Cover des Buches Hier treffen sich fünf Flüsse (ISBN: 9783832189457)
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Rezension zu Hier treffen sich fünf Flüsse von Barney Norris

Wie die Flüsse, so die Menschen

von Queenelyza vor 6 Jahren

Rezension

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Queenelyzavor 6 Jahren
"Ich würde ihm raten, so zu lieben, als bekomme er womöglich nie wieder die Möglichkeit dazu. Denn es vergehe kein Tag, an dem es nicht möglich sei, dass die Person, die man am meisten liebt auf der Welt, stirbt." (S. 147)

Normalerweise beginnen meine Rezensionen nicht mit Buchzitaten, aber hier ging es einfach nicht anders. Dieses Buch beschreibt ganz normale Leben und hat vielleicht genau deswegen für jede Gelegenheit und Stimmungslage das passende Zitat. Ach was, nicht nur eines. Hätte ich mir alles notiert, was mich an diesem Buch berührt hat, hätte ich die Hälfte davon abschreiben müssen.

Dabei ist die Geschichte völlig unspektakulär. In Salisbury passiert ein Autounfall, bei dem fünf Personen anwesend sind. Zwei davon sind direkt darin verwickelt, die anderen sind Beobachter des Ereignisses. Und irgendwie sind sie - genau wie die Flüsse Wylye, Ebble, Nadder, Bourne und Avon, die ineinander fließen - durch den Unfall miteinander verbunden. Dabei ist dieses Buch anders als Bücher, die sonst anhand eines Ereignisses aufzeigen, wie Personen miteinander zusammenhängen. Es ist leise, behutsam, und es geht viel mehr um das Schicksal der einzelnen Personen, als um das große "Aha, so war das also" am Schluss.

Wir lesen von Rita, der einsamen Floristin, dies ich abends als Dealerin etwas dazu verdient. Wir begegnen einem Teenager, der zum ersten Mal verliebt ist - während sein Vater im Sterben liegt. George Street ist gerade zum Witwer geworden und weiß noch gar nicht, wie er je mit dem Verlust leben soll. Vierte im Bunde ist eine Frau, deren Mann auf Afghanistan im Einsatz ist und die so gar nicht mit ihrem Leben zurecht kommt. Und zum Schluss ein Nachtwächter, bei dessen Geschichte die Fäden dann zusammenlaufen. Er schließt sozusagen den Kreis von den fünf Personen zu den fünf Flüssen, von denen zu Beginn erzählt wird.

Das Buch ist Großbritannien pur, denn während jede Person von ihrem Schicksal und ihrem Leben erzählt, erleben wir, wie es in der Gesellschaft Großbritanniens aussieht, wenn man nicht reich und schön ist und dann auch noch aus diversen anderen Gründen nur eingeschränkte Chancen hat, sich zu verwirklichen. Dabei tut das Buch trotz seiner leisen, behutsamen Erzählweise - oder gerade deswegen? - oft weh. Denn die Gefühle und Erkenntnisse, die die Protagonisten erleben und erfahren, sind lebensnah und authentisch. Liebe, Verlust, Trauer, - all das veranschaulicht durch wunderbare Zitate wie das, das ich für den Beginn dieser Rezension ausgewählt habe. Ich habe so manches Mal in einen Spiegel gesehen, über Dinge gelesen, über die ich selber oft eher nicht nachdenken mag und die nun doch in meinem Kopf rumschwirren.

Wer weiß, vielleicht geht es meinen Nachbarn, die ja auch irgendwie mit mir verbunden sind, ähnlich? Was weiß ich denn schon von den Menschen, mit denen ich Tür an Tür lebe? Von ihrem Sorgen, ihren Nöten, ihren Ängsten? Oft vergisst man doch im eigenen "Elend", dass auch andere Menschen mit ihren Problemen zurechtkommen müssen. Da rückt dieses Buch das Denken doch ganz gut wieder zurecht - mit mir hat es jedenfalls etwas gemacht. Mich zum Denken gebracht, zum Schmunzeln, ich hatte manchmal einen Kloß im Hals und manchmal war ich entsetzt - aber genau so muss gute Literatur für mich aussehen. Und man muss es erst einmal schaffen, unspektakuläre Geschichten so ergreifend zu erzählen wie Barney Norris. Ich ziehe meinen Hut.
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