Cover des Buches Die Räuberbraut (ISBN: 9783805202930)
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Rezension zu Die Räuberbraut von Astrid Fritz

Ein anstrengendes Leben

von Helen13 vor 7 Jahren

Rezension

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Helen13vor 7 Jahren
Um Leben und Lieben, Rauben und Morden des Johann Bückler, genannt Schinderhannes, geht es in dem neuen Roman „Die Räuberbraut“ von Astrid Fritz. Die Zeit um 1800 bis 1803 blättert Fritz uns auf und erzählt die Geschichte der Schinderhannesbande und anderer Räuberbanden rechts- und linksrheinisch. Astrid Fritz hat einen bewegenden Roman und gleichzeitig eine Sozialgeschichte der Menschen Anfang des 19. Jahrhunderts im besetzten Deutschland geschrieben, das damals ein Flickenteppich war.
Es geht um die Epoche der „französischen Dominanz“ und auch indirekter Herrschaft über große Teile Europas zwischen 1792 und 1815 nach der Französischen Revolution. Napoleon erobert und regiert. So auch im Nahegebiet des Hunsrücks. Die Menschen hassen die französische Obrigkeit, von der sie drangsaliert werden. Die Sprache ist Französisch. Es ist der Hunsrück, den Schinderhannes bevorzugt, seine Heimat, die er „wie seine Westentasche“ kennt. Es heißt, er lebte als Kind bei den Soldaten, wo sein Vater diente, war an langes Marschieren und harte Zucht gewöhnt sowie an ein Leben mit ständigem Ortwechsel. Das habe ihn letztendlich auf diese Bahn geführt, die dann später sein Unglück wurde. Die Bevölkerung bestand hauptsächlich aus Bauern und Müllern, abgelegene Höfe waren es, die die Räuber anzogen. Die Opfer konnten nicht auf Hilfe hoffen. Besonders auf die jüdischen Familien hatte die Bande es abgesehen, sehr viele Juden lebten in Angst im Hunsrück und hatten keine Wahl, als Hannes Bedingungen anzunehmen. Es gab viele Räuberbanden, links- und rechtsrheinisch, linksrheinisch waren Franzosen die Gesetzesvertreter, rechtrheinisch Deutsche. Von Juden gab es viel zu holen, das gut verhökert werden konnte. Dann kam die Zeit, in der Schinderhannes seine Opfer erpresste und Schutzgeld verlangte, dies gab ihm ein verlässliches „Einkommen“.
Seine Bandenmitglieder behandelte Schinderhannes gerecht und teilte die Beute korrekt auf.
Eindringlich und einfühlsam führt uns Fritz durch diese Geschichte. Die Armut, die bittere Armut der meisten Personen in diesem Roman ist es, die einem immer wieder ans Herz greift. Sie ist es auch, die Menschen wie Hannes Bückler, den Schinderhannes aus dem Hunsrück, in ein Leben als Räuber treibt. Sicherlich spielte auch eine Disposition des Charakters - Verwegenheit, Mut, Leichtsinn, Sehnsucht nach Abenteuer - eine Rolle. Hannes war ein schillernder Charakter mit vielen Eigenschaften, gepaart mit hoher Intelligenz und Lebensfreude. Seine Braut Juliana, die er zärtlich Julchen nannte, fühlte sich sofort von ihm angezogen.
Zur Zerstreuung und Entspannung gibt es die Abende in den Wirthäusern, sie sind die Höhepunkte des harten Lebens, das die Menschen hier täglich bewältigen müssen. Sie essen und trinken, tanzen und vergnügen sich fröhlich mit den Mädchen. In der Bevölkerung genießt Hannes Rückhalt, es stehen immer seine Leute und Dorfbewohner Schmiere, um rechtzeitig die Polizei anzukündigen.
Auch die Geschichte des Kennenlernens seiner späteren Braut Juliana fängt so lustig an. Die Schwestern Juliana und Margret treten an diesem Abend mit ihrem Vater Hannikel auf: sie sind alle Bänkelsänger. Juliana spielt sehr gut Geige, die Fidel, Margret schlägt das Tambourin – den Schellenring – alle tanzen ausgelassen. Auch Hannes mit seiner Bande geht dorthin. Margret ist sofort fasziniert von Hannes, Hannes aber hat Augen für Juliana. Als Julianas Schwester Margret dann dem Bandenmitglied Dallmeyer folgt, ist der Weg für Hannes und Julchen frei. Fortan sind sie ein Paar und teilen alles. Er sorgt gut für sie, schenkt ihr schönen Schmuck und Kleider und verwöhnt sie. Er liebt sie. Sie erwidert diese Liebe von Herzen und geht gerne mit ihm fort, sie hat einen Weg gefunden , ihr schreckliches armes Zuhause mit der ewig keifenden Mutter verlassen zu können.
Sie beginnt nun ein überaus anstrengendes Leben mit der Räuberbande, sie ziehen durchs Land, schlafen hier, schlafen da, und während Julchen auf Hannes wartet, bricht er mit seiner Bande in Wohnhäuser ein, überfällt Krämer, die übers Land ziehen, meistens Juden und baut ein System auf, Schutzgeld besonders von jüdischen Familien zu verlangen. Ein Leben der Anstrengung, der Entbehrung, der Unsicherheit aber auch des Spiels, Tanzen, fröhlich sein hat begonnen..
Das anstrengende Leben als „Räuberbraut“ wird in einer Weise geschildert, dass man gerade denkt, mitten im Geschehen zu sein. Man könnte mit Julchen weinen, als sie es noch konnte. Was Julchen durchmachen musste, scheint an Qual, Schmerzen, Entbehrungen überzufließen und man fragt sich, wie konnte sie es aushalten. Sie konnte es, weil sie Schinderhannes liebte und er liebte auch sie wahrhaftig.
Ihr Schicksal und das vieler Frauen, die Gefährtinnen von Räubern waren, war kraftzehrend und auslaugend, besonders während Schwangerschaften, im Regen, in Hitze, stunden- und tagelang durch Wälder zu marschieren, um nicht entdeckt zu werden. Und oft das Baby zu verlieren, oder es wurde zu schwach geboren und musste bald sterben, wie Julchens erste Tochter Evchen. Geburtshilfe gaben sich die Frauen gegenseitig. Immer lebten sie in der Angst, der Polizei in die Hände zu fallen.
In der Literaturgeschichte ist dies die Zeit der Romantik, daher ist es zu erklären, dass zu Lebzeiten und ganz besonders nach seinem Tod Balladen, Geschichten, Theaterstücke, Lieder über Schinderhannes geschrieben wurden. In der Neuzeit wurden Filme gedreht, Carl Zuckmayer schrieb ein Theaterstück, das 1927 in Berlin uraufgeführt wurde.
Schinderhannes war herausragend in seiner Strategie, die Raubzüge durchzuführen. Julchen sah ihn als ihren Helden, erst bei dem Tribunal in Mainz, nachdem er gefangen genommen worden war, erlebte sie, was ihr Hannes an Grausamkeiten und Brutalitäten verübt hatte. So zahlreich, dass die Richter keine Gnade walten wollten oder konnten. Es wurden 20 Räuber am 21. November 1803 in Mainz hingerichtet mit der Guillotine.
Die Schilderungen des Tribunals der Bande, und die vorangehenden Gefängnisaufenthalte, allen voran Schinderhannes und Julchen in ihrer Schwangerschaft bis zur Geburt, sind eindringlicher wohl kaum zu erzählen in ihrer Detailtreue und historischer Präzision.
Die Polizei zerschlug danach alle Räuberbanden im Hunsrück, Taunus, Odenwald und Spessart.
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