Cover des Buches Das Totenschiff (ISBN: 9783596503360)
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Rezension zu Das Totenschiff von B. Traven

Rezension zu "Das Totenschiff" von B. Traven

von Babscha vor 17 Jahren

Rezension

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Babschavor 17 Jahren
Das Buch erzählt die Geschichte des amerikanischen Seemanns Gerard Gale, der wurzel- und heimatlos als Deckarbeiter und selbsternannter Prolet die Weltmeere bereist und eines Tages durch einen dummen Zufall im Hafen von Antwerpen sein Schiff verpasst. Dies hat zur Folge, dass er ohne Geld, Pass und Seemannskarte, also ohne jeden Identitätsnachweis, in existenzielle Bedrängnis gerät und, fertig gemacht in den bürokratischen Mühlen der Behörden, von einem Land ins Nächste abgeschoben wird. Zuletzt gelingt es ihm, illegal von Barcelona aus auf einem heruntergekommenen Seelenverkäufer anzuheuern. Zu spät erkennt er seinen Fehler und muss unter unmenschlichsten Strapazen und Schikanen ohne Hoffnung, diese Situation je ändern zu können, nur noch ums nackte Überleben kämpfen… Der Autor mit dem Pseudonym B. Traven, dessen wahre Identität zeitlebens nie geklärt werden konnte (heute gilt als gesichert, dass es sich um den seinerzeit in München lebenden radikalen Schriftsteller und Publizisten Ret Marut handelt, der selber aufgrund seiner politischen Aktivitäten unter Lebensgefahr flüchten musste und zuletzt in Mexiko lebte) verarbeitet in diesem 1926 in der Ich-Form geschriebenen Roman seine eigenen Lebenserfahrungen und Weltanschauungen. Gale ist ein von einem harten und entbehrungsreichen Leben völlig desillusionierter Mann auf der untersten Stufe der sozialen Leiter, ein unbeachteter und von allen ausgenutzter Niemand, der nur dazu dient, profitgierigen Skippern unter Missachtung seiner Menschenwürde seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Letztlich ist das gesamte Buch auf der Grundlage der erzählten Story eine einzige gesellschaftskritische Anklage gegen die damaligen unsäglichen bürokratischen und kapitalistischen Lebensumstände. Das Buch ist in einer heute eher antiquierten Sprache und in weiten Teilen im Jargon der Seeleute geschrieben, was aber gerade einen ganz eigentümlichen Reiz ausmacht, und zu dem man sofort Zugang findet. Der Protagonist Gale beschreibt die teilweise unsäglichen Umstände um sich herum auf seine ganz persönliche Weise, immer hellwach und glasklar beobachtend und diagnostizierend und –als innere Abwehrhaltung, um seine Situation überhaupt aushalten zu können- sehr oft in bitter ironischer, geradezu zynischer Weise, was an diversen Stellen des Romans geradezu erheiternd wirkt. Im nächsten Moment ist man wieder mitgerissen von den völlig desillusionierten und verzweifelten Lebensansichten eines Mannes, der sich im Grunde nichts mehr wünscht, als von seinen Mitmenschen einfach nur als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft anerkannt und respektiert zu werden, einfach ein eigenes kleines Stück Lebensglück zu haben. Dies gelingt ihm allerdings nur für kurze Zeit und unter obskuren Umständen in der zuletzt tiefen Freundschaft zu einem in den gleichen elenden Umständen steckenden Gefährten an Bord. Das Buch hat mich in seiner Gesamtheit tief beeindruckt und regelrecht traurig und nachdenklich zurück gelassen. Es fällt nicht schwer, die im Buch sehr eingehend und interessant ausgebreitete Gedankenwelt des Seemanns bis in die Tiefen nachzuvollziehen. Ein toller, absolut lesenwerter und ungewöhnlicher Roman, der einen hervorragenden Einblick in die Welt und die Gesetze der Seefahrt bietet und mit jeder Form der sog. „Seefahrerromantik“ jener Tage komplett aufräumt.
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