Eigentlich bin ich keine typische Fantasy-Leserin. Dennoch hat mich Astrid Leutholfs Roman "Bis du dich erinnerst" in den Bann gezogen. Die Autorin hat mich auf eine Reise mitgenommen, die abenteuerlich, mystisch und doch zutiefst menschlich ist.
Was wie ein magischer Fantasyroman beginnt, entwickelt sich zu einer großartigen und sehr vielschichtigen Geschichte, die durchaus Bezug zur realen Welt hat.
Zwei Wesenheiten treffen in der Unendlichkeit aus Zeit und Raum aufeinander. Menschen- und Elfenwelt entstehen, geschaffen von Brüdern. Beide Welten entwickeln sich in ihrem Tempo. Die eine im Streben nach Fortschritt und Reichtum, die anderen im Einklang mit der Natur. Die Einführung der Autorin hilft sehr, um die Struktur der Welten zu verstehen.
Eines Tages wird Nora, eine junge Frau der heutigen Zeit, in eine Parallelwelt hineingezogen. Sie trifft auf Uma, die Hüterin der Erinnerungen, die sie durch Zeit und Raum führt. Uma macht ihr deutlich, dass Erinnerungen uns einzigartig machen und erklärt ihr, dass Nora geduldig dieser Reise folgen muss, um zu Erkenntnis und Wahrheit zu gelangen und dass sie letztlich eine Aufgabe zu erfüllen hat.
Als Leserin folge ich Uma und Nora durch die Welt der Menschen und durch Elfenwald. Zu Beltane sind die Zeitfenster zwischen den Welten geöffnet. Auch haben manche Elfen die Gabe, Durchgänge zwischen Menschenwelt und Elfenwald zu schaffen. Die Durchmischung beider Welten sowie ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede bieten gutes Spannungspotenzial.
Obwohl Fantasy-Roman, ist es erstaunlich, dass trotz der mystisch-magischen Elemente hier nicht eine völlig wirklichkeitsfremde Welt erzeugt wird. Es gibt in beiden Welten sehr reale Elemente des Zusammenlebens: Freundschaft und Zusammenhalt, Feindschaft, Eifersucht, Liebe, Machtstreben, Hunger nach Erfolg und Trauer . So gelingt es der Autorin, eine große Palette an Gefühlen zu schaffen. Das breite Spektrum lässt den Leser innehalten, erkennen, staunen und oftmals sich selbst reflektieren.
Neben der magischen Welt skizziert die Autorin immer wieder Epochen der Geschichte, die uns vertraut sind. Ritter, Burgen, Kriege, gekonnt wird hier Mystik mit Historie vermischt.
Die Reise dauert lange und Noras Geduld wird auf eine harte Probe gestellt, bis sie sich am Ende erinnert. Und hier spannt sich wunderbar der Bogen zum Titel.
Astrid Leutholf erzählt, fast wirkt der Schreibstil teilweise nüchtern-distanziert. Dennoch schreibt sie flüssig und schafft es, eindrucksvolle Bilder des Geschehens entstehen zu lassen. Sie kennt als Autorin die Ereignisse genauso wie die Gefühle ihrer Charaktere. Beeindruckend auch die teilweise detaillierte Beschreibung der Schauplätze.
Die Geschichte hat mich gefordert, man liest sie nicht mal so nebenbei. Vielleicht wäre es wegen der vielen Namen gut gewesen, eine Art Namensverzeichnis zu erstellen.
Das Ende der Geschichte lässt mich staunen, ist aber durchaus logisch. Der Roman ist zwar für diesen ersten Teil abgeschlossen, ruft aber dennoch nach einer Fortsetzung.
Es ist ein starkes Buch, das spannend unterhaltsam ist, aber auch zum Nachdenken anregt. Es gibt sicher in unserer Welt noch viel Verborgenes, dem wir uns öffnen können.