Cover des Buches 100.000 Kilometer auf 4 Kontinenten: Trampen im 20. Jahrhundert (ISBN: B077VWBVDY)
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Rezension zu 100.000 Kilometer auf 4 Kontinenten: Trampen im 20. Jahrhundert von Barbara Noske

Etwas anderes erwartet...

von rokat vor 6 Jahren

Rezension

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rokatvor 6 Jahren

Barbara Noske ist eine niederländische Anthropologin und Philosophin, welche weder einen Führerschein, noch ein Smartphone besitzt. Sie hat jahrzehntelang getrampt, nicht nur in Ferien, sondern ganz allgemein, sogar um Termine bei ihrem Zahnarzt wahrzunehmen. In all diesen Jahren des Trampens hat sie viel erlebt, kennt den ungeschriebenen Tramper-Kodex und hat viele Menschen getroffen. In diesem Buch erzählt sie einige Geschichten und Weisheiten aus ihrem Tramperleben.


Die Lektüre dieses Buchs hat mich sehr zwiegespalten zurückgelassen. Da ich das Buch im Rahmen einer Leserunde lesen durfte, erlaube ich mir, ausführlicher auf meine einzelnen Kritikpunkte einzugehen.
Barbara Noske ist eine spezielle Persönlichkeit. Der Gedanke, dass man praktisch immer trampt, und dies sozusagen zu einer Lebensform erhoben hat, der fasziniert. Dies hat mich auch am Buch fasziniert, und doch hohe Erwartungen geweckt. Viel Outdoor-Abenteuer habe ich hier erwartet, eine offene Person, einen faszinierenden Bericht. Leider ist das so mit hohen Erwartungen: Sie werden oft enttäuscht. So ging es auch mir hier.


Natürlich hat Barbara viel erlebt, und sie erzählt auch viel im Buch. Hier kann ich die Erzählungen über Trampen im Yukon, in der Sahara, in Algerien und in Australien besonders hervorheben. In diesen Erzählungen erfährt man viel über die Lebensweise und Kulturen in diesen Erdteilen, meist in den 70er und 80er Jahren. Diese Abschnitte des Buches fand ich ganz toll und sehr interessant.


Das Buch selbst ist unterteilt in 7 Kapitel, wobei die Titel jedoch kaum etwas über den Inhalt des Kapitels aussagen. Allgemein erschien mir das Buch sehr willkürlich geschrieben, kein roter Faden, weder geologisch noch zeitlich (hätte ich mir gewünscht). Die ersten zwei Kapitel erscheinen dabei besonders unerwartet, erzählt Barbara hier doch von den Tricks und Kniffs und Eigenheiten des Trampens. Dabei erscheint sie mir jedoch so festgefahren in ihren Ansichten, dass sie sämtliche andere Personen in einen Topf wirft. Wer Banker ist, ist zu gut, um anzuhalten. Wer nicht anhält ist sowieso nicht gut. Wer nicht trampt ist nicht gereist. Andere Reiseformen als Trampen und All-inclusive scheint es nicht zu geben. Eine Tramperin erwarte ich als offene Frau, aber dies kommt hier überhaupt nicht rüber. Tolerant ist für mich anders. Mehrmals war ich nahe daran, das Buch wegzulegen. Outdoor kommt hier sehr zu kurz, und oftmals ergeben sich philosophische Ergüsse über die Menschheit, denen ich so in meinen Erfahrungen mit Reisen nicht zustimmen kann. Dank der LR habe ich weitergelesen. Dort wurde nun auch versichert, dass die Verlegerin diese beiden Kapitel überarbeiten wird.


Die folgenden Kapitel wurden wie gesagt besser (Yukon und Sahara), dann schwächelte das Buch wieder etwas, um dann mit Algerien und Australien wieder zuzulegen. Es ist faszinierend zu sehen, wie die Welt vor 40- 50 Jahren für Tramper war. Leider geht dies ein wenig unter. Es erscheint, als ob die Situation gegenüber Trampern heutzutage so ist, und es sollte meiner Meinung nach im Buch besser dargestellt werden.


Der Schreibstil an sich gefiel mir auch nicht besonders. Oftmals vermischen sich Kapitel, Barbara erzählt aus einem Land, macht einen Einschub der für sie passend ist (wobei ich nicht immer verstand wieso), und kehrt dann zurück, wobei oftmals unklar war, welche Begebenheit sie nun meint. Manchmal erzählte sie etwas, wobei ich mich fragte, warum genau sie dies nun erzählt, da es völlig nichtssagend oder ohne auflösendes Ende war. Ich hätte auch gehofft, nicht nur den Trampvorgang an sich zu lesen, sondern auch warum sie getrampt ist in diesem Moment, und was sie am Ende gemacht hat. Die Kapitel, in denen sie dies dann doch beschreibt, sind die von mir oben positiv erwähnten.
Den Abschluss des Buches empfand ich abrupt, zu philosophisch, und ich hätte mir nur zu gerne gewünscht, dass es eine Art Abschlusskapitel geben würde. Wie lebt Barbara heute, wie trampt sie heute, wie sieht sie ihre damalige Zeit?


Ein spezielles Buch, das ich mir anders aufgebaut gewünscht hätte. Ich vergebe 2.5 Sterne, runde sie auf in der Hoffnung, dass das Buch noch etwas angepasst wird wie versprochen. Denn Potential für ein tolles Buch ist im Leben von Barbara sehr viel vorhanden!

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