Dieser Roman der indischen Schriftstellerin erschien 2017 unter dem Originaltitel „The Ministry of Utmost Happiness“. Prägendes Element des Buches ist der Kaschmir-Konflikt zwischen Indien und Pakistan, zwischen Hindus und Muslimen. Die Hauptfiguren sind Anjum, eine Hijra, so der Name für Indiens drittes Geschlecht, die Transgender-Personen sowie das Liebespaar Musa und Tilo, die jedoch die meiste Zeit aufgrund äußerer Umstände nicht zusammenleben können. Musa ist ein muslimischer Aufständischer, der das im Grund nur wurde, weil das Militär seine Frau und Tochter eher versehentlich tötete. Tilo, seine Geliebte, eine Hindu-Frau landet schließlich auf dem Friedhof, auf dem Anjum gleichsam als Fanal einer klassenlosen Gemeinschaft um sie herum vorsteht.
Die Autorin greift viele vergangene reale Ereignisse, vor allem Unglücke, Katastrophen und Verbrechen auf, so z.B. die Terroranschläge auf das WTC am 11.09.2001, die Pogrome in Gujarat nach dem Zugbrand am 27.02.2002, die fortdauernden Unruhen und Zusammenstöße in Kaschmir und das Unglück von Bhopal 1984. Der seit 1947 brodelnde Kaschmir-Konflikt „überdacht“ alle einzelnen Geschichten und Personen, deren Vielzahl bemerkenswert ist. Es ist nicht leicht, bei den vielen Namen die Orientierung nicht zu verlieren, zumal sie für den nicht-indischen Leser nicht ganz einfach auseinanderzuhalten sind.
Nur ganz selten hatte ich das Gefühl, etwas von diesem Buch verstanden zu haben, wie z.B. die Kritik am hinduistischen Kastenwesen, die aus den Zeilen über Ärzte und Reinigungskräfte in einer Leichenhalle durchscheinen (Fischer Tb, November 2018, S. 98/99). Manche Zeile klingt zugleich sehr fremd und doch witzig: „Mrs. Gupta, die sich als Gopi betrachtete, als Verehrerin von Lord Krishna, durchlebte laut ihrem Handleser gerade ihre siebte und damit letzte Wiedergeburt. Das erlaubte ihr, sich zu benehmen, wie es ihr gefiel, ohne sich Sorgen machen zu müssen, dass sie im nächsten Leben für ihre Sünden bezahlen müsste.“ (ebd., S. 88) Das meiste ist mir völlig unverständlich und fremd geblieben, es wirkte auf mich wahllos zusammengestückelt, grotesk und wirr.
Krieg, Zerstörung, Mord und Totschlag, Bürgerkrieg sind allgegenwärtig. Die Autorin kritisiert die ethnischen und religiösen Auseinandersetzungen, aber auf mich wirkt die Schilderung der Brutalitäten wie eine ziemlich emotionslose Aufzählung. Das ändert sich ein wenig, als die Autorin von den Ereignissen in Kaschmir nach dem Tod des Universitätsdozenten Usman Abdullah 1995 (ebd. ab S. 387) erzählt. Nun gewinnt der Roman an Stringenz, Nachvollziehbarkeit und die dramatische Situation in Kaschmir wird mit teils drastischen Worten geschildert. Ein Beispiel: „An jedem Ort im legendären Kaschmirtal befand sich jeder, gleichgültig, was er tat - ob er ging, betete, sich wusch, Witze macht, Walnüsse knackte, mit jemanden schlief oder mit dem Bus nach Hause fuhr – in Schussweite eines Gewehrs." (ebd., S. 433)
Zusammenfassend ein Roman, zu dem ich in großen Teilen keinen sinnvollen Zugang gefunden habe. Ich war seit längerem mal wieder nah dran, ein Buch abzubrechen und habe im Grunde nur durchgehalten, weil ich dachte, ein so hochgelobtes Buch, kann doch mir nicht größtenteils unverständlich bleiben. Am Ende muss ich feststellen: doch, das geht. Zwei Sterne, wegen der Steigerung nach ca. zwei Dritteln.