Ganz vorne weg, ich habe selten eine so seltsame Textsammlung gelesen und mir ist es auch noch nie passiert, dass ich ein Buch erst sehr schlecht fand und dann mit Hilfe des Nachwortes den tieferen "Sinn" verstanden habe und die Texte noch einmal komplett anders gelesen habe.
Wer sich auf diese Textsammlung einlässt, muss offen sein für etwas vollkommen anderes und das Nachwort zuerst lesen. Ich glaube dieses Buch findet man nur genial oder abgrundtief schlecht und auf jeden Fall total durchgeknallt.
Abu Rita ist ein Syrischer Flüchtling, der im Libanon lebt und sich auf eine komplett andere Art und Weise um sein Visum für Deutschland kümmert. Anstatt das Visum bei der deutschen Botschaft zu beantragen, startet er aufsehenserrengende Kampagne über Facebook und bekommt Kontakt zum deutschen Botschafter in Beirut. Eine Art Freundschaft entsteht, die ihn allerdings nicht näher ans Visum bringt.
Der Autor selbst und das ist das, was für mich dann ausschlaggebend war, ist ein Syrischer Zahnarzt, der nach seiner Flucht im Libanon lebt und sich auf eine etwas sarkastische Art und Weise über FB Posts und kleinen Texten mit dem Thema auseinander setzt, dass die Flüchtlinge keine Anerkennung als Staatsbürger bekommen können. Diese Texte sind fiktiv, er selbst hat sich noch niemals um ein deutsches Visum bemüht.
Der Text besteht aus kleinen FB Eintragungen und kurzen Begegnungen. Die Freundschaft zwischen Abu Rita und dem deutschen Botschafter ist eine kleine Annäherung zwischen zweier Kulturen. Dem Asyl suchenden Abu Rita und dem Botschafter, der versucht sich in die Flüchtlinge hineinzuversetzen, aber dann nur an der Oberfläche bleibt.
Ich hatte beim Lesen irgendwie so ein bisschen das Gefühl, dass der Botschafter etwas verlassen in diesem anderen Land sitzt. Ich fand man hatte oft den Eindruck als wäre er alleine. Seine Freunde zu Hause in Deutschland, er abgeschottet in seinem Diplomatenviertel. und ihm fehlt so ein bisschen der Bezug zur normalen Welt. Vielleicht interessiert ihn ja das Leben des Flüchtlings oder ihn imponiert die Visumaktion. Ich denke zuerst ist Abu Rita einfach jemand der ein nerviges Anhängsel ist und mit seiner Aktion schon so viel Aufsehen erregt hat, dass man ihn nicht mehr übersehen kann. Später wird er ein bischen die Alibifunktion des Botschafters bei der er vorgibt durch den Kontakt mit ihm in die Welt und die Problematik der Flüchtlinge im Libanon zu erhalten.
Was er natürlich nur oberflächlich tun möchte und nur da wo es in seine Sichtweise hinein passt. In dem Kapitel, in dem Abu Rita den Kontakt zu seinen FB Freunden herstellen soll und der Botschafter alle Anfragen abwiegelt sieht man das sehr deutlich.
Die bedeutende Frage im Text ist, ist ihm Abu Rita wirklich als Freund wichtig? Seine Belange ja wohl eher nicht. Sein Visum auch nicht. Schließlich benutzt er sein Zeugnis ja als Spielstrichliste und lässt es verschwinden.
Natürlich wird in den Texten die deutsche Bürokratie aufs Korn genommen in der sich "nichts tut"
Fazit:
Ich schwanke in Bezug auf dieses Buch zwischen total begeistert und total verrückt, wobei das total verrückt nicht negativ zu werten ist. Auf jeden Fall ist es abgefahren und anders als normal.
Ich glaube hätte dieses Buch ein Deutscher im Angesicht der Flüchtlingsdramaturgie geschrieben, hätte ich es sehr schlecht gefunden. Aber in Anbetracht, dass diese kleine Lektüre ein Syrischer Zahnarzt nach seiner Flucht im Libanon gepostet hat und damit eigentlich die Sehnsucht nach einem anerkannten Status ausdrückt, finde ich es wieder gut. Er ist auch ein Flüchtling. Und ich denke es ist eine humorvolle, sarkastische Auseinandersetzung von einem Betroffenen mit seinem Leben.
Das Buch gibt es im Kindle Format über Amazon zu kaufen. Meine Rezension findet man auch unter meinen Blogs auf der FB Seite Bücherseele, bei myblog unter dem Bloggernamen verletztes-einhorn und auf FB