Cover des Buches Meine Väter (ISBN: 9783458175346)
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Rezension zu Meine Väter von Barbara Bronnen

Rezension zu "Meine Väter" von Barbara Bronnen

von WinfriedStanzick vor 12 Jahren

Rezension

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WinfriedStanzickvor 12 Jahren
„Wer sich nach seiner eigenen, jüdischen Identität fragt, hat sie bereits verloren. Zugleich aber bedeutet diese Frage, sich an diese Identität zu klammern. Andernfalls würde man diese Befragung vermeiden. Zwischen diesem ‚schon’ und diesem ‚noch’ zeichnet sich eine Grenze ab, die, einem gestrafften Seil ähnlich, jenes Gebiet bildet, auf dem das abendländische Judentum sich vorwagt und sich im selben Moment auch auf die Probe stellt.“ Diesen Satz des Philosophen Emanuel Levinas hatte die Autorin des vorliegenden Buches, Barbara Bronnen, schon ihrer ersten Annäherung an ihre Herkunft und ihre „Väter“ einem Kapitel vorangestellt, die im Jahr 2000 unter dem Titel „Das Monokel“ bei DTV Premium erschienen war, und in dem sie sich zusammen mit ihrem zwanzig Jahre jüngeren Bruder Andreas ihrem Vater Arnolt Bronnen näherte, einem berühmt-berüchtigten Schriftsteller, der zeitlebens seine jüdische Identität zu verleugnen suchte. Leider hat sich dieses Buch damals sehr schlecht verkauft und ist nun nur noch antiquarisch zu erwerben. Ohne diesen ersten Versuch der Annäherung auch nur an einer Stelle zu erwähnen, macht sich die Schriftstellerin in dem nun bei Insel erschienenen Buch „Meine Väter“ noch einmal auf die Reise zurück in ihre eigenen Familiengeschichte. Sie will herausfinden, warum sowohl ihr Vater als auch ihr Großvater ihr ganzes Leben lang auf der Flucht waren vor ihrer eigenen jüdischen Identität. In einer Art (auch für den Leser übrigens) quälenden Selbsttherapie, in der sie den fortlaufenden Text immer wieder mit kursiv gedruckten Selbstgesprächen unterbricht, geht sie zurück bis in das Auschwitz des Jahres 1867, als dort Ferdinand Bronnen geboren wurde, der später unter dem Pseudonym Franz Adamus einer der ersten naturalistischen Dramatiker wurde. Als dessen Sohn wurde 1895 Arnolt Bronnen geboren, ein Schriftsteller, der sich sein Leben lang immer am politischen Rand bewegte. Er war mit Bertolt Brecht und mit Joseph Goebbels befreundet, mit der er sich eine Zeit eine Frau teilte. Später reüssierte er in der DDR als überzeugter Kommunist, doch auch dort blieb ihm die ersehnte Anerkennung versagt. Als es nach 1933 eng für ihn zu werden schien und auch die Protektion von Goebbels brüchig wurde, strengte Arnolt Bronnen einen beispielslosen Vaterschaftsprozess an, der nachweisen sollte, dass er nicht jüdischer Anstammung sei. Seine Mutter Martha, die Frau von Ferdinand, bezeugte, sie sei von dem evangelischen Pfarrer Schmidt vor der Eheschließung in einer Vergewaltigung geschwängert worden. Eine ungeheuerliche Geschichte, an der sich Barbara Bronnen da abarbeitet, eine Geschichte, die schon ihr Vater in dem berühmten Dokument „arnolt bronnen gibt zu protokoll“ 1954 zum Thema gemacht hatte. Immer wieder bezieht sie sich darauf, und versucht über viele Seiten nach langen Reisen und quälenden Quellenstudien herauszufinden, ob ihr Großvater Ferdinand von dieser Geschichte wusste und ob er etwa mit unter der Decke dieser Verleugnung steckte. Jedenfalls, so resümiert sie am Ende so etwas wie stolz: „Hätten meine Väter ihren grandiosen Coup nicht mit der ihnen eigenen Chuzpe durchgezogen, gäbe es uns, ihre Nachkommen, nicht.“ Ob nach diesem zweiten Versuch, ihrer jüdischen Herkunft auf die Spur zu kommen, diese Suche für Barbara Bronnen zu einem auf Dauer befriedigenden Ende gekommen ist, oder ob das Fundament ihres Lebens weiterhin brüchig bleibt, vermag ich nicht zu beurteilen. Ich wünsche ihr, dass er reicht, ihre sie ein Leben lang quälenden Fragen nach ihrer Identität zu beantworten.
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