Julia hatte eigentlich geplant, zwei Wochen lang Ferien zu machen – eine Auszeit, die sie mit einem Fotokurs auf der Insel verbinden wollte, auf der ihre Tante Zoe Ballard lebt – Big Sawyer. Aufgrund von Verzögerungen zu Hause, wo sie noch einige Dinge für ihren Mann Monte erledigen musste, kam sie zu spät an und verpasste die Autofähre. Glücklicherweise schaffte sie es gerade noch rechtzeitig, die letzte Personenfähre des Tages zu erreichen – die „Amelia Celeste“.
Während der Überfahrt, nur noch etwa eine Meile von Big Sawyer entfernt, wird die „Amelia Celeste“ von einem Rennboot gerammt. Das Rennboot scheint völlig außer Kontrolle und prallt mit ungefähr 70 km/h ungebremst in die Fähre. Die Kollision löst eine verheerende Explosion aus, bei der neun Menschen ihr Leben verlieren. Die Überlebenden des Unglücks sind Julia, Noah Prine und Kim Colella. Noah muss den tragischen Verlust seines Vaters verkraften, während Kimmie ihre Stimme verliert und seitdem kein einziges Wort mehr spricht. Julia fühlt sich diesen beiden Menschen verbunden, sie haben als einzige das Unglück überlebt – dafür muss es einen Grund geben.
Nach dem Unglück führt Julia genau drei Telefonate. Zuerst spricht sie mit ihrer Tochter Molly, die als einzige empathisch reagiert und ihrer Mutter mitteilt, wie froh sie ist, dass ihr nichts passiert ist. Anschließend ruft sie ihren Vater an, der sie nach nur wenigen Minuten abwimmelt, da er für ihre Mutter etwas zu erledigen hat. Julia versucht auch, mit ihrer Mutter zu sprechen, doch diese zeigt kein Interesse und ist nach wie vor verärgert darüber, dass Julia bei ihrer Tante zu Besuch ist. Zwischen Julias Mutter und ihrer Schwester Zoe besteht seit Jahren kein Kontakt, die genauen Gründe für ihr Zerwürfnis werden jedoch von beiden Seiten nicht thematisiert.
Das letzte Telefonat führt Julia mit ihrem Mann Monte. Enttäuschenderweise zeigt auch er wenig Interesse an ihrem Wohlergehen. Stattdessen bedauert er lediglich den Verlust der teuren, nicht versicherten Kameraausrüstung, die nun auf dem Meeresgrund liegt und nicht mehr zu gebrauchen ist.
Nach diesen Telefonaten wird Julia einmal mehr bewusst, dass sie sich 40 Jahre lang ausschließlich darauf konzentriert hat, es anderen Menschen recht zu machen. In ihrem Bestreben, es allen recht zu machen, hat sie sich selbst und ihre eigenen Wünsche und Träume aus den Augen verloren. Das Überleben des Unglücks eröffnet ihr nun die Möglichkeit, ihr Leben vollständig neu zu überdenken und herauszufinden was sie will.
Bei ihrer Tante Zoe findet Julia die dringend benötigte Ruhe. Sie unterstützt Zoe bei der Versorgung der Angorakaninchen-Zucht und sucht regelmäßig das Gespräch mit Noah, um gemeinsam das Erlebte zu verarbeiten. Auch bei Kimmie gibt Julia nicht auf und versucht beharrlich, sie dazu zu bewegen, ihr Schweigen aufzugeben.
Plötzlich tauchen Julias Tochter Molly und ihr Vater George auf Big Sawyer auf. Julia entscheidet sich dafür, in das leerstehende Haus von Noah zu ziehen, da sie die Ruhe und Abgeschiedenheit benötigt. Die Stille des Hauses bietet ihr den nötigen Raum, um über ihre Zukunft nachzudenken. Dann trifft sie eine Entscheidung……..
Barbara Delinsky ist eine New Yorker-Bestsellerautorin, die bisher über 60 Romane geschrieben hat. „Julias Entscheidung“ ist mein erstes Buch von ihr, sicherlich aber nicht mein letztes. Die Autorin verfügt über einen angenehmen Schreibstil, der sich gut und flüssig lesen lässt. Die Geschichte wird aus der Perspektive eines unabhängigen Dritten erzählt.
Barbara Delinsky gelingt es in diesem Roman, verschiedene Themen geschickt miteinander zu verknüpfen. Dadurch handelt es sich nicht um einen Kriminalroman, aber auch nicht um einen Liebesroman im herkömmlichen Sinne.
Noah Prine verdient seinen Lebensunterhalt als Hummerfischer, auch bekannt als „Lobsterman“. Jeden Tag sticht er mit seinen Kollegen in See, um ihre Fallen im Meer auszulegen oder einzusammeln. Allerdings wird ihr Arbeitsalltag durch eine Bande von Kriminellen erheblich beeinträchtigt. Die Autorin hat sich intensiv mit dem Thema des Hummerfangs auseinandergesetzt und integriert geschickt Informationen darüber in die Geschichte. Der Leser wird auf angenehme Weise in die Welt des Hummerfangs eingeführt. Ebenso gewährt die Autorin Einblicke in die Zucht von Angorakaninchen, da sie dieses Hobby ihrer Protagonistin Zoe zugedacht hat.
Neben den Themen Hummerfang und Kaninchenzucht spielen in der Geschichte auch zwischenmenschliche Beziehungen eine zentrale Rolle. Julia steht vor der Herausforderung, ihre Beziehung zu ihren Eltern, insbesondere ihrer Mutter, zu reflektieren. Das Geheimnis zwischen ihrer Mutter und deren Schwester Zoe wirft zusätzliche Fragen auf. Julias Tochter Molly und ihr Ehemann Monte sind ebenfalls Teil der komplexen Beziehungsgeflechte, und Julia muss überlegen, wie sie in Zukunft mit diesen Menschen umgehen möchte.
Auch Noah kämpft mit seiner Vergangenheit, insbesondere mit der Distanz zu seinem Sohn, der nach der Scheidung bei seiner Mutter auf dem Festland lebt. Noah versucht, diese Verbindung zu stärken, indem sein Sohn die diesjährigen Ferien bei ihm verbringt. Doch die Beziehung zwischen Vater und Sohn muss erst zusammenwachsen und leider braucht es dazu ein Drama auf hoher See.
Barbara Delinsky erzählt Julias Geschichte auf 477 Seiten und keine davon ist zuviel. Die Geschichte ist abgeschlossen und lässt mich als Leserin zufrieden zurück. Es war, als ob ich Urlaub auf Big Sawyer gemacht hätte.