Rezension zu "Scheherazades Kinder" von Barbara Naziri
Die deutsch-iranische Autorin und Menschenrechts-Aktivistin Barbara Naziri präsentiert uns in ihrem neuesten Buch eine Sammlung von Kurzgeschichten, die sie in die Tradition der Märchenerzählerin Scheherazade in "Tausendundeiner Nacht" stellt, in denen sie weniger die Vergangenheit als die iranische Gegenwart lebendig werden lässt.
Die Autorin besticht mit ihrer einfühlsamen und poetischen Sprache, mit der sie sich mit der politischen Situation ihres Heimatlndes auseinandersetzt , den LeserInnen gleichzeitig die Augen öffnet für die verschiedenen Kulturen im Vielvölkerstaat Iran und dabei mit ihrer Anteilnahme, ihren Erfahrungen und Ausdrucksmöglichkeiten direkt ins Herz trifft.
Die deutsch-iranische Künstlerin Shirin Khoram hat diese Kurzgeschichten-Sammlung mit ihren sensiblen Tuschezeichnungen illustriert und ergänzt damit die Beschreibung der Lebensräume und Ereignisse der betroffenen Figuren in zauberhafter und atemberaubender Art und Weise zugleich.
Das Herz der Autorin schlägt in erster Linie für das Schicksal der Frauen im Iran. Dabei nähert sie sich den unmittelbaren Erfahrungen in ihren Lebenswelten an, ohne sich an westliche Emanzipationsbetrebungen und Einschätzungen zu klammern, die oftmals sogar die traditionellen Bestandteile des Lebens unterminieren (wie z.B. die Schleierfrage, die Haltung zur Familie) und eine eindimensionale Stoßrichtung an den Tag legen. Ihre Einschätzungen haben einen sehr eigenständigen Charakter, der auf ihre Erfahrungswelt zurückgreift und von Empathie und Menschenkenntnis geprägt sind.
Barbara Naziri geht es um die massive Einflussnahme der diktatorischen Politik auf den Alltag der Menschen seit der Khomeini-Ära, die so zerstörerisch in die Lebenstruktur der Menschen eingedrungen ist, dass Angst und Panik im Vordergrund stehen und die Konfrontation mit Folter und Todesstrafe alltäglich geworden ist. Es werden aber auch Erfahrungen beschrieben, wie sie sich einfach zwischen Mann und Frau, Eltern und Kind oder Freund und Freundin abspielen , in einem Moment oder Zeitabschnitt, wo die politischen Repressalien keinen Zugang haben, sondern sich die Nöte oder Herausforderungen aus dem Zusammenspiel zwischen Tradition und Moderne ergeben.
Es ist die Tiefgründigkeit und Vielschichtigkeit in den Erzählungen , die das Leben der ProtagonisteInnen zum Pulsieren bringt und berührende und zugleich schmerzhafte Momente für die LeserInnen zurücklässt, während der Humor, dieser Narr, der Autorin immer mal wieder auf die Schulter klopft und sich Einlass verschafft, wie sie selber betont.
Absolut empfehlenswert, diese Erzählsammlung, besonders für diejenigen, die sich gegenüber einer fremden Welt nicht verschließen und sich von den pauschalen Anfeindungen gegen den Iran nicht abschrecken lassen.