Rezension zu "Superheldinnen" von Barbi Markovic
Barbi Marković ` „Superheldinnen“ (Residenz Verlag) ist die Geschichte dreier junger Frauen, die, aus Belgrad und Sarajevo kommend, versuchen, in Wien ihre Leben zu bestreiten. Besonderheit von Mascha, Direktorka und der Ich-Erzählerin ist ihre spezielle Fähigkeit: Sie können ihre Mitmenschen dadurch beeinflussen, dass sie für Glück Schicksalsblitze senden, während die Bösen mit Auslöschungen bestraft werden können.
„Superheldinnen“ schildert die Handlung rund um einen wöchentlichen Cafébesuch der drei, die sich zwar auf weniger als 24 Stunden begrenzt, für alle Figuren aber einen Wendepunkt in ihrem Leben darstellt. Was dieser Wendepunkt ist, möchte ich nicht verraten, es ist jedoch ein Handlungsverlauf, der mich überraschte und die Richtung lange im Unklaren hielt. Spannend waren die Zwischensequenzen, die kurze Einblicke in die jeweiligen Heimatstädte inklusive Wien geben und als Gedankenstrom erzählt werden.
„Wir drei waren aus den Hauptstädten benachbarter Länder hierhergezogen und hielten uns nach Kräften über Wasser, wobei wir ständig nach der bürgerlichen Mittelschicht schielten, der wir uns zugehörig fühlten, mit dem Herzen jedenfalls, nicht jedoch mit dem Budget.“
Antiheldinnen ist das Stichwort für den Roman, denn die drei Protagonistinnen sind im Gegensatz zu Superhelden wie Batman, Superman und Co. drei Frauen, die kein schillerndes Leben führen. Sie kämpfen mit den Geistern der Vergangenheit, mit ihrer Herkunft und den damit verbundenen Vorurteilen und mit dem Gefühl, nicht dazuzugehören. Für den Moment bilden sie eine Gemeinschaft, die dennoch höchst fragil erscheint und aus der jede jederzeit ausbrechen kann. Ihre Superkräfte heben sie zwar ab, aber können sie nicht in die gewünschte obere Gesellschaftsschicht bringen.
Marković verknüpft in ihrer Erzählung eine fantastische Geschichte, die aufgrund der zutiefst realistischen Elemente gar nicht so fantastisch wirkt. Die Schicksalsblitze und Auslöschungen treten hier in den Hintergrund und stehen für die tieferen Konflikte der Figuren. Sie können das Leben anderer beeinflussen und stehen alle vor der Frage, ob auch sie in ihr eigenes Leben eingreifen sollten und in welcher Form. Mithilfe der Auslöschung ist es möglich, Menschen verschwinden – aus der Erinnerung und dem Leben der anderen entfernt – und diese an anderer Stelle mit einem neuen Leben wiederauferstehen zu lassen. Was bedeutet diese Fähigkeit nun für Menschen, die gerne ein anderes Leben führen würden, an einem anderen Ort, mit einem anderen Schicksal?
Man kann wohl viel in diese Handlung reininterpretieren, von der bloßen Geschichte dreier Frauen mit übersinnlichen Fähigkeiten bis hin zum Migrationsdrama, das sich unter der Oberfläche abspielt. Klar ist auf jeden Fall, dass Mascha, Direktorka und die Ich-Erzählerin unterhaltsame Figuren sind, die sich von der ersten Seite an nach oben kämpfen, Opfer bringen können und stark sein wollen. „Superheldinnen“ ist ein interessanter Roman, der auf jeden Fall heraussticht und mir gut gefallen hat.