Das vorliegende Buch ist der Ausstellungskatalog zu der Ausstellung „Kauft bei Juden! Die Geschichte einer Wiener Geschäftskultur“, die derzeit im Jüdischen Museum in Wien zu sehen ist, in dem ich heute mehrere Stunden verbracht habe.
Die Autorin geht der Geschäftsidee des Kaufhauses nach, die aus Paris kommend, in Wien – allerdings ein wenig verspätet - auf vorerst wenig fruchtbaren Boden fällt. Hierzulange sind es die jüdischen Familien, die maßgeblich am Erfolg des Konzeptes teilhaben.
Sie nimmt uns mit auf einen Streifzug durch die berühmten Kaufhäuser, die sich ihrer Vorbilder in Paris (Bon Marche, Lafayette) und London nicht schämen müssen. Ein kleines Bonmot gab es schon in den 1920er Jahren: „Wo ist der Stephansdom zu finden? Na, gegenüber vom Rothberger“. Das zeigt von einem Bekanntheitsgrad, der kaum zu überbieten ist.
Autorin Astrid Peterle, die gleichzeitig auch Kuratorin der Ausstellung ist, listet penibel und detailreich die vielen jüdischen Geschäfte und ihre Inhaber auf, die 1938 mit dem Anschluss Österreichs nicht nur ihrer Habe, Vermögen und Geschäfte, sondern oftmals auch ihrer Leben verlustig gingen.
Gleichzeitig zeigt sie uns die vielen kleinen Geschäfte, deren Inhaber zu kleinem Wohlstand kommen. Doch damit ist es 1938 vorbei. Die Geschäftsinhaber werden gezwungen ihre Geschäfte zu einem Spottpreis an arische Interessenten zu verschleudern.
Auch der spätere Wiener Modezar Fred Adlmüller übernimmt die Rolle des „Hüter“ eines Unternehmens: Tailors stone & Blythe“ (Ignaz und Stefanie Sass).
Die Mehrzahl der enteigneten und geflohenen Juden kehren der Stadt ihren Rücken. Nur wenige kommen zurück und erhalten ihre ehemaligen Geschäfte wieder. Und wenn, dann abgewirtschaftet und ausgebombt.
Eine der wenigen Familien, der es gelang wieder Fuß zu fassen ist die Familie Myer-Braun bzw. Oser-Braun, deren Wäschegeschäft „Braun & Co“ am Graben einstmals Kronprinzessinnen, Erzherzoginnen und berühmte Schauspielerinnen mit feinster Wäsche versorgte. Auch hier übernimmt eine treue Mitarbeiterin während der Nazizeit das Geschäft: Das Lehrmädchen Franziska Färber. Nach der Rückkehr der Familien Braun bleibt sie Geschäftsführerin. Allerdings zieht sich die Familie Braun 1986 zurück und verkauft die Firma. Treppenwitz der Geschichte: In die Etagen des einstmals durch feine Handarbeit und Exklusivität bekannten Geschäftes, zieht 2004 der Konzern „H & M“ ein.
Den Nachfahren der Familie Knize konnte durch treue Mitarbeiter, die das Geschäft treuhänderisch (und mit Billigung der Nazis, da sie selbst Arier waren) weiterführen, erhalten bleiben und sie anschließend wieder in Besitz nehmen.
Die Mitglieder der Familie Gerngroß schaffen es nicht mehr an die Blütezeit des Kaufhauses vor 1938 anzuschließen. Robert stirbt in der Shoah, die anderen verkaufen in den 1960er Jahren das Kaufhaus, dessen Name untrennbar mit der Wiener Mariahilfer Straße verbunden ist. Nicht einmal den Nazis ist eine wirkliche Umbenennung gelungen: Auf den gezeigten Werbeplakaten ist zu lesen: Kaufhaus der Wiener, ehemals Gerngroß“.
Vielen von uns Wienerinnen und Wienern ist die Textilkette Schöps, das Tuchhaus Silesia (in der Vorlaufstraße) oder die vielen kleinen Textilgeschäfte rund um den Salzgries, im sogenannten „Fetzenviertel“ noch ein Begriff aus Kindheit und Jugend. Fast alle sind Geschichte, weil sich in den 1980er und spätestens mit dem EU-Beitritt Österreichs der Textilhandel gänzlich neu positionierte.
Neben dem sorgfältig recherchierten Textteil, der parallel auch in Englisch abgedruckt ist, besticht das Buch durch eine Vielzahl von farbigen und schwarzweißen Fotos. Kostbarkeiten aus Familienalben, Leihgaben von Kleidungsstücken sowie Briefe und/oder Geschäftsbücher ergänzen den liebevoll gestalten Text.
Wer sich mit Wien und den Einkaufsstraßen, mit seiner Architektur, seinen verschwundenen jüdischen Einwohnern beschäftigen möchte, sei dieses Buch empfohlen. Die dazugehörige Ausstellung schließt am 17.11.2017 ihre Pforten.
Das Buch ist im Amalthea-Verlag erschienen und hat 320 Seiten.
Ein Streifzug durch die Wiener Einkausftempel ..