahr 1941, als die britischen Besatzungstruppen von den amerikanischen abgelöst wurden.
In der Wohnung des deutschen Staatsbürgers Felix Lunden in Islands Hauptstadt Reykjavík wurde ein Mann durch einen gezielten Kopfschuss aus einem amerikanischen Colt hingerichtet. Dem ermittelnden Kommissar Flóvent wird, da man wegen des Colts den Täter unter den Amerikanern vermutet, der vor Jahren aus Island nach Kanada ausgewanderte, in der Ermittlung von Kriminalfällen unerfahrene britische Militärpolizist Thorson zur Unterstützung zugeteilt. Schon bald steht fest, dass das Mordopfer gar nicht Felix Lunden, sondern ein isländischer Handelsreisender und früherer Schulkamerad Lundens ist. Schnell weiten sich die Ermittlungen in verschiedene Richtungen aus: War es Mord aus Habsucht oder Eifersucht oder etwa die Folge einer Erpressung? Oder handelt es sich gar um die Abrechnung unter Spionen? Immerhin ist der Deutsche Felix Lunden, der vielleicht das eigentliche Mordopfer sein sollte, ein überzeugter Nazi. Flóvent und Thorson müssen schnell Ergebnisse vorweisen, da der US-Militärgeheimdienst schon droht, der isländischen Polizei diesen Fall zu entziehen.
Trotz des Zeitdrucks und der Brisanz des Mordfalles gehen beide Polizisten ihren Ermittlungen scheinbar in aller Ruhe nach. Dieser Eindruck wird noch durch den ruhigen, manchmal auch langatmigen Erzählstil betont. Häufige Wiederholungen bremsen zudem die Spannung aus, wenn Flóvent und Thorson unverständlicherweise den Zeugen oder Verdächtigen bei Befragungen ihre Ermittlungsergebnisse offenbaren. Behalten erfahrene Ermittler diese nicht für sich? Oder will der Autor seine beiden Protagonisten tatsächlich als derart unerfahren hinstellen, um sie in nachfolgenden Krimis weiter aufbauen zu können? Beide Männer bleiben in ihrer Charakterisierung ziemlich unscharf. Bei Thorson wird nur kurz eine mögliche Homosexualität angedeutet, aber das war's auch schon.
Bis zum Schluss weiß man nicht, worauf Autor Arnaldur Indriðason in seinem Roman eigentlich hinaus will. Ist „Der Reisende“ nun ein Krimi oder ein Spionageroman? Die Handlung plätschert gemächlich dahin. Bei diesem Buch ließ mich nur die Neugier bis zum Ende durchhalten. Und selbst der Schluss war enttäuschend: Nicht die beiden Ermittler entlarven den Täter nach akribischer Ermittlungsarbeit, sondern dieser gibt sich völlig unerwartet selbst zu erkennen, als habe der Autor jetzt die vom Verlag geforderte Seitenzahl erreicht. Dieser neue Krimi von „Islands meistverkauftem Kriminalschriftsteller“ ist enttäuschend, vielleicht aber auch nur ein mühsamer Auftakt zur neuen Krimireihe. Hoffen wir also, dass Arnaldur Indriðason seinem Image gerecht wird und in den Folgebänden die Spannung und Dramatik noch steigert.
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