Rezension zu "Rachid" von Barbara Peveling
Karim hat es aus den Armenvierteln von Marseille herausgeschafft und arbeitet nun als Werbegrafiker in Paris. Doch mit seiner Vergangenheit kann der junge Mann, dessen Eltern aus Tunesien stammen, einfach nicht abschließen. Die Erinnerungen an das Verschwinden seines Bruders Rachid quälen ihn. Seit zehn Jahren verdrängt er deshalb alles, was mit seinem Bruder und seiner Kindheit auf Marseilles Straßen zusammenhängt. Bis plötzlich die attraktive deutsche Journalistin Paula in sein Leben tritt und sich für Karims gewaltvolle Vergangenheit interessiert. Zum ersten Mal beginnt Karim ganz offen über das Leben von sich und Rachid zu sprechen...
Barbara Peveling zeichnet in ihrem Roman „Rachid“ ein schockierendes Bild über die Aufstände von Marseille und die dortigen Lebensumstände, denen ihre Protagonisten Rachid und Karim ausgesetzt waren. Detailreich, authentisch und ungeschönt wird Karims melancholische Grundstimmung, die düstere Atmosphäre in den Marseiller Vororten sowie der immer gleiche zermürbende Kreislauf von Aggression, Leere und Langeweile eingefangen, der den Alltag der sozial schwächeren Menschen in Marseille bestimmt.
Der Schreibstil der Autorin ist emotional tiefgründig und bildhaft, wodurch der Hass, die Leere und die Verzweiflung der Protagonisten gut zur Geltung kommen. Um diesen besonderen Schreibstil zu unterstreichen, würde ich gerne ein Zitat anführen, das mir in diesem Zusammenhang besonders gut gefallen hat:
„Unser Hass war ein Buch, das sich selbst las, mit der Tinte unserer Verzweiflung und aus der Grammatik unserer Ratlosigkeit geschrieben.“ (Peveling, Barbara: Rachid. S.103, Z.3-5.) Obwohl der Schreibstil häufig recht tiefgründig ist und auch die Thematik des Romans alles andere als leichte Kost ist, ist das Buch insgesamt dennoch gut verständlich und angenehm zu lesen. Auch die Spannung wird während des Lesens konsequent aufrechterhalten, indem die Autorin nicht alles auf einmal verrät, sondern ihre Leser quasi stets ein wenig zappeln lässt und die Informationen erst nach und nach gekonnt offenbart.
Schonungslos offen geschrieben und verknüpft mit den aktuellen dramatischen Ereignissen in Frankreich berührt Barbara Pevelings „Rachid“ und stimmt nachdenklich.