Cover des Buches Ronja Räubertochter (ISBN: 9783789129407)
einskommazweis avatar
Rezension zu Ronja Räubertochter von Astrid Lindgren

Nix für die Bahn!

von einskommazwei vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Immer noch sehr empfehlenswert!

Rezension

einskommazweis avatar
einskommazweivor 6 Jahren

Dass mir in der Straßenbahn beim Lesen die Augen feucht geworden sind, war mal wieder total peinlich. Vor allem, weil mich die Dame gegenüber so interessiert beobachtet hat. Egal. Gelohnt hat es sich trotzdem, dieses Buch von Astrid Lindgren noch einmal in die Hand zu nehmen. Im Alter von 74 Jahren hat sie es geschrieben. Ein Spätwerk also.


Worum geht's? Ronja kommt in einem Unwetter zu Welt, bei dem ein gewaltiger Blitz die Burg ihres Vaters, des Räuberhauptmanns Mattis, in zwei Teile spaltet. Abgöttisch von ihrem Vater geliebt wächst Ronja unter den Mattisräubern auf und verinnerlicht deren Feindschaft zur Sippe der Borkaräuber. Ronja weiß nicht, dass in jener Gewitternacht auch bei den Borkaräubern ein Kind geboren wurde: Birk Borkasohn, Sohn des Räuberhauptmanns Borka. Als Ronja eines Tages zum Abgrund geht, den der Blitz in die Mattisburg gerissen hat, sitzt da schon Birk. Und der erklärt ihr doch frech, dass die Borkaräuber in den anderen Teil der Mattisburg eingezogen sind. Ronja ist empört, rettet aber Birk trotzdem das Leben. Als auch Birk Ronjas Leben rettet, erkennt Ronja, wie sehr sie mit ihm verbunden ist. Es ist eine Verbindung, von der ihr Vater Mattis, der wegen des Einzugs der Borkaräuber außer sich ist, niemals erfahren darf. Als Mattis Birk gefangen nimmt, um die Borkaräuber zum Abzug zu zwingen, muss Ronja sich zwischen Birk und ihrem Vater entscheiden. Sie entscheidet sich für Birk, eine Entscheidung, die zwischen Ronja und ihren Vater fährt wie einst der Blitz in die Mattisburg.


Astrid Lindgren erzählt ihre Geschichte von Ronja Räubertochter auf eine für sie typische Weise. Für mich hat Astrid Lindgrens Erzählton immer einen besonderen Klang gehabt, eine Art feierlich-erhabene Traurigkeit, die ich als Kind sehr gern mochte. Ich gebe mal ein Beispiel aus dem Buch:


"'Wir haben jetzt Sommer, meine Schwester', sagte Birk. Und Ronja spürte am ganzen Körper, dass es so war. 'Diesen Sommer werde ich in mir tragen, solange ich lebe', sagte sie.
Birk sah sich um im Dämmerungswald und ihm wurde so wunderlich zumute, warum, wusste er nicht. [...] 'Diesen Sommer', sagte er und sah Ronja an, 'ja, diesen Sommer werde ich bis an mein Lebensende in mir tragen, das weiß ich.'"


Das sind Sätze, die man im normalen Leben nicht sprechen würde, die aber eben typische Lindgren-Sätze sind. Als Kind habe ich bei manchen Lindgren-Geschichten eine starke Melancholie erlebt – eine Wehmut, dass das Glück endlich oder unerreichbar ist. Etwas von dieser Wehmut schwingt auch bei "Ronja Räubertochter" mit, doch nicht allzu viel: Die Geschichte endet versöhnlich und hoffnungsvoll und hinterlässt mich mit einem ebensolchen Gefühl.


"Ronja Räubertochter" lebt vor allem durch seine starken Charaktere. Da ist der bärenstarke Mattis, der mit seinen unbändigen Gefühlsausbrüchen – egal, ob aus Prahlerei, Liebe oder Zorn – doch nichts anderes ist als ein großes Kind. Seine Frau Lovis sieht ihn wohl nicht anders. Sie bildet den ruhigen, nicht minder wichtigen Pol in Ronjas Welt. Ronja selbst zieht es zum Leben und zur Freiheit. Dabei ist sie ihren Überzeugungen bemerkenswert treu, für die sie sogar bereit ist zu sterben.


Die vom Blitz gespaltene Mattisburg spiegelt die innere Zerrissenheit wider, an der die Hauptfiguren leiden. Mattis und Ronja wissen, wie sehr sie einander lieben. Und doch werden sie von ihrem Stolz, ihrer Verletztheit und ihren entgegengesetzten Lebensentwürfen gezwungen, sich voneinander abzuwenden – bis sie daran fast zerbrechen.


"Weißt du, woran ich denke?", sagt Ronja zu Birk. "Ich denke daran, wie leicht man alles unnötig zerstören kann." Der Weg vom Glück zum Unglück kann kurz sein. Astrid Lindgren erinnert in ihrem Buch daran, dass es auch einen Weg zurück gibt. Und dass man frei ist, ihn zu gehen, selbst wenn es große Überwindung kostet.

Angehängte Bücher und Autor*innen einblenden (2)

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks