‚In den Gesprächen über den Patientensuizid begegne ich regelmäßig dem Argument, es gebe Kranke, denen wir diese Lösung nicht verwehren dürften. Ich halte dem ebenso regelmäßig entgegen, wer davon überzeugt sei, sei für die Behandlung von suizidgefährdeten psychisch Kranken ungeeignet.
Der Patient, der sich das Leben genommen hat, verdient unser Verständnis. Die Wendung, ‚vielleicht war es am besten so‘, die man nach dem Suizid eines Menschen gelegentlich von Angehörigen aber auch von Therapeuten zu hören bekommt, ist legitim als Ausdruck der Trauer und des Mitgefühls mit dem ausweglos Leidenden, aber nicht als Leitlinie für zukünftiges Handeln.‘ (Seite 7)
Asmus Finzen thematisiert in seinem Buch die Besonderheiten des Kliniksuizids, methodische Herausforderungen bei der Untersuchung von Kliniksuiziden, welche Klinikpatienten sich suizidieren und welche nicht, eine Suizidserie in einer Klinik, in der Finzen tätig war, Werther-Effekt, Art der Unterbringung als Risikofaktor, Therapeutenverhalten/Therapeutenfehler, Psychopharmaka als Hilfe und als Risikofaktor, Hoffnungslosigkeit sowie die Abschätzung von Suizidalität.
‚Der Patientensuizid‘ ist ein mehr als 30 Jahre altes Buch über Suizid, und obwohl ich mich schon sehr intensiv mit der Thematik beschäftigt und sehr viele sehr aktuelle Bücher darüber gelesen habe, hat mich Finzens Buch interessiert, sicherlich auch aufgrund der Tatsache, dass ich Finzens Bücher und Ansichten schätze, aber auch, weil das Thema Kliniksuizid einerseits so relevant ist, aber andererseits oft unrepräsentiert in Büchern behandelt wird.
Finzen hat viele Informationen zum Thema Patientensuizid zusammengetragen, und trotz des Alters der Informationen empfand ich seine Ausführungen nicht nur als spannend, sondern auch als nach wie vor relevant.
Besonders gefallen hat mir die Akribie, mit der sich Finzen der Thematik angenähert und gewidmet hat. Auch die Detailliertheit der Schilderungen, die exemplarischen Einblicke in ausgewählte Psychiatrien, die Thematisierung von Therapeutenverhalten als Risikofaktor für Suizide, die vielen Fallberichte sowie das wissenschaftliche Vorgehen fand ich gelungen.
Asmus Finzen
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Asmus Finzen
Schizophrenie - Die Krankheit verstehen
Stigma psychische Krankheit
Medikamentenbehandlung bei psychischen Störungen. Einführung in die Therapie mit Psychopharmaka
Schizophrenie
Normalität
Schizophrenie: Die Krankheit verstehen, behandeln, bewältigen (Fachwissen)
Medikamentenbehandlung bei psychischen Störungen
Neue Rezensionen zu Asmus Finzen
‚Nicht unsere, sondern die Maßstäbe des Patienten zählen.‘ (Seite 37)
In einer Einführung fassen die Autoren die Geschichte der Psychopharmakotherapie knapp zusammen, erwähnen Komplikationen wie extrapyramidal-motorische Störungen und Gewöhnungseffekte und bieten Informationen zu Aufnahme, Verteilung im Körper und Ausscheidung, Polypharmazie, Schwangerschaft und Stillzeit, Wirkung, Placebo und Nocebo.
Im Folgenden stellen die Autoren Psychopharmaka bei Stimmungserkrankungen (uni- und bipolare affektive Störungen), bei Psychosen, bei Schlafstörungen, Angst- und Zwangserkrankungen sowie bei Suchterkrankungen, Demenzen und ADHS vor. Im letzten Kapitel widmen sie sich speziellen Aspekten wie Sexualität und Suizidgefährdung.
Ich empfand das Buch als eine sehr gelungene Zusammenfassung der wichtigsten Informationen zu Psychopharmaka, wobei ‚Medikamentenbehandlung bei psychischen Störungen‘ für mich teilweise eine Wiederholung von mir bereits bekannten Inhalten war. Dennoch habe ich durch die Lektüre viel dazugelernt und kann das Buch, das sehr verständlich geschrieben und übersichtlich aufgebaut ist, sehr empfehlen - vor allem Professionellen, die ins Thema einsteigen wollen, aber auch Betroffenen oder Angehörigen, die sich näher mit der Thematik beschäftigen möchten.
Das Buch bietet recht detaillierte Informationen zur Behandlung einzelner Störungen. Für mich als Psychologin war das eher zu umfangreich, aber da ich Psychopharmakotherapie generell sehr spannend finde, empfand ich die Ausführungen als sehr hilfreich und relevant. Auch zum Nachschlagen ist das Buch sehr gut geeignet.
Gut gefallen hat mir, dass auch die einzelnen Störungen kurz vorgestellt werden, und man hier recht neue Forschungsergebnisse findet. So ist man als Leser rundum informiert.
Negativ aufgefallen sind mir die Ausführungen zur Benzodiazepin-Gabe bei der Panikstörung. In meiner täglichen Arbeit werde ich leider immer wieder damit konfrontiert, dass Behandler Lorazepam zum Unterbrechen von Panikattacken verschreiben, und auch in ‚Medikamentenbehandlung bei psychischen Störungen‘ findet sich diese Empfehlung. Dies ist nicht mehr State-of-the-art und sollte in der nächsten Auflage dringend geändert werden.
‚Psychische Krankheiten sind immer noch ein Tabu. Nach wie vor leiden Menschen mit psychischen Störungen unter Vorurteilen und Schuldzuweisungen, unter Diskriminierung und Stigmatisierung. [...] Das Leiden am Stigma kann so ausgeprägt sein, dass es wie eine zweite Krankheit wirkt. Es beschädigt das Selbstwertgefühl, es macht hoffnungslos und resignativ.‘ (Seite 9)
Asmus Finzen widmet sich dem Thema Stigma in seiner gesamten Komplexität, erzählt von fehlenden Berichten über hochfunktionale Betroffene mit Schizophrenie und Überrepräsentation der Schilderungen ungünstiger Verläufe, Vorstufen von Stigmatisierung, Stigmatypen, Sippenhaft, Selbststigmatisierung, Suizidalität, Gewalttätigkeit und Medienberichten, schizophrenogener Mutter und Psychoanalyse, Angehörigen- und Betroffenenselbsthilfe und gibt konkrete Tipps für den Umgang mit dem Stigma.
Finzen legt seinen Fokus auf die Schizophrenie, und er tut dies (leider) aus gutem Grunde, denn die Schizophrenie ist sicherlich nicht nur die am meisten missverstandene psychische Störung, sondern gewiss auch diejenige, die dem größten Stigma unterliegt.
Ich habe schon einige (ebenfalls großartige Bücher) von Finzen gelesen, und auch in ‚Stigma psychische Krankheit‘ setzt er sich auf wertschätzende und fundierte Weise mit der Thematik auseinander und für Betroffene ein.
Finzen bietet einen Blick aus mehreren Perspektiven, beschäftigt sich mit dem Thema Stigmatisierung auf breitgefasste Weise, gibt spannende Impulse und vermittelt viel Wissen.
‚Stigma psychische Krankheit‘ ist damit ein ebenso wichtiges wie lehrreiches Buch, das klar zeigt, wie schädigend Stigmatisierung, wie wichtig ein respektvollerer und hoffnungsvollerer Umgang mit Betroffenen und wie schwierig die Realisierung von Antistigmakampagnen und von Entstigmatisierung ist.
‚Die Schizophrenie ist eine schwere Erkrankung. Sie kann einen ungünstigen Verlauf nehmen. Sie tut das auch häufiger, als wir uns das wünschen. Aber das geht uns mit vielen Krankheiten in der ganzen Medizin so. Die rationale Gegenposition dazu ist Hoffnung, ist Engagement, ist konstruktive Auseinandersetzung, ist Beharrlichkeit ganz im Sinne Eugen Bleulers (1911): ‚Die Therapie der Schizophrenie ist wohl die dankbarste für den Arzt.‘ Sie ist das aber nur, wenn er sich intensiv und langfristig engagiert.‘ (Seite 145)
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